Kirche sollte auf moralischen Zeigefinger verzichten

Peter Dabrock
© epd-bild/Peter Roggenthin
Peter Dabrock sprach beim Jahresempfang der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig zum Thema "Stell dir vor, die Kirche spricht und keiner will's hören!". Für ihn sollte die Kirche ihren Stil verändern und sich nicht über das "moralische Wächteramt" definieren.
Ethik-Experte Peter Dabrock
Kirche sollte auf moralischen Zeigefinger verzichten
Der Ethik-Experte Peter Dabrock hat der Kirche empfohlen, angesichts ihrer Vertrauenskrise den Ausdruck des moralisch erhobenen Zeigefingers zu lassen und gesellschaftliche Konflikte mehr zu begleiten statt sie zu kommentieren.

"Damit schafft sie in den hitzigen Debatten dieser Tage mehr Freiraum zum Durchatmen", sagte der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates am Dienstagabend im Braunschweiger Dom. Moralische und politische Orientierung sei in der komplexen Welt selten eindeutig. "Diese Unsicherheit anzuerkennen wäre in einer Welt so viel vorgetäuschter Sicherheit ein wertvoller Schritt."

Dabrock sprach beim Jahresempfang der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig zum Thema "Stell dir vor, die Kirche spricht und keiner will's hören!". Die Kirche sollte ihren Stil verändern und sich nicht über das "moralische Wächteramt" definieren, sagte der Professor der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Wichtig sei, glaubwürdig den eigenen Glauben zu bezeugen und so zu handeln, dass man um die eigene Begrenztheit wisse.

Der Forderung, sich ganz aus politischen Fragen herauszuhalten, erteilte Dabrock eine Absage. Wenn ihre Vertreter der Krise zum Trotz auch von Hoffnung und Fröhlichkeit geprägt seien und diese ausstrahlten, sei er zuversichtlich, dass ihnen mehr zugehört werde, sagte der Ethik-Experte. "Das täte nicht nur uns, das täte der Gesellschaft gut." Ob der Kirche dann wieder mehr zugehört werde, sei gleichwohl ungewiss.

Als Gründe für die Vertrauenskrise nannte der Theologe zum einen eine "erschütternd schlechte und schleppende Aufarbeitung" des Skandals langjähriger sexualisierter Gewalt. Auch fehlten mitreißende Persönlichkeiten, die man mit Kirche verbinde. Zudem litten andere Institutionen wie Gewerkschaften und Vereine ebenfalls unter einem wachsenden Vertrauensverlust und rückläufigen Mitgliederzahlen.