"Polizisten sehen manch kirchliche Äußerung kritisch"

Portrait von Polizeipfarrer Martin Schulz-Rauch
© Polizeipfarramt
Martin Schulz-Rauch arbeitet in der EKHN als Polizeipfarrer und ist für Westhessen, Rheinhessen und Westerwald zuständig. Nun geht er in den Ruhestand.
Polizeipfarrer vor Ruhestand
"Polizisten sehen manch kirchliche Äußerung kritisch"
Polizeibeamte sehen nach Ansicht des hessen-nassauischen Polizeipfarrers Martin Schulz-Rauch manche Äußerungen aus der evangelischen Kirche kritisch. Dazu gehörten "blinder Pazifismus", "Solidarisierung mit Klimaklebern" oder Anfeindungen von Polizisten bei Demonstrationen gegen Neonazis.

Der für Westhessen, Rheinhessen und Westerwald zuständige evangelische Polizeipfarrer sagte dem Evangelischen Pressedienst. Polizistinnen und Polizisten fühlten sich nicht immer wertgeschätzt als diejenigen, die den Schutz der Grundrechte gewährleisteten.

Die Kirche beanspruche gerne ein Wächteramt gegenüber dem Staat, sagte Schulz-Rauch, der nach knapp 20 Jahren im Polizeipfarrdienst am 20. April in Mainz in den Ruhestand verabschiedet wird. "Das führt dazu, dass die Kirche sich in Dinge einmischt, von denen sie keine Ahnung hat." Ein Beispiel sei die Forderung, die Polizei solle bei Schusswaffengebrauch auf die Beine eines Täters schießen. "Das ist fachlich Unsinn", so der Polizeipfarrer. Wenn ein Täter mit einem Messer auf jemanden zulaufe, müsse ein Polizist als letztes Mittel auf den Rumpf schießen, um den Täter möglichst zu treffen und zu stoppen.

Dagegen seien Polizist:innen für das Angebot der kirchlichen Seelsorge überaus dankbar, berichtete Schulz-Rauch. Konfession und Religion spiele dabei keine Rolle. Vor Seelsorgern könnten Beamte sich aussprechen und als Mensch jenseits ihrer Funktionen wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. Kirchliche Auszeittage für Meditation und Stressbewältigung würden sehr gut angenommen.

Es sei kontraproduktiv, dass die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in den vergangenen 20 Jahren ihre Stellen im Polizeipfarramt von zweidreiviertel auf zwei abgebaut habe, kritisierte der Pfarrer.

Die Beamt:innen seien durch außergewöhnliche Ereignisse belastet, etwa durch Demonstrationen, erläuterte Schulz-Rauch. Wenn bei Aufzügen gegen Rechtsextreme Leute skandierten: "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten", belaste dies die Beamten, weil sie nicht Neonazis, sondern das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützten.

Aber auch "der Alltag ist ein nagender Zahn", sagte der Polizeipfarrer. Menschen widersetzten sich immer öfter Anweisungen oder Verboten, etwa mit der Frage: "Was ist die Rechtsgrundlage Ihrer Maßnahme?" Beschuldigte folgten Platzverweisen nicht oder stellten immer öfter Gegenanzeigen gegen Polizisten. Diese blieben in der Regel folgenlos, verursachten aber Umstände.

Belastend sind nach den Worten des Polizeipfarrers auch die Personalknappheit mit der Folge eines wachsenden Berges an Überstunden, der häufig erst mit einer früheren Versetzung in den Ruhestand abgegolten werde. Für zusätzliche kräftezehrende Aufgabengebiete gebe es keine angemessene Personalverstärkung, etwa beim Registrieren und Streitschlichten im Zuge der Flüchtlingswelle 2015/2016, bei der rasant steigenden Zahl an Fällen von Kinderpornografie oder bei Fußballspielen mit Krawallfans.

"Es ist erstaunlich, dass der Betrieb trotzdem gut läuft", sagte Schulz-Rauch, "weil die Motivation der Beamten extrem hoch ist". Sie betrachteten ihre Arbeit als moralisch wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben. "Viele sagen: Das ist mein Traumberuf."