TV-Tipp: "Erzgebirgskrimi: Verhängnisvolle Recherche"

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19. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Erzgebirgskrimi: Verhängnisvolle Recherche"
Eine einsame Landstraße, ein Auto, ein verliebtes Paar; aus dem Radio erklingt "Heaven is a Place on Earth" von Belinda Carlisle, lauthals singt die Fahrerin mit. Aber in dieser Nacht ist für den Himmel kein Platz auf Erden, jedenfalls nicht für diese beiden im "Erzgebirgskrimi: Verhängnisvolle Recherche", denn ihre Liebesgeschichte endet abrupt.

Robert Winkler hat damals, im Mai 1994, beteuert, ein anderes Fahrzeug habe den Unfall verursacht, bei dem seine Freundin ums Leben gekommen ist, aber niemand hat ihm geglaubt, im Gegenteil: Dem jungen Polizisten wurde unterstellt, er habe damit bloß von seiner eigenen Schuld ablenken wollen; die Ermittlungen wurden eingestellt. Verbittert hat Winkler seine Heimat verlassen. Vor einigen Jahren ist er ins Erzgebirge zurückgekehrt, mittlerweile Hauptkommissar. Dank der Recherchen einer Journalistin findet er heraus, wer damals in dem anderen Wagen saß. Als die Person, die seine Freundin auf dem Gewissen hat, ermordet wird, gilt er selbstverständlich als Hauptverdächtiger.

Ein Polizist als Rächer, der eine alte Rechnung begleicht: Das wäre in jedem Fall eine fesselnde Krimistory. Seinen speziellen Reiz verdankt der "Erzgebirgskrimi" jedoch einem anderen Umstand: Jürgen Pomorin (alias Leo P. Ard) sowie Ko-Autor und Produzent Rainer Jahreis haben die Tat von langer Hand geplant. Schon mit der Einführung Winklers (Kai Scheve) in der Episode "Tödlicher Akkord" (2020) spielten der Unfall und die damit verbundene tiefe Verletztheit des Hauptkommissars eine wichtige Rolle.

Auch in den folgenden Filmen ist das Trauma immer wieder Teil der Handlung gewesen; der Film integriert die entsprechenden Dialoge als akustische Rückblenden. "Verhängnisvolle Recherche" bringt die horizontale Erzählung nun zu einem krönenden Abschluss.

Das gilt auch für die Inszenierung. Nach dem sehenswerten Reihenauftakt ("Der Tote im Stollen", 2019) mit Stephan Luca in der Hauptrolle hat die Qualität der Filme zunächst deutlich nachgelassen. Die fünfte Episode ist die mit Abstand beste, zumal Regisseur Jörg Lühdorff mit seinem ersten "Erzgebirgskrimi" auch künstlerische Akzente setzt: Die Bildgestaltung (Stefan Unterberger) ist ausgezeichnet und wirkt sehr hochwertig; viele Szenen sind mit einem leichten Blaustich versehen, der sich auch in der Ausstattung und der Kleidung wiederfindet. Die Musik ist sehr präsent, zumal Mario Lauer die Melodie von Belinda Carlisles Hit immer wieder in seine Komposition integriert hat.

Mit ähnlichem Geschick verknüpft das Drehbuch, das Lühdorff gemeinsam mit Pomorin geschrieben hat, die Vergangenheit mit der Gegenwart. Der Film beginnt mit einer Sprachnachricht für Winkler: Eine Journalistin ist auf etwas gestoßen, das ihn interessieren könnte. Als er sie zurückruft, wird er Ohrenzeuge, wie ihr Gewalt angetan wird. Die Frau arbeitete für eine Bürgerinitiative, die die Ansiedlung eines Forschungscampus in einem Naturschutzgebiet verhindern wollte.

Dabei gehören der Unternehmer Lothar Uhlig (Joachim Król) und seine leitende Wissenschaftlerin, Katja Rothe (Katja Weitzenböck), eigentlich zu den Guten: Auf dem Campus soll die Wasserstofftechnik vorangetrieben und Brennstoffzellen für Autos entwickelt werden. Auf dieser Ebene bleibt das Drehbuch dem Vorsatz treu, die Handlung stets konkret in der Region zu verorten: Das Erzgebirge hatte einst maßgeblichen Anteil an der Geschichte der deutschen Automobilindustrie, hier wurde unter anderem der Horch entwickelt, in den 30er Jahren der meistverkaufte Oberklasse-Pkw, wie Winkler beim Gespräch mit Rothes Doktorvater (Peter Rühring) an der Technischen Universität Chemnitz erfährt. Er hielt große Stücke auf die Doktorandin, aber dann ist sie durch ein Ereignis im Frühjahr 1994 völlig aus der Bahn geworfen worden.

Kai Scheve hat den Hauptkommissar bislang stets besonnen verkörpert. Umso krasser wirkt der Moment, als Winkler seiner unbändigen Wut freien Lauf lässt. Das hätte als Szene auch leicht schiefgehen können, zumal Zorn in Nahaufnahme oft übertrieben wirkt; andererseits hat sich die Eruption vier Filme lang angebahnt, und Scheve verkörpert diese explosive Mischung aus lauter unterschiedlichen Gefühlen sehr glaubwürdig.

Nach seinem emotionalen Ausbruch geht Winkler ins Hotel und betrinkt sich. Am nächsten Tag hat er einen kompletten Filmriss. In der Nacht ist Rothe ermordet worden, und nicht mal er selbst kann sich sicher sein, dass er nicht der Täter ist. Die Indizien lassen einem Kollegen von der Kripo Chemnitz (Fabian Busch) ohnehin keine Wahl. Winklers Kollegin Karina Szabo (Lara Mandoki) steckt nun in einem echten Loyalitätsdilemma: Sie will nicht glauben, dass ihr Vorgesetzter ein Mörder ist, muss aber gegen ihn ermitteln.

Nebenbei erzählen Pomorin und Lühdorff, die die Handlung in ein fesselnd inszeniertes Kammerspielfinale münden lassen, auch noch ein familiäres Drama, denn als Vater hat Unternehmer Uhlig offenkundig versagt.

Die bisherigen Filme hatten gewisse Mängel, aber die Verwurzelung der Reihe im Erzgebirge ist stets vorbildlich gelungen. Bislang standen dabei vor allem Natur, Handwerk und Bergbau im Vordergrund. Der technologische Aspekt ist ein interessanter weiterer Ansatz; es gibt tatsächlich diverse Unternehmen in der Gegend, die in Kooperation mit der TU Chemnitz Wasserstoffantriebe für die Fahrzeugindustrie entwickeln. Sehenswert sind die "Erzgebirgskrimis" auch wegen ihrer ständig wechselnden Schauplätze; diesmal dient der Ort Wolkenstein mit seinem bekannten Renaissanceschloss als Blickfang.