Harald Glööckler: "Gott ist in allen von uns"

Modedesigner Harald Glööckler stellt sein Buch "Kirche, öffne dich!" vor.
Foto: epd-bild/Rolf Zöllner
Harald Glööckler stellt sein Buch "Kirche, öffne dich!" vor. Der Modedesigner appelliert: "Träumen Sie mutig, in bunten Farben und immer ein bisschen größer, als Sie es sich vorstellen können! Denn Gottes Möglichkeiten sind unerschöpflich!"
Harald Glööckler: "Gott ist in allen von uns"
Im Umgang mit sexuellem Missbrauchsopfern verhalte sich die Kirche menschenverachtend, sagt der Designer Harald Glööckler. Zugleich mache sie mit der besten Botschaft der Welt das schlechteste Marketing. Dabei sollten Pfarrerinnen und Pfarrer mit Verständnis und Hoffnung auf Menschen zugehen.

Herr Glööckler, Sie sind ein gläubiger Mensch. Warum sind Sie trotzdem aus der evangelischen Kirche ausgetreten?

Harald Glööckler: Weil ich meinen Platz in der Kirche nicht gefunden habe. Die Kirche hat es nicht geschafft mir so viel Vertrauen und Nähe zu vermitteln, dass ich mich in ihr geborgen und gut aufgehoben gefühlt hätte. Desweiteren langweilten mich die teilweise sehr konservativen bis spießigen Gottesdienste eher, als mich zu inspirieren. Ich bin ein konsequenter Mensch und genauso wenig wie ich in einem Verein oder einer Organisation bleiben würde, welcher oder welche mir nichts zu bieten hat, bleibe ich nicht in der Kirche, wenn dem so ist.

Was läuft aus Ihrer Sicht gerade in der evangelischen Kirche schief?

Glööckler: Die Kirche sollte sich wieder mehr ihrer seelsorgerlichen Pflichten besinnen und mehr für die Menschen da sein, ihre Nähe suchen und sich ihrer Sorgen und Nöte annehmen und nicht mit erhobenem Zeigefinger Menschen beurteilen oder sogar verurteilen.

Wir brauchen eine Kirche, die uns stützt, wenn wir straucheln, zu Essen gibt, wenn wir hungern, zu Trinken gibt, wenn uns dürstet und uns wieder auf hilft, wenn wir gefallen sind. Die Kirche sollte die Nähe zu den Menschen suchen und nicht warten bis man zu ihr kommt.

Und trotzdem halten Sie den Kontakt zur Kirche. Für das Reformationsjubiläum hatten Sie sogar einen Schmuckschuber für die Lutherbibel 2017 kreiert. Sie beschreiben in Ihrem Buch "Kirche, öffne Dich!", dass die Pfarrerin an Ihrem Wohnort Ihnen aber eine Standpauke gehalten habe. Was war passiert? Und ist jetzt wieder alles gut?

Glööckler: Wir lebten bereits seit anderthalb Jahren in Kirchheim, als plötzlich am Geburtstag von Herrn Schroth (Anm. d. Red.: Dieter Schroth ist Harald Glööcklers Ehemann) die evangelische Pfarrerin bei uns klingelte. Doch sie wollte ihm keineswegs gratulieren, wie ursprünglich angenommen, da Herr Schroth noch Mitglied der Kirche ist, sondern sie verurteilte mich, wie ich behaupten könne, ich sei protestantisch, wo ich doch aus der Kirche ausgetreten sei! Aber ich könnte Buße tun und bereuen, wenn ich das neue Kirchendach bezahle, womit Sie mir dann sozusagen die Absolution erteilen würde. Da ich ihr klar machte, dass ich nicht vor hatte, wieder in die Kirche einzutreten, wollte Sie weiter mit mir diskutieren, was ich dann aber abgebrochen habe. Ich habe ihr daraufhin einen sehr ausführlichen Brief zukommen lassen.

Als ich dann bei der Sendung "Krause kommt" teilgenommen habe und die Kirche ohne mein Wissen als Drehort angefragt wurde, bekam ich erneut Post von der Pfarrerin, worin Sie sich darüber echauffierte, dass ich immer noch nicht dagewesen sei und sie das Gespräch gerne weiterführen möchte. Ich habe ihr dann mitteilen lassen, dass kein Interesse an einer weiteren Konversation bestünde.

Es macht Sie wütend, wie die Kirche mit den Opfern von sexuellem Missbrauch umgeht. Was fordern Sie von der evangelischen Kirche?

Glööckler: Es ist unfassbar und unglaublich, dass eine Institution, welche die beste und heiligste aller Botschaften vertritt und in Gottes und Jesu Namen, Menschen Beistand leisten und seelsorgerlich zur Seite stehen sollte, ihren Auftrag mit Füßen tritt und sich immer wieder offensichtlich derart unprofessionell und menschenverachtend benimmt. Das Vertrauen in die Kirche wird damit Stück für Stück zerstört. Die Kirche hat die beste Botschaft der Welt, aber sie muss sich dieser Pflicht auch bewusst werden und sie auch ausüben um den Menschen das Vertrauen zurückzugeben.

Zur evangelischen Kirche muss ich sagen, dass diese in vielen Bereichen fortschrittlicher denkt und handelt als die katholische Kirche und man kann im Grunde genommen sagen, dass wir auch nicht von DER Kirche sprechen sollten, auch nicht von DER evangelischen Kirche, da diese ja wiederum von den einzelnen Gemeinden lebt. Und diese sind in ihrer Beschaffenheit und Ausrichtung ebenso unterschiedlich wie die Menschheit an sich. Es gibt in der Tat sehr fortschrittliche Gemeinden und viele Menschen, die die seelsorgerliche Pflicht exzellent mit viel Liebe und Hingabe erfüllen. Doch leider gibt es eben auch die Anderen, welche noch immer rückschrittlich denken und handeln. Martin Luther, der Begründer der evangelischen Kirche, predigte Vielfalt und ich denke, wäre er heute unter uns, dass er gerne erneut die Reformation fordern würde. Wir erleben eine Zeit des Wandels. Wer sich nicht verändert, wer stehen bleibt, wird nicht bestehen bleiben.

Sie sagen, das Christentum "verkauft" seit zwei Jahrtausenden mit der guten Botschaft einen Bestseller, mit dem denkbar schlechtesten Marketing. Was würden Sie anders machen?

Glööckler: Die Botschaft der Kirche ist die Beste überhaupt, aber leider praktiziert sie ihre eigene Botschaft nicht und gerät immer mehr mit Negativschlagzeilen in den Fokus, sie schürt Vorurteile und Verurteilungen teilweise mit ihren Aussagen und das ist definitiv nicht der richtige Weg und die falsche Einstellung für eine Institution mit so viel Macht. Wenn ich etwas verkaufen möchte, muss ich eine klare Message haben und diese auch praktizieren. Ich muss die Menschen erreichen, offen sein für Kritik und für Veränderung und all dies vermisse ich in den Kirchen viel zu sehr.

"Gott ist der Kitt, der die Erde zusammenhält"

In Ihrem Buch sagen Sie: "Wir sind Gott!" Was meinen Sie damit?

Glööckler: Ich meine damit, Gott ist in allen von uns. Gott ist eine allgegenwärtige Energie, die uns durch unser Leben begleitet, egal in welcher Lebensform, ob Mensch oder Tier, Mann oder Frau, lesbisch oder schwul ... et cetera. Wenn Gott allmächtig ist, wovon wir ausgehen, ist er in allem und jedem, denn sonst wäre er nicht allmächtig. Gott ist der Kitt, welcher die Erde zusammenhält.

Was muss die evangelische Kirche und mit ihr die Pfarrerinnen und Pfarrer aus Ihrer Sicht machen, um künftig wieder mehr Menschen zu erreichen?

Glööckler: Sie sollten wieder die Nähe der Menschen suchen und ihnen Verständnis und Hoffnung entgegenbringen, sowie sich ihrer Sorgen und Nöte annehmen. Und sie sollte ihre Pfarrer und Pfarrerinnen, oder zumindest einen Teil davon, aus den Zeiten der Reformation transformieren.

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Das Interview erschien erstmalig am 5. September 2018.