Hass in Deutschland: "Dieses ganze Pfaffengesindel gehört liquidiert"

Geballte Faust.
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Hass in Deutschland: "Dieses ganze Pfaffengesindel gehört liquidiert"
Pfarrerinnen und Bischöfe, die sich für Flüchtlinge engagieren, müssen mit Hass- und Drohbriefen rechnen. Die ARD-Sendung "Panorama" hat sich mit diesem Thema beschäftigt und berichtete über Fälle, in denen es nicht allein bei der Androhung von Gewalt blieb.

Ein Bischof sendet einen Festgruß an Muslime zum Ramadan. Daraufhin erhält er zahlreiche Hass- und Drohbriefe. Wenig später zünden Fremde sein Auto und seine Garage an. Über das Motiv kann nur spekuliert werden, denn die Täter werden nicht gefasst. Die Drohkulisse wirkt: Aus Angst, dass die Angriffe wieder schlimmer werden könnten, will der Theologe nicht vor laufenden Kameras sprechen. Seine Geschichte ist kein Einzelfall. Sowohl die katholische deutsche Bischofskonferenz als auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bestätigen der Redaktion der ARD-Sendung "Panorama", dass Beschimpfungen und Bedrohungen gegen Pfarrer in den letzten anderthalb Jahren zugenommen haben.

"Stell dir vor, dieser Heini wird im Gottesdienst geköpft und niemand schaut hin." – "Den könnte man sich auf dem Scheiterhaufen vorstellen." – "Dieses ganze Pfaffengesindel gehört liquidiert." All das sind Botschaften, die der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick erhalten hat. In anderen ist von Gaskammern die Rede. Der Bischof wird angefeindet für seine Haltung in der Flüchtlingsfrage und gegenüber der Protestbewegung Pegida.

Ende Oktober spitzt sich die Situation weiter zu. Während einer Podiumsdiskussion wird Schick gefragt, ob er sich einen muslimischen Bundespräsidenten vorstellen könne. Die Antwort des Bischofs: Sollte dieser gewählt werden, werde er die demokratische Entscheidung akzeptieren. Dieses Zitat nutzt die Partei AfD für eine Bildmontage und stellt seine Aussage so dar, als wünschte sich der Theologe einen muslimischen Präsidenten. Er erstreitet eine Richtigstellung, doch die falsche Botschaft ist in der Welt. Angriffe folgen – angeblich zur Verteidigung des christlichen Abendlandes. "Christliches Abendland heißt, dass ich menschenfreundlich bin, dass ich anderen mit Respekt begegne, seine Würde und seine Menschenrechte achte", hält Schick dem entgegen.

Pfarrer Cervigne: "Ich wollte über Liebe sprechen"

Dass Drohungen auch Taten folgen können, erlebte Pfarrer Charlie Cervigne aus dem nordrhein-westfälischen Aldenhoven. Er engagiert sich für Flüchtlinge und ruft auf Facebook zur Mitmenschlichkeit auf. Erste Drohungen nimmt er nicht ernst. Doch dann klingelt es an einem Samstagabend an seiner Tür, er wird mit einem stockähnlichen Gegenstand niedergeschlagen und mit Pfefferspray angegriffen. Es gelingt ihm, die Haustür zuzuschlagen. Danach kommt er ins Krankenhaus, entlässt sich aber schon an nächsten Tag selbst. "Ich wollte ein Zeichen setzen, das war noch im Krankenhaus mein erster Gedanke. Am Sonntag war Valentinstag und ich wollte über Liebe sprechen."

Die Täter erreichen ihr Ziel nicht – Cervigne lässt sich nicht einschüchtern. "Es folgte eine Welle der Solidarität. Diejenigen, die mich schon vorher unterstützt haben, fühlten sich in ihrem Tun bestärkt, andere, die bis dahin geschwiegen haben, bezogen Position und die Motzer schweigen jetzt", erzählt der Pfarrer.

"Ich kann mich nicht erinnern, dass Geistliche in der Zeit, in der ich Pfarrerin bin, so beschimpft wurden wie in den letzten anderthalb Jahren", sagt die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann im Interview. "Verfickte Kirchenziege halt’s Maul." – Mails in diesem Tonfall erhalte sie vor allem dann, wenn sie zum Dialog aufrufe, erzählt die Theologin. Dabei seien Christen dazu aufgefordert, die Fremden, die sie aufnehmen, zu schützen. "Wenn es das christliche Abendland je in Reinform gegeben hat, dann heißt es zu verteidigen, dass Barmherzigkeit eine Rolle spielt. Nicht nur in der Kirche, sondern im ganzen Land", fordert Käßmann. Auch Bischof Schick ist überzeugt: "Ich denke, wir sind in einer Situation, in der sich die guten Kräfte auch stabilisieren müssen und sich nicht weg ducken dürfen, auch wenn man man dabei blaue Augen bekommen kann."