Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei beginnt

Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei beginnt
Ab Montag soll das EU-Türkei-Abkommen umgesetzt werden. Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex will 750 abgelehnte Asylbewerber von Lesbos aus zurückbringen. Amnesty International spricht von einem eklatanten Verstoß gegen internationales Recht.

Ungeachtet anhaltender Proteste und der Kritik von Menschenrechtlern sollen am Montag die ersten Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei zurückgebracht werden. Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex will die Rückführungen von der Insel Lesbos aus starten. Auf der Insel Chios kam es angesichts der bevorstehenden Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens zu Ausschreitungen. Medienberichten zufolge brachen bereits am Freitag mehr als 800 Menschen aus dem sogenannten Hotspot aus, einem Lager, in dem neuankommende Bootsflüchtlinge bis zum Abschluss des Asylverfahrens eingesperrt bleiben.

Am Freitagabend beschloss das griechische Parlament in Athen ein Gesetz, das beschleunigte Asylverfahren und eine Ausweisung der abgelehnten Bewerber ins Nachbarland möglich macht. Damit wurde die letzte Voraussetzung für die Rückführungen geschaffen.

Dem EU-Türkei-Abkommen zufolge sollen alle Menschen, die seit dem 20. März irregulär von der Türkei aus auf die griechischen Inseln gelangt sind, zurückgeführt werden, es sei denn, sie erhalten Asyl. Im Gegenzug will die EU bis zu 72.000 Syrer aus der Türkei aufnehmen. In Griechenland harren nach offiziellen Angaben mehr als 50.000 Flüchtlinge aus - davon etwa 6.000 auf den Inseln.

Während Amnesty International von einem eklatanten Verstoß gegen internationales Recht sprach, der die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen verhöhne, verteidigten der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (beide SPD) die Vereinbarung mit der Türkei. Außenminister Steinmeier sagte der "Heilbronner Stimme" (Samstagsausgabe): "Man mag es gut oder schlecht finden, dass die Türkei ein Schlüsselland in der Flüchtlingskrise ist." Diese Tatsache könne man aber nicht ignorieren.

Schulz sagte der "Bild am Sonntag", der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sei ein "hochseriöser Partner". Dennoch dürfe die EU "zu Grundrechtsverletzungen in der Türkei nicht schweigen, nur weil wir in der Flüchtlingsfrage zusammenarbeiten", betonte der SPD-Politiker, der wiederum den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unter anderem für dessen diplomatische Intervention wegen eines satirischen Beitrages im NDR-Fernsehen scharf kritisierte.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Montagsausgabe): "Die EU insgesamt verkauft hier ihre Seele und verrät ihre Werte." Es gehe nicht mehr "um den Schutz von Flüchtlingen, sondern nur noch um den Schutz vor Flüchtlingen". Angesichts der angespannten Lage in Griechenland sei der Start der Rückführungen derzeit unverantwortlich. Aus Sicht von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ist der EU-Türkei-Pakt "nicht dauerhaft tragfähig". Wenn überhaupt werde nur für Syrer ein Zugang nach Europa ermöglicht, sagte sie "Welt online".

Menschen werden Ausweichrouten suchen

Die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping sagte dem Radiosender SWR 2, die Lage der Flüchtlinge werde sich durch das EU-Türkei-Abkommen verschlechtern. Am Ende würden die Menschen Ausweichrouten suchen.

Nach Informationen der staatlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA charterte die europäische Grenzschutzbehörde Frontex zwei Schiffe, die von Montag bis Mittwoch insgesamt 750 abgelehnte Asylbewerber aus Syrien, dem Irak und Afghanistan aus Griechenland über das Mittelmeer in die Türkei bringen sollen. Sicherheitskräfte begleiten demnach die Rückführung: Auf jeden Ausgewiesenen komme ein Polizist.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums werden ebenfalls bereits für Montag erste syrische Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland erwartet. Es seien vor allem Familien mit Kindern, die unter Beteiligung des UNHCR ausgewählt worden seien. Sie kämen voraussichtlich im Aufnahmelager Friedland in Niedersachsen an. Das Ministerium nannte keine genaue Zahl, es sei von einer "niedrigen bis mittleren zweistelligen Größenordnung" auszugehen.

Nach Informationen der "Welt am Sonntag" ist Deutschland im Rahmen des EU-Türkei-Pakts bereit, in einem ersten Schritt 1.600 Menschen aufzunehmen. Bei Bedarf würden laut Bundesinnenministerium weitere 13.500 Aufnahmeplätze zur Verfügung gestellt.