Flüchtlinge, gerechtes Wirtschaften, Schuldenerlass - Ernste Themen prägen Auftakt des Kirchentags

Bundeapräsident Gauck bei Kirchentag in Stuttgart
Foto: epd-bild/Thomas Lohnes
Bundespräsident Joachim Gauck spricht bei einer Veranstaltung auf dem Kirchentag in Stuttgart.
Flüchtlinge, gerechtes Wirtschaften, Schuldenerlass - Ernste Themen prägen Auftakt des Kirchentags
Hitze, Sonne und viele ernste Themen: Die Präsenz der Politprominenz von Gauck bis de Maizière unterstreicht die Bedeutung des Kirchentags als Debattenforum.

Bundespräsident Joachim Gauck und mehrere Bundesminister haben auf dem evangelischen Kirchentag mit Zehntausenden Besuchern das Gespräch gesucht. Ernste Themen wie das Flüchtlingssterben im Mittelmeer und Forderungen nach einer gerechteren Gesellschaft prägten den Auftakt des fünftägigen Protestantentreffens im sommerlichen Stuttgart.

Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, kritisierte am Donnerstag die Gier an den Finanzmärkten und regte einen Schuldenerlass für Griechenland an. "Können nicht auch Staaten frei werden von Schulden?" fragte die frühere Bischöfin in einer Bibelarbeit unter dem Beifall von fast 10.000 Besuchern. Sie geißelte die Gier nach Vermehrung von Vermögen und forderte eine "Ethik des Genug".

Gauck: Kirchentag "bewegendes und inspirierendes Begegnungsforum"

Widerspruch zu dem Griechenland-Vorstoß gab es umgehend von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Bei allgemeinen Schuldenschnitten, wie sie etwa die kirchliche Erlassjahrinitiative vorschlägt, müssten alle Sparer, Banken und Lebensversicherer enteignet werden, sagte er ebenfalls beim Kirchentag in Stuttgart.

Bundespräsident Joachim Gauck hatte den Kirchentag in einem Grußwort zur Eröffnung am Mittwochabend als bewegendes und inspirierendes Begegnungsforum gewürdigt. Staat und Gesellschaft profitierten davon, wenn Menschen Werte lebten und unter Umständen dafür sogar kämpften, sagte das Staatsoberhaupt.

Bedford-Strohm: Staaten Europas müssen mehr tun, um die Flüchtlingstragödien zu beenden

In einer Diskussionsveranstaltung am Donnerstag nannte er es nicht in Ordnung, wenn nur die "happy few" - also einige Glückliche - von Reichtum profitierten und keine Verantwortung für andere trügen. Das bedeute aber nicht, dass sich deshalb auch alle anderen aus der Verantwortung nehmen könnten. In der Debatte um die Homo-Ehe ließ Gauck Sympathie für eine weitere Aufwertung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften erkennen.

In seiner Eröffnungsansprache hatte Kirchentagspräsident Andreas Barner am Abend zuvor gesagt: "Wir sollten mit weitem Herzen denen helfen, die vor Krieg, Diktatur und Gewalt fliehen." Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm appellierte an die Staaten Europas, mehr zu tun, um die Flüchtlingstragödien zu beenden.

250.000 beim "Abend der Begegenung"

Rund 80.000 Gläubige kamen zu den drei Eröffnungsgottesdiensten. Etwa 250.000 feierten anschließend bei sommerlichen Temperaturen einen "Abend der Begegnung".

Mehrere Bundesminister hielten am Donnerstag Bibelarbeiten. Innenminister De Maizière unterstrich, Gewinnmaximierung und hohe moralische Ansprüche ließen sich schwer unter einen Hut bringen: "Es geht um die kluge Nutzung von Geld und Reichtum, es geht um unsere Haltung, um die Prioritäten, die wir uns setzen." Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) rief dazu auf, die sozialen Verhältnisse in Deutschland und der Welt permanent kritisch zu hinterfragen: "Nichts tun und sich in Gegebenes zu fügen, das ist keine Option."

Füllkrug-Weitzel fordert abgestimmte Friedenspolitik

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, forderte auf dem Kirchentag eine abgestimmte deutsche Friedenspolitik. Sicherheits-, Handels- und Außenwirtschaftspolitik sowie Armutsbekämpfung seien nicht kohärent, kritisierte die leitende Theologin.

Der Berliner Landesbischof Markus Dröge mahnte, das umstrittene transatlantische TTIP-Abkommen dürfe ärmeren Staaten keine Entwicklungschancen rauben. Die Welt habe nur eine Zukunft, wenn ein lebenswertes Leben auf allen Kontinenten möglich sei.