Gott kennt kein Genderverbot

Geistvoll in die Woche
Gott kennt kein Genderverbot
Aus gegebenem Anlass: zwei Briefe an den bayerischen Ministerpräsidenten.

Meine erste Reaktion auf das Genderverbot in Bayern war: Ironie. Auf Facebook und Instagram postete ich (mit einem fröhlichen Augenzwinker-Foto):

Liebe Ministerpräsidentin Markus Söder,
euer Genderverbot macht mir nichts. Als Bayerin nutze ich jetzt einfach das generische Femininum, das selbstverständlich euch Männer und alle anderen mitmeint. Umgekehrt macht ihr das ja auch immer so. Gell? 

Bei Lichte betrachtet ist die Sache natürlich alles andere als lustig. Darum will ich Söder jetzt noch einmal schreiben. Diesmal an den Ministerpräsidenten.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wie kommen Sie dazu, das Gendern zu verbieten und Sonderzeichen aus dem Alltag von Schulen, Universitäten und Behörden zu verbannen? Wie kommen Sie darauf, dass das Gendern eine "ideologiebetriebene" Sprache sei? Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden? 

Eine Ideologie ist laut Duden eine "politische Theorie, in der Ideen der Erreichung politischer und wirtschaftlicher Ziele dienen (besonders in totalitären Systemen)" und eine "weltfremde Theorie". Nicht das Gendern ist Ideologie, sondern das, was Sie betreiben. Ihre Politik tut so, als gäbe es diese Menschen nicht. Das ist eine "weltfremde Theorie". Es erinnert mich fatal an totalitäre Staaten.

"Sprache muss klar und verständlich sein", sagen Sie. Das stimmt. Aber sie muss auch wahr sein. Nicht der "Rat für deutsche Rechtschreibung" sollte ausschlaggebend für Ihr Handeln sein, sondern die Menschen. Schon aus Respekt. Wenn ihre Rechte verletzt werden, darf es keine Rolle spielen, ob die Sprache "Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Orthografie" zur Folge hat, wie es in der Pressemitteilung Ihres Innenministers heißt.

Sprache schafft Wirklichkeit. Sie hingegen negieren die Wirklichkeit. Sie machen die Betroffenen unsichtbar und verdrängen sie aus unserem schönen Bayern. Sie diskriminieren sie und bringen sie dadurch in Gefahr, noch mehr diskriminiert zu werden, als sie es ohnehin schon sind. Warum ist Ihnen Intoleranz so viel wichtiger als Toleranz? Oder geht es Ihnen um Wähler*innen am sehr rechten Rand? Wie armselig wäre es, wenn sie Ihnen mehr bedeuteten als Menschen.

Kennen Sie überhaupt jemanden, den Sie mit Ihrem scharfen Schwert der Zensur ausschließen? Menschen, die sich weder mit dem weiblichen noch mit dem männlichen Geschlecht identifizieren? Queere Menschen? Homosexuelle? Ich kenne einige. Ich gehöre selbst dazu. Glauben Sie im Ernst, dass irgendjemand von uns "ideologiebetrieben" ist, weil wir sprachlich dazugehören wollen?

Ich bin nicht die einzige Christin, die Sie kritisiert. Viele tun es. Sie sind doch auch ein gläubiger Mensch, jedenfalls sagen Sie das oft. Dann müssten Sie doch wissen, dass wir alle Kinder Gottes sind. Dass vor ihm alle Menschen gleich sind. (Das Gleichheitsgebot findet sich übrigens auch im Grundgesetz.) Gott schließt niemanden von seiner Liebe aus. Ihr Genderverbot steht dazu im klaren Widerspruch. Es widerspricht allem, was Jesus sagt. 

Mit einer Antwort rechne ich nicht. Aber auf Einsicht hoffe ich. Auch wenn das Verbot am 1. April in Kraft tritt. 

weitere Blogs

Der dritte Teil unserer Reihe fragt, wie es in Theologie und Kirche eigentlich bestellt ist um das Thema "Polyamorie" und wagt erste Erkundungen durch ein wenig beachtetes Feld.
Schnitzel
Manche Gerichte haben wirklich rätselhafte Namen
Polyamore Menschen sind Teil unserer Kirche. Manche leben polyamor im Versteck, andere kämpfen offen für Akzeptanz und Gleichbehandlung in Kirche, Theologie und Gesellschaft. Katharina Payk hat mit zwei polyamor lebenden Menschen, die die Kirche mitgestalten, gesprochen.