Ein bisschen Zündeln …

Ein bisschen Zündeln …
Foto: Matthias Albrecht
Ein Vortrag des katholischen Bischof Huonder sorgt in der Schweiz für Empörung. Er hatte biblische Stellen zitiert, welche die Todesstrafe für Homosexuelle fordern.

Am vergangenen Samstag veranstaltete das Forum Deutscher Katholiken seinen diesjährigen Kongress Freude am Glauben 2015 in Fulda. Dort hielt Vitus Huonder, Bischof von Chur (Schweiz) einen Vortrag mit dem Titel Die Ehe - Geschenk, Sakrament und Auftrag. Während seiner Ausführungen sprach der Geistliche auch über Homosexualität. Dabei zitierte er zwei Stellen aus dem 3. Buch Mose  (Lev. 18, 22 und 20,13), in denen die Todesstrafe für homosexuellen Geschlechtsverkehr gefordert wird. Anschließend erklärte der Bischof: „Die beiden zitierten Stellen allein würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben.“ Inzwischen bekundet der Geistliche nun in einer Stellungnahme, er „bedaure, wenn [… sein] Vortrag […] in den Medien vereinzelt als Herabsetzung homosexueller Menschen verstanden wurde. So war es nicht gemeint.“

Ob es letztlich so gemeint war oder nicht, Fakt ist, der Geistliche benutzt Bibelstellen, um sich gegen jede Vielfalt familiärer Beziehungsformen auszusprechen. Und dabei wählt Huonder nicht irgendwelche Verse, sondern die endgültigsten und martialischsten, die die Heilige Schrift zu diesem Thema bietet. Diese Entscheidung wird er bewusst getroffen haben. Wenn er nun im Nachhinein behauptet, mit dieser Proklamation nicht die Herabsetzung homosexueller Menschen intendiert zu haben, klingt das weniger nach einer ernsthaften Entschuldigung als mehr nach einem hilflosen Versuch der Selbstrechtfertigung. Wie empathielos muss eine Person sein, sich nicht im Vorfeld gewahr zu werden, dass die Zitation eines solchen Abschnittes, der die Todesstrafe für schwulen Sex fordert, diejenigen herabsetzt, die so ihre Zuwendung leben? Wie viel Eignung hat jemand, der so redet, als Seelsorger? Es fällt mir sehr schwer, dem Geistlichen hier zu glauben. Er hat eine bestimmte Weltsicht und will diese biblisch fundieren. Dagegen ist natürlich erst einmal nichts einzuwenden, im Gegenteil, als Christ_innen sind wir dazu aufgerufen. Dabei lesen wir die Bibel allerdings von der Mitte, also von der in Christus erschienen Gnade Gottes her. Im Doppelgebot der Liebe hält uns Jesus dazu an, „deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lk. 10, 27) zu lieben. Diese Mahnung schützt uns davor, uns über andere zu erheben und dabei beispielsweise die Sklaverei, Sexismus, Rassismus, Antisemitismus auf biblischer Grundlage zu begründen. Hat sich der Bischof das bei seiner Auslegung auch zu eigen gemacht? Er wollte so drastisch wie nur irgend möglich darstellen, wie inakzeptabel gleichgeschlechtliche Beziehungen sind, und dazu haben ihm die Stellen, die sonst für gewöhnlich dafür herhalten müssen, wie beispielsweise die Schöpfungsgeschichte, nicht mehr ausgereicht. Nein, Huonder wollte es noch krasser ausdrücken: „… beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen“ (Lev. 20, 13). Darunter ging es nicht.

Das wirft nicht nur Fragen nach der Qualifikation des Bischofs als Seelsorger auf, was schwer genug wiegt. Ist er überhaupt als geistliches Oberhaupt geeignet, das Verantwortung für die Kirche, die Welt und Gottes Volk tragen kann? Vitus Huonder ist ein geistiger Brandstifter. Seine Worte haben eine Wirkung, die weit über seinen Vortrag hinaus gehen. Das Gesagte trägt, ob gewollt oder nicht, dazu bei, dass Homosexuellenfeindlichkeit salonfähig wird. Wenn er die Forderung nach der Todesstrafe für Homosexuelle unwidersprochen stehen lässt, legt er, gemeinsam mit vielen anderen Holz auf einen geistigen Scheiterhaufen. Ein Scheiterhaufen, dessen Flamme weltweit sichtbar sind, in anti-homosexuellen Gesetzen der Russischen Föderation, den Diskussionen über die Einführung der Todesstrafe für homosexuell Liebende in Uganda oder der Ermordung von Lesben und Schwulen auf offener Straße, wie jüngst wieder in Israel geschehen. So etwas darf ein Diener Jesu Christi aber nicht tun. Er soll die Schafe schützen, gegen jene, die ihnen Unheil wollen, aufstehen und nicht ihre Schlachtbänke mit präparieren!

Wem das alles nun zu hart klingt, wer meint, immerhin stünden die Sätze ja tatsächlich in der Bibel, der möge sich folgendes fragen: Wie würde sie_er reagieren, wenn ein islamischer Geistlicher auf die gesellschaftliche Diskussion über die Gleichstellung einer gesellschaftlichen Minderheit mit dem Zitat einer Koranstelle antworten würde, die diese Gruppe mit dem Tode bedroht?

Warum gibt es eigentlich von offizieller Seite bislang keine ablehnende Stellungnahme der Katholischen Kirche? Auch die Evangelische Kirche hat sich in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit wenig christlich verhalten. So konnte etwa im Jahr 2011 der emeritierte Bischof Ulrich Wilckens im SWR-Fernsehen äußern, dass Schwule nach dem irdischen Leben in die Hölle kommen. Auch hier gehört nicht wirklich viel Empathie dazu, sich vorzustellen, welch verletzende und bedrohliche Wirkung solche Aussagen auf gläubige Christ_innen haben können. Widerspruch von offizieller Seite aus der Evangelischen Kirche gab es dazu aber nicht. Aber macht sich nicht auch der schuldig, der neben dem Scheiterhaufen steht, und die anderen feuern lässt ohne einzugreifen? Hoffnungsvoll stimmt es hingegen, dass sich besonders in den Schweizer Medien, den sozialen Netzwerken, sowie einer größeren kritischen Öffentlichkeit, darunter viele Katholik_innen breiter Widerstand und Protest gegen Huonder regt. Herr, „gib den Boten Kraft und Mut, Glaube, Hoffnung, Liebesglut“ (Evangelisches Gesangbuch 262).

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