Das Reden der Anderen

Das Reden der Anderen
Eine Diskussion über einen umstrittenen Dokumentarfilm - wen könnte man da einladen? Die Autoren hält die ARD für nicht so interessant, die für die Freigabe verantwortliche Redakteurin auch nicht. Dafür sitzen in der Runde eine eifrige Facebook-Kritikerin und ein üblicher Verdächtiger. Und dann, in dem Urteil sind sich die Kritiker einig, passiert der gleiche Fehler wie im Film. Ebenfalls unerfreulich: Deniz Yücel muss seine Texte weiter über einen Anwalt übermitteln. Diesmal allerdings zu einem für ihn erfreulichen Anlass - der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises.

Das ZDF und RTL haben die in den vergangenen Tagen hier sehr oft (zuletzt gestern) erwähnte Doku „Auserwählt und ausgegrenzt“ noch nicht gezeigt, aber ansonsten ist sie jetzt fast überall gelaufen. Gestern Abend dann auch in der ARD und später auf Arte. Im Unterschied zu der Version, die Bild.de zeigte, blendete das Fernsehen allerdings immer wieder Warntafeln ein, auf denen etwa zu lesen war, wie Daniel Bouhs hier dokumentiert hat

„Brot für die Welt und B’Tselem wurden nicht um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden erst durch den WDR eingeholt.“ 

Dazu gibt es auf einer WDR-Faktencheck-Website Ergänzungen oder Korrekturen zu 29 Punkten, die der WDR für falsch, nicht vollständig oder rechtlich kritisch hält. Und es stimmt, was Daniel Bouhs dazu bemerkt

„Spätestens jetzt dürfte hoffentlich klar sein, warum es keine Zensur ist, wenn Programmverantwortliche sagen: ‚Das senden wir so besser nicht.‘“

Allerdings bleiben dann doch viele Fragen (wie Bouhs auch selbst anmerkt).

Ich selbst habe den Eindruck, dass es zuletzt vor allem darum ging, Schaden vom Sender abzuwenden - ohne größere Rücksicht auf die Autoren. Ursprünglich hatte der WDR den Film ja abgenommen. Hätte der Sender die Schwachstellen gleich erkannt, deutlich gemacht und den Film nachbessern lassen, wäre das Problem wahrscheinlich recht klein geblieben. 

So stehen am Ende die Autoren als die Dummen da. Und dass sie nicht zur Diskussion eingeladen wurden, kann auch mit der Stellungnahme des Senders nicht erklärt werden, die Altpapier-Kollege René Martens in seinem Kommentar für die taz zitiert. 

„Redaktionell liegt der Schwerpunkt der Diskussionsrunde nicht auf einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Film, sondern auf dem eigentlichen Thema der Dokumentation, dem Antisemitismus.“

Dafür, dass die WDR-Redakteurin, die den Film durchgewinkt hat, nicht in der Runde sitzt, hätte man ebenfalls gern eine Erklärung. Aber auch die gibt es nicht. Und dann sind eben noch die anderen Punkte: 

René Martens zitiert unter anderem Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee Berlin, mit den Worten,

„es „sei (…) unverständlich, dass ein halbes Jahr nach Fertigstellung des Films die Sachverhalte erst geprüft werden müssten. ‚In diesem Zeitraum hätte der Film bereits mehrfach neu geschnitten und beurteilt werden können, sofern ein wirkliches Interesse daran bestanden hätte.‘“

Und: 

„Eine Bearbeitung des Films hätte vorausgesetzt, dass man mit den Machern redet. Dies passierte aber offenbar nicht – jedenfalls, wenn man Co-Autor Joachim Schroeder glauben darf. ‚Seit sechs Monaten sprechen weder der WDR noch Arte mit uns’, hat er am Mittwoch gegenüber der FAZ gesagt.“

Die Hoffnung, dass sich in der an den Film angeschlossenen Diskussion in der Sendung „Maischberger“ alles klären würde, blieb leider vergebens. 

Michael Hanfeld attestiert der Diskussion in seiner Kritik bei faz.net, dass sie

„leider dieselben Schwächen aufweist wie die Vorlage, an der sich hier alles entzündet. Sie blickt auf die Geschichte, auf den Nahost-Konflikt, auf Israel und die Palästinenser, verliert sich aber leider lange in der – müßigen – Frage, ob man Israel beziehungsweise die israelische Regierung kritisieren kann, ohne gleich als Antisemit bezeichnet zu werden.“

Und er bringt sehr schön auf den Punkt, wie absurd die Begründung des Senders ist, die Autoren nicht eingeladen zu haben. Die lautet nämlich: 

„(…) Autoren wollten dann ja in der Regel doch nur über ihren Film reden – was in ihrer Sendung dann eben alle anderen eine Stunde lang unternehmen.“

Alan Posener lobt auf Welt.de zwar Sandra Maischberger („moderierte überlegen“), kritisiert aber die Zusammenstellung der Runde, was die Entscheidung gegen die Autoren als Diskussionsteilnehmer noch unerklärlicher macht. 

„(…) wurde vorsichtshalber bei ‚Maischberger‘ eine so genannte Expertenrunde versammelt, die den Film nach der Ausstrahlung kommentieren sollte. Wobei „Experte“ ein dehnbarer Begriff ist. (…) Rolf Verleger qualifiziert sich einzig und allein für die Runde, weil er ein Jude ist, der Israel kritisiert. (…) Die Journalistin Gemma Pörzgen (…) qualifizierte sich für die Runde anscheinend, indem sie auf Facebook schrieb, der Film sei ‚ein unsägliches Machwerk von Überzeugungstätern‘.“

Arno Frank schreibt auf Spiegel Online

"So redlich der Versuch sein mag, eine Dokumentation zu zeigen und sich gleichzeitig von ihr zu distanzieren, so gründlich ging er in die Hose. Zumal die obsessive Akribie, mit der im 'Faktencheck' noch das kleinste Haar in der Suppe gesucht wurde, den Befürwortern des Films in die Hände spielte."

Die Diskussion sieht er auf den gleichen Abwegen wie den Film. 

"Überhaupt zieht es die Diskussion immer wieder weg von ihrem eigentlichen Thema und hinein in den Konflikt zwischen Israel und Palästina - auf die gleiche schiefe Ebene also, auf die auch die (leider nicht eingeladenen) Autoren von "Auserwählt und ausgegrenzt" geraten sind. Korrekturversuche der Moderatorin fruchten nicht, es scheint in der Natur der Sache zu liegen. Sogar Wolffsohn seufzt, Europa sei eben längst 'ein Nebenschauplatz des Nahen Ostens'."

Matthias Drobinski urteilt auf Sueddeutsche.de

„Insgesamt aber ergibt sich ein für die Autoren peinliches Bild: Gegenmeinungen wurden nicht eingeholt, Zahlen und Fakten ignoriert, wenn sie nicht in die These passten. Und Hauptquelle der Recherche ist der israelische NGO-Monitor, der der israelischen Regierung nahe steht. Was aber im Beitrag verschwiegen wird.“

Einen Eindruck davon, wie es so weit kommen konnte, vermittelt der folgende Wortwechsel zwischen WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn und Michael Wolffsohn, Historiker, Nahost-Experte von der Münchner Hochschule der Bundeswehr und Berater der Autoren. 

„Wolffsohn hat also die große Linie als Argument, Schönenborn die vielen kleinen und großen Fehler und Versäumnisse der Filmemacher, zu denen er außerdem noch sieben Persönlichkeitsrechtsverletzungen zählt. Das hätte alles den Autoren gesagt werden können, sagt Wolffsohn. Haben wir doch, sagt Schönenborn. Haben Sie nicht, beharrt der Historiker. Das muss dann irgendwie so stehen bleiben.“

Und auch Drobinski sieht im Verlauf der Diskussion Parallelen zum Film: 

„Die schlechte Nachricht: Dieser Debatte geht es in dieser Nacht wie dem Film zuvor - sie gleitet immer wieder ab in die Abgründe und Sandbänke des Nahostkonflikts. (…) Es geht um Dutzende Sendungen vor dieser Sendung, die natürlich alle nicht ausgewogen waren - da hätte mal jemand "Skandal" rufen sollen!“

Sein Schlusswort ist vielleicht auch ein gutes zum Thema selbst: 

„'Am Ende bleibt ein Minimalpunkt’, sagt am Ende eine ratlos wirkende Sandra Maischberger, ‚es ist gut, wenn sich alle begegnen‘. Und, wie gesagt: Verletzt wurde keiner. Endlich schlafen.“

Das gilt allerdings nicht für Sie, denn die Diskussion geht natürlich weiter. Altpapier-Kollege René Martens sitzt heute Abend bei einer Diskussion des Grimme-Instituts zum Thema mit auf dem Podium. WDR.de überträgt die Veranstaltung ab 19 Uhr live. Wer zu der Zeit schon im Biergarten sitzt, kein Datenvolumen mehr hat oder aus anderen Gründen keine Zeit, hat am Sonntag um 11.25 Uhr eine weitere Gelegenheit, die Diskussion zu sehen. Dann im WDR-Fernsehen. 

Kleine Randnotiz dazu noch: Bild.de hat für die Ausstrahlung der Doku keine Gema-Lizenz beantragt. Die Gebühren könnten jetzt noch fällig werden, wie die Gema Bruno Kramm bei Twitter bestätigt hat.

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Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hat Deniz Yücel gestern Abend mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Und so ernüchternd die Meldungen über seine Aussichten auf eine schnelle Freilassung im Moment auch sind, so erleichternd sind dann auch die von seinen Anwälten überbrachten Botschaften, in denen sehr deutlich wird, dass die türkische Seite diese Ernüchterung ebenfalls verspüren muss, wenn auch aus einem anderen Grund. Sie können ihn noch so lange einsperren, klein kriegen werden sie ihn nicht. 

Ulrike Simon hat Deniz Yücels Dankesrede für Horizont dokumentiert. Und die Rede beginnt, natürlich, mit einem Witz.  

„Für meine Texte habe ich den Theodor-Wolff-Preis nie erhalten, jetzt bekomme ich ihn, indem ich hier bloß dumm rumsitze. Hätte ich das mal früher gewusst… Aber im Ernst: Falls es zu Ihren Absichten gehörte, mich mit dieser wertvollen Auszeichnung ein wenig aufzumuntern, dann sei Ihnen versichert: Es ist Ihnen vortrefflich gelungen. Auch dafür danke ich Ihnen. Zugleich erlaube ich mir, diesen Preis auch als Zeichen der Anteilnahme mit meinen zahlreichen türkischen Kolleginnen und Kollegen zu interpretieren, die größtenteils unter ähnlich absonderlichen Anschuldigungen, aber seit sehr viel längerer Zeit dieses und andere Gefängnisse des Landes füllen.“

Der zweite Teil ist zwar keine Neuigkeit, aber man kann es nur immer wieder wiederholen. Daher hier auch noch schnell dieser Tweet von Hajo Schumacher.

###extern|twitter|hajoschumacher/status/877613325189763073###

Die übrigen Preise gingen in diesem Jahr an Anja Reich (Berliner Zeitung, Kategorie Lokales), Hans Monath (Tagesspiegel, Meinung), Marc Neller (Welt am Sonntag, Reportage), und Nicolas Richter (Süddeutsche Zeitung, Thema des Jahres).

Das Thema des Jahres war nach Ansicht der Jury „Populismus“. Der Text, für den Nicolas Richter den Preis gewann, trägt den Titel „Klingt verrückt“ und mit beginnt im Teaser mit folgenden Worten. 

„Ihr könnt so werden wie ich, verspricht Donald Trump den Amerikanern. Eine Reise durch ein Land, das diesen unzähmbaren Mann zum nächsten Präsidenten der USA wählen könnte“

So wird einem noch einmal klar: Ja, das klingt wirklich verrückt. 


Altpapierkorb

+++ Boris Rosenkranz erklärt für Übermedien, wie leicht es für einen Marketing-Chef einer Tourismus-Attraktion im MDR-Sendegebiet sein kann, sich vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen kostenlosen Werbeclip basteln zu lassen. „‚Alle Menschen, die in den in Rede stehenden Clips erscheinen, haben sich im Rahmen der Aktion ‚Sommer bei uns‘ gemeldet‘, schreibt der MDR. Wer also ein Freizeit-Unternehmen betreibt, muss nur beim MDR anrufen und mit ‚ein bisschen Glück‘ wird er vom MDR ‚ganz groß‘ beworben

+++ Stefan Raab produziert wieder eine Show. Und da warenn alle für einen kurzen Moment sehr euphorisch - denn wenn jemand für ein paar Monate nicht im Fernsehen zu sehen war, ist die Rückkehr auf den Bildschirm ist ja eigentlich immer ein Spektakel. Allerdings musste Raab die Freude der Anwesenden gleich wieder dämpfen, denn er wird die Show nur produzieren, nicht moderieren. Das sei eh nie seine Stärke gewesen, gestand er einsichtig und machte sich dann noch über den Titel der Show lustig. Der sei quasi eine Antwort auf die Geschlechtsteilvorzeigeshow Naked Attraction von RTL 2, wo ja auch jeder reinkomme und sein Ding zeige, und am Ende gewinne dann der mit dem besten Ding“, schreibt Hans Hoff auf der SZ-Medienseite (für 49 Cent bei Blendle).

+++ Ich selbst mag ja am liebsten Meldungen, die mit dem Satz beginnen: Wissenschaftler haben herausgefunden. Diese hier auf der FAZ-Medienseite (für 45 Cent bei Blendle) beginnt zwar nur mit der Formulierung „Eine Studie untersucht“. Aber das ist fast genauso gut. In diesem Fall geht es um digitale Meinungsmache. „Das Team beweist, dass es möglich ist, die Anzahl von sogenannten Bots, also automatisierten Profilen, die auf Facebook, Twitter oder anderen sozialen Netzwerken menschliche Nutzer simulieren, zu messen.“ Und das ist ganz interessant, wenn man auf die USA schaut. „Bots sind in den Vereinigten Staaten zum akzeptierten Wahlkampfmittel auf beiden Seiten geworden. Doch waren die Pro-Trump-Bots laut Studie fünfmal aktiver als jene, die zugunsten Hillary Clintons agierten.“ Oder auf Russland: „Insgesamt kämen etwa 45 Prozent der Twitter-Aktivitäten in Russland von automatisierten Nutzer-Accounts.“ Wenn man auf Deutschland schaut, allerdings nicht ganz so: „In Deutschland wiederum sei automatisierte Propaganda zumindest derzeit kein evidentes Problem.

+++ An mir ist das Wort ehrlich gesagt lange vorbeigegangen. Dafür habe ich es in den vergangenen Tagen gut alle zwei Stunden irgendwo gelesen. Hygge. Das ist Dänisch und vereint die Bedeutungen der deutschen Begriffe Glück, Gemeinschaft und Gemütlichkeit. Gleichzeitig ist es auch der Titel eines neuen Magazins, also einer Art Gemütlichkeits-Landlust. Melanie Mühl auf der FAZ-Medienseite: „‚Hygge‘ ist ein handwerklich gutgemachtes Magazin mit sehr vielen schönen Fotos und gutgelaunten Texten, durch das man sich gern blättert und liest. (…) Der skeptische, zur Melancholie neigende Zeitgenosse, vielleicht auch schlicht der Realist, wird vor den „Hygge“-Glücksweisheiten und der hier zur Schau gestellten ritualisierten Seligkeit allerdings beklommen die Augen abwenden.Nora Burgard-Arp schreibt für Meedia ebenfalls über Hygge. Ihr Urteil: „Wer für eine gewisse Zeit dieser Realität in eine weich gezeichnete Welt entfliehen möchte, für den ist hygge genau richtig.“

+++ Falls vor Ihrer Haustür heute Morgen eine Bild-Zeitung lag, das war kein Versehen. Der Verlag teilt die Zeitung heute überall kostenlos aus. Moritz Tschermak hat bei Bildblog erklärt, wie man am besten vorgeht, wenn man seinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen möchte. Wer in Hannover, Frankfurt (Oder), Göttingen oder Bremen wohnt, kann die Zeitung gegen eine Ausgabe des Satire-Magazins Titanic eintauschen. Wie das geht, erklärt Tschermak ebenfalls. Und je nachdem, wo er wohnt, wird möglicherweise auch Günter Prinz eines von beidem machen. Der ehemalige Bild-Chefredakteur findet die Zeitung in ihrer heutigen Form nämlich, wie er der Zeit im Interview verraten hat, und wie Meedia hier zusammengefasst hat, langweilig.

+++ Karoline Meta-Beisel beschreibt auf der SZ-Medienseite ihren Eindruck von der Doku: "Nobody Speak: Trials of the Free Press“, die ab morgen bei Netflix zu sehen ist, und in der es um die Frage geht, ob Milliardäre die freie Presse bedrohen. Sie befinden sich ja in der sehr komfortablen Lage, die Lohngeber ihrer Kritiker bei Nichtgefallen der Kritiken einfach kaufen zu können - oder sie mit horrend teuren Klagen zu überziehen, wie es im Fall von Peter Thiel und Hulk Hogan geschehen ist. Also: „Die eigentliche Frage in Nobody Speak lautet: Was können sich Medien noch erlauben, die keinen schwerreichen Gönner im Rücken haben? Dazu dürfte Knappenberger auch selbst etwas beizutragen haben: Unter den Produzenten des Films ist die Firma First Look Media. Sie gehört einem Mann, der schon 2016 dazu aufgerufen hatte, Gawker zu untersützen: Pierre Omidyar, dem Gründer von Ebay.“

+++ Das Reuters Institute hat zusammen mit der Oxford University eine Studie zur Zukunft des digitalen Journalismus erarbeitet. Herausgekommen ist dabei unter anderem Folgendes: Mehr als die Hälfte aller in 36 Länder befragten Studienteilnehmer geben an, dass sie ihre Nachrichten von Social-Media-Seiten beziehen. Die Unterschiede sind allerdings von Land zu Land sehr unterschiedlich. Während etwa in Chile 76 Prozent so Nachrichten konsumieren, sind es in Deutschland oder Japan nur 29 Prozent. Nur ein Viertel aller Befragten glaubt allerdings, dass Social-Media-Angebote Fakten und Fiktion sichtbar voneinander getrennt sind.

+++ Der stellvertretende ORF-Chefredakteur Armin Wolf hat am Mittwochabend den Corti-Preis erhalten. Standard.at hat die Dankesrede dokumentiert, in der Wolf über die Pressefreiheit und seine Erfahrungen mit Einfluss nehmenden Politikern spricht. „Der zentrale Vorwurf aus der Politik lautet seit einigen Monaten: Die Fernseh-Information würde tun, 'was sie will'. Was ein wirklich interessanter Vorwurf ist. Genau so könnte man nämlich unabhängigen Journalismus definieren. Wer denn sonst sollte entscheiden, was und wie der ORF berichtet, als die dafür zuständigen Redaktionen? Die Parteien? Der von Bundesregierung, Landesregierungen und Parlamentsparteien beschickte Stiftungsrat?

+++ Einer der vielen Widersprüchlichkeiten in der AfD ist die totale Ablehnung der „Mainstream-Medien“ und das gleichzeitige vollkommene Fixiertsein auf sie. Sascha Lobo hat in seiner Spiegel-Online-Kolumne mehrere tausend Nachrichten aus einer AfD-Whatsapp-Gruppe analysiert, die geleakt worden waren. Aus Mediensicht ganz interessant ist ja immer wieder die Eigenwahrnehmung der Partei. „‚Poggenburg: ‚Ausschluss der Presse ist schlecht!‘ ‚Warum? Der schaden für uns durch die presse wäre noch schlechter!‘ Poggenburg: ‚Die weiß eh Bescheid und wir werden den Stempel einer intransparenten Partei aufgedrückt bekommen!‘ Es sagt einiges aus, wenn ein Landesvorsitzender der AfD im Jahr 2017 ernsthaft glaubt, dass der ‚Stempel einer intransparenten Partei‘ durch die Presse für die Partei ein Problem sei.

+++ Für Zeitungen zu schreiben, ist ein schönes Hobby. Aber leben kann man davon nur, wenn man eine Pauschale bekommt oder aus anderen Gründen kein Geld braucht. Daniel Bouhs hat sich für das Medienmagazin „Zapp“ mit dem Thema beschäftigt. Er hat mit Chefredakteuren und Freien gesprochen. Und dann hat das Magazin aus den Recherche-Ergebnissen noch eine Zeitung im pdf-Format gebastelt. 

+++ Viel besser als die lahme Hitler-Geschichte (Hitlers Lupe. Ehrlich, Bild?) auf Bild.de gestern ist noch eine andere. Der Youtuber LeFloid ist auf eine Satire-Seite reingefallen - oder macht jedenfalls nicht deutlich, woher die von ihm verbreitete Geschichte stammt. Moritz Tschermak ist dem Fall für Bildblog nachgegangen.

+++ Der WDR hat sein Honorar-Modell zum 1. Juli umgestellt, natürlich nicht zum Vorteil seiner freien Mitarbeiter. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert das. Marvin Schade darüber bei Meedia: „Bislang wurden die Aufträge einzeln vergütet, Journalisten haben also für jede Gattung jeweils ein Honorar erhalten. Der unter Spardruck stehende WDR will das ändern, was er in einem Schreiben, das im Intranet des Senders veröffentlicht wurde und MEEDIA vorliegt, als 'modernisieren' bezeichnet. Den Plänen zufolge erhalten die freien Journalisten zukünftig nur noch für eine – die am besten honorierte – Gattung 100 Prozent der bisherigen Vergütung, jede weitere Gattung wird mit nur noch 50 Prozent vergütet. Bedeutet: Je mehr Stücke der WDR bei einem Journalisten beauftragt, desto geringer wird das Einkommen im Vergleich zu vorher." 

+++ Die Einnahmen aus den Rundfunk-Beiträgen sind im vergangenen Jahr, wie Thomas Gehringer für den Tagesspiegel berichtet, leicht zurückgegangen, was einerseits daran liegt, dass der Beitrag gesunken ist, aber auch daran, dass sich viele Personen befreien lassen haben. Und dann sind da eben noch die, die nicht zahlen wollen oder können. Und weil das immer doof aussieht, wenn sie am Ende ins Gefängnis müssen, hat man sich jetzt was Neues überlegt: Bald könnten Inkasso-Unternehmen den Rundfunk-Beitrag eintreiben. Christian Meier berichtet darüber für die Welt. In seinem Text steht der Satz: „Er glaubt, dass dieser Weg effizienter sein könnte, als beispielsweise den über einen Gerichtsvollzieher.“ Und für die säumigen Zahler kann man nur hoffen, dass das in anderer Form geschehen wird, als ich es mir gerade vorstelle. 

Neues Altpapier gibt es am Freitag. 

Offenlegung: 
Ich arbeite hin und wieder für Übermedien und habe eine Kolumne bei Bildblog. 

 

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