Olaf "Scholzomat" Scholz und der sphingische EU-Digitalkommissar Günther Oettinger waren in Sachen Medien- und Netzpolitik in Berlin. Außerdem: Verleger-Ruckreden, der erste AfD-Vertreter ist in der deutschen Medienaufsichts-Institutionenvielfalt angekommen.

Sagt Lutz Hachmeister: Die Medienpolitik versucht doch, auf Problemkomplexität mit Institutionenvervielfachung zu antworten - KEK, ZAK undsoweiter. Man müsste mal auf etwas verzichten!

Entgegnet Olaf Scholz: Nö.

Hamburgs Erster Bürgermeister umriss gestern in Hachmeisters Institut für Medienpolitik in Berlin den Medienstaatsvertrag, der im kommenden Jahr von einer Bund-Länder-Kommission (einer befristeten, die also nur vorübergehend zur weiteren Institutionenvervielfachung beitragen darf) ausgehandelt werden und weitere Rundfunkänderungsstaatsvertrags- Staatsverträge verhindern soll. 2016 könnte er in Kraft treten.

Es soll "keine große Institutionenreform" und "kein einheitliches, alles zusammenfassendes Gesetz" geben, es werde auch nicht so kommen, "dass man den doofen Gesetzgeber los wird", scherzte der Scholzomat, wie seine Hamburger Wähler ihn liebevoll nennen. Die Regelungen sollten halt besser zueinanderpassen. Der neue Staatsvertrag sollte sich "wie ein Mantel um das bestehende Medien- und Rundfunkrecht legen", heißt es bildgewaltig im Grundsatzartikel des offiziellen Hamburger Medien-Bevollmächtigten Carsten Brosda, der im aktuellen "Jahrbuch Fernsehen" steht und bei der Funkkorrespondenz zurzeit frei online.

Die wochenaktuelle Lage der MStV-Beratschlagung kennt der katholische Mediendienst ebenfalls: Kürzlich wurde den Ministerpräsidenten, die bzw. deren Landtage halt alle 16 zustimmen müssen, ein 116-seitiges "Gutachten zur konvergenten Medienordnung" überreicht, das "zwar einige konvergenzbedingte Probleme" im heutigen Medienrecht identifiziert, "aber keine, die eine rasche radikale Veränderung des Regulierungskonzeptes nahelegen würden". Kein Wunder, einer der beiden Gutachter ist Wolfgang Schulz vom Bredow-Institut, der mit der herrschenden Institutionenvielfalt ganz gut verwachsen ist.

####LINKS#### [+++] Was Olaf Scholz nach Berlin geführt hat, war aber noch etwas anderes. Sein Internetauftritt olafscholz.hamburg, der einen bemerkenswerten Durchsatz an Grußworten zu Anlässen zwischen Heizwerk-Grundsteinlegungen und Onlineredakationen-20-Jahres-Feiern dokumentiert, enthält auch schon dasjenige, das er auf dem VDZ Publishers' Summit, also dem Kongress des deutschen Zeitschriftenverlegerverbands VDZ, vortrug - gleich im Anschluss an seinen noch immer amtierenden Kollegen Klaus Wowereit und an Prof. Dr. Hubert Burda ("Gerade in der sich wandelnden Medienwelt haben Zeitschriften einen festen Platz im Leben der Menschen", zitiert dnv-online.net den VDZ-Präsidenten). Und noch bevor der frisch gebackene aggressive leader der deutschsprachigen Digitalpolitik, EU-Kommissar Günther Oettinger, ans Podium trat. Zu dem gleich mehr, erst muss noch die eigentliche VDZ-Elefantenrunde gewürdigt werden.

 

Bei der von 12:45 bis 13.15 Uhr terminierten Veranstaltung soll anwesenden Medienmedien-Bericherstattern zufolge Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel "Am Ende geht es darum, fantastischen Journalismus zu machen!" ausgerufen haben (horizont.net; schauen Sie, wenn Sie klicken, nicht zu lange dem auf den Foto oben abgebildeten Andreas Wiele in die Augen! Das Altpapier übernimmt keine Verantwortung!). Jener Wiele wiederum, seines Zeichens Vorstand Vermarktung- und Rubrikenangebote bei Axel Springer, soll ebendort Entsolidarisierung unter Verlegern beklagt haben: Alle Verlage, die zum Teil ja zeitweise gehofft hatten, dank des sog. Leistungsschutzrechtes Geld von Google zu bekommen, seien "beim ersten Gegenwind" eingeknickt, zitiert ihn meedia.de. Bloß Wieles eigener Laden ist erst nach fast zwei Wochen Gegenwind unter einigem Getöse eingeknickt (Altpapier gestern).

Und überdies soll Philipp Welte aus dem Vorstand von Hubert Burdas Konzern geradezu eine Ruckrede gehalten haben, quasi um das laut meedia.de von Wiele eingeforderte An-die-eigene-Nase-Fassen zu erledigen:

"Mit Schrottprodukten für 49 Cent frustrieren wir den Konsumenten und verstopfen die Angebotsflächen in den Märkten. Das ist doch unser größtes Problem - Unsicherheit und Selbstzweifel zerstören die Wertigkeit dessen, was wir herstellen. Und für diesen Unsinn sind wir wirklich selbst verantwortlich",

zitiert schwer angetan dwdl.de. Und das alles auf einer einzigen halbstündigen (!) Veranstaltung, die übrigens den Titel "View from the top" trug! Fast drängt sich der Eindruck auf, dass, was Verleger können, doch weiterhin nur Verleger können.

Einen schönen Eindruck vom, wie Verleger sagen würden, Branding des Kongresses vermittelt dieses von der VDZ-Presseabteilung getwitterte Foto. Und eine Meinung zur darauf hübsch zur Geltung kommenden aktuellen "Print wirkt"-Kampagne, hat ein Agenturen-Creative Director, Alf Frommer, gerade beim neuen (weiterhin bestenfalls halbgar wirkenden) carta.info veröffentlicht. Sie versuche "zu sagen, dass Print wirkt, indem sie Online schlecht macht"; der zentrale Werbespot sei "zwar saukomisch, aber auch verdammt kryptisch" (lustig zumindest ist "Consumer Penetration Unlimited" ...). "Gut gemacht, aber schlecht gedacht", sei die Kampagne.

[+++] "Gut gemeint" indes sei das schon erwähnte Leistungsschutzrecht gewesen. So zitiert der schon verlinkte meedia.de-Artikel den schon erwähnten Stargast Günther Oettinger. Es "war ja ein gut gemeinter Versuch", hat der kress.de-Autor sogar notiert und fasst zusammen: "Das deutsche Gesetz, von vielen als gescheitert empfunden, sah er positiv". Ist "gut gemeint" als Synonym für "schlecht gemacht" denn in Vergessenheit geraten? Der sphingische Schwabe hat scheinbar wieder für allerhand Verwirrung gesorgt.

Aufschlussreicher als einzelne Auftritte Oettingers analysieren zu wollen ist zumindest zurzeit sein Auftreten, findet (und belegt) netzpiloten.de. Nach bereits zwei Veranstaltungen, die der Kommissar diese Woche in Berlin absolvierte, aber noch vor dem Oettingers VDZ-Auftritt, schrieb Tobias Schwarz:

"Auch hier scheut Oettinger die Öffentlichkeit, nicht aber den Kontakt zu einer elitären Interessensgruppe. Wer nicht Mitglied im Verband für Zeitungsverleger ist, kann zwar auch an der Veranstaltung teilnehmen, muss dann aber eine Karte für 1.150 Euro kaufen. In nur drei Tagen hat Günther Oettinger sich also bei mindestens drei Auftritten der europäischen Öffentlichkeit entzogen. Auch für einen etwas älteren Unionspolitiker eine persönliche Meisterleistung in volksferner Politik."


Altpapierkorb

+++ In der Institutionenvielfalt der Medienbehördenlandschaft ist die TLM-Versammlung nichts, was man unbedingt kennen müsste. Ja, diese Thüringer Landesmedienanstalt zählt zu jenen Landesmedienanstalten, die sympathisch wenig Aufsehen erregen. Aber jetzt, nach der thüringischen Landtagswahl, vermeldet die Funkkorrespondenz gleich zwei interessante Personalien aus deren Aufsichtsgremium: erstens den ersten Migrantenvertreter, den gebürtigen Angolaner José Manuel Paca. Zweitens sitzt "die rechtskonservative AfD, die im Februar 2013 gegründet wurde, ... nun erstmals im Gremium einer deutschen Landesmedienanstalt", und zwar in Gestalt Björn Höckes. Es handelt sich um Ergebnisse einer Änderung des Thüringer Mediengesetzes durch die abgewählte Regierung. Nun "hat sich die Mitgliederanzahl des TLM-Gremiums auf 30 Personen erhöht, vier Mitglieder mehr als zuletzt." +++

+++ Breaking! "Germany, Brazil push the U.N. to be tougher on digital spying" (reuters.com). Muss "Germany's U.N. Ambassador, Harald Braun" nicht abberufen werden, wenn er sich so deutlich den Haltungen der Bundesregierung widersetzt? +++

+++ Beim ARD-"Hauptstadttreff" nutzten "viele Vertreter des Hauptstadtjournalismus ... die Möglichkeit zum zwanglosen Gespräch" mit der Bundeskanzlerin und einer Menge Minister (RBB). +++ Meanwhile in geringer Entfernung tagte der Geheimdienst-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Livegebloggt hat netzpolitik.org ("... 22:05 Uhr: Ende der öffentlichen Sitzung. Wer auch immer bis hier gelesen hat: Danke für’s Durchhalten"). +++

+++ Lediglich normale Eskalation an der Ericusspitze: "Am Donnerstag wurde den Spiegel-Gesellschaftern eine 'Erklärung' zugestellt, die faktisch die Absetzung von Chefredakteur Wolfgang Büchner fordert. Initiiert wurde diese Erklärung von der Print-Redaktion. Das Papier kursierte seit zwei Tagen zur Unterschrift. Unterzeichnet haben nach meedia-Infos schließlich 91 Prozent der Print-Redakteure" (meedia.de), also genau so viele wie GDL-Lokführer für Streik stimmten. +++ "Man fühle sich dabei an Zustände in der DDR erinnert, sagen die Onliner. Die Zustimmung für das Konzept Spiegel 3.0 sei unter Printredakteuren viel höher, als dies das Abstimmungsergebnis widerspiegle, ärgern sich die Onliner" gegenüber wuv.de.+++

+++ "Konzepte mit der Zahl 3 zu versehen, um sie sexy zu machen, steht in der Medienbranche gerade nicht zwingend unter einem guten Stern" (Tatjana Kerschbaumer im Tsp. in ganz anderem Zusammenhang). +++

+++ Claus Weselsky heute in einem Atemzug mit Caroline von Monaco auf der SZ-Medienseite. "Wenn Weselsky, was er nicht ist, Porsche-Fahrer wäre, dürfte man den Gewerkschaftsmann wohl im Porsche privat zeigen. Vielleicht aber auch nicht", fasst Hans Leyendecker die Rechtslage der Berichterstattung über Personen der Zeitgeschichte zusammen. Der focus.de-Artikel "So versteckt lebt Deutschlands oberster Streikführer", über den Weselsky sich ärgert, aber offenbar ohne anders dagegen vorzugehen, als dass er im "ARD-Morgenmagazin" erzählte, sich daher an die Polizei gewandt zu haben, ist weiterhin online. +++ "Claus Weselsky ist leider ein schlechter Kommunikator" heißt es in der Pro-GDL-Position des Pro & Contras auf der TAZ-Titelseite. +++

+++ Skurrile Gegendarstellung von Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz auf der TAZ-Medienseite, zzgl. redaktioneller Gegen-Gegendarstellung. +++

+++ "Das Problem der öffentlich-rechtlichen Sender": ""es vorsorglich allen recht machen zu wollen". Das exemplifiziert Jens Mayer in der TAZ anhand eines neuen ZDF-Projekts: "Einerseits soll 'Dina Foxx' eine webaffine Zielgruppe 'abholen' - so findet die Premiere des Films auch noch vor TV-Ausstrahlung in der ZDF-Mediathek statt -, gleichzeitig soll kein Zuschauer verschreckt oder überfordert werden". Und beim Präsentieren sprachen die Macher "von 'Experience' ..., von einem 'Follow-up', einem 'Casual Game' für 'mobile Devices' und einem 'Cutting Edge'-Thema in der 'Near Future'". +++

+++ Auf der SZ-Medienseite exemplifiziert Christine Dössel die "didaktische deutsche Fernsehdramaturgie" am Beispiel des heutigen Arte-Fernsehfilms "Sein gutes Recht". +++ Und Hans Hoff taucht ein in die "heile Welt", die Fernsehsender für Kinder auch in ihren Marktanteils-Selbsdtdarstellungen zeigen. +++

+++  Auf der FAZ-Medienseite bricht Michael Hanfeld u.a. am Rande eine Lanze für die Reportage "Kobane und die Hoffnung der Kurden" ("Bilder wie hier, aus dem freien Kurdengebiet Rojava und vom Kampf gegen die mordenden Horden des IS, haben wir noch nicht gesehen") und gegen das ZDF, das sie spät versendete ("Bekommt man im Zweiten nur die beste Sendezeit, wenn man ein großes Sendergesicht ist?") +++ Daneben steht ein großes Nina-Rehfeld-Interview ("Ist dieser Job in Zeiten der Zeitungskrise nicht ein Joch?") mit dem New York Times-Chefredakteur Dean Baquet. "Die Leute unken seit langem über den Untergang der gedruckten Zeitung. Aber wir haben eine robuste Auflage, und die Zeitung ist der profitabelste Teil unseres Geschäfts. Wir unterscheiden uns von den meisten anderen amerikanischen Zeitungen, weil wir mit zwei Dollar fünfzig mehr für ein Exemplar verlangen als andere und damit tatsächlich Geld verdienen. Die technische Entwicklung mag vordergründig dafür sprechen, dass Print schrumpft, aber Technologie bewegt sich ja nicht nur in eine Richtung", sagt er u.a.. +++

+++ Frische Zeitschriftenidee von Julia Jäkels Gruner + Jahr: Capital History (dwdl.de). +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.
 



 

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