Website mit Gesicht

Website mit Gesicht

Heftig.co hat jetzt ein Impressum, aber hat die Website auch ein Problem mit dem Urheberrecht? Treibt es "Sherlock" in der dritten Staffel nicht etwas zu bunt? Und lassen sich die Lokalzeitungen mit mehr Zeit und weniger Vereinsberichterstattung retten?

So, jetzt ist es raus: Heftig.co hat ein Gesicht – oder, genauer gesagt, sogar zwei, wie die Wirtschaftswoche gestern verkündete: Michael Glöß und Peter Schilling heißen die zwei, sie haben beide in Potsdam BWL studiert und stehen seit gestern im Impressum der wohl hässlichsten puristischsten erfolgreichen Website ever. Wobei das mit dem Purismus, wenn wir es mal so nennen wollen, sich natürlich nur auf die Optik bezieht. Rein inhaltlich wird dort ein Füllhorn voller Feuerwerk des Quatsches abgebrannt, um mal eine gute alte Lokalzeitungsfloskel zu bemühen.

Angeblich wollen die beiden Macher, so schreibt es die Wirtschaftswoche, nun tatsächlich Menschen anstellen, die eigene Inhalte für heftig.co produzieren und diese nicht, wie bisher, einfach schamlos von anderen Websites klauen. So zumindest der Vorwurf, der seit dem vor einem Monat erschienenen Text über heftig.co aus der Rhein-Zeitung im Raum steht.

Dass auch die nun bekannten Macher dort offenbar ein Problem vermuten, hat Maria-Xenia Hardt für die Medienseite der FAZ rekonstruiert.

„Der Aktualisierung des Impressums ist eine grundlegende Änderung der Website vorausgegangen. Still und heimlich wurden so gut wie alle Inhalte, die vor Mitte Mai erschienen waren, entfernt. Auf der Facebook-Seite werden noch mehr als dreißig Beiträge (...) beworben. Klickt man auf die Links, kommt man jedoch auf Seiten, die der Satz ziert: ,Das tut uns leid! Diese Seite gibt es leider nicht mehr’. Wie schade. Und wie gut für die neuen Posterboys von ,heftig.co’, denn die inzwischen entfernten Inhalte hätten sie in rechtliche Schwierigkeiten bringen können.“

Auch bei Xing lassen sich Beweise dafür finden, dass Glöß und Schilling ein gewisses Problembewusstsein mitbringen, wie Martin Gropp im FAZ-Wirtschaftsteil (S. 24) schreibt:

„Dass die Frage des Urheberrechts für die beiden schweigenden Unternehmer zumindest ein Thema ist, zeigt aber das Profil von Schilling im beruflichen Netzwerk Xing. Dort sucht er neben Autoren und Webdesignern auch nach einem Anwalt für Urheberrecht.“

Nur bei Meedia fragt sich Christian Meier, ob man heftig.co so rein urheberrechtsmäßig überhaupt an den klassisch journalistischen Vorgaben messen sollte:

„Solche Inhalte sind nicht mit Journalismus im klassischen Sinn zu verwechseln. Vielmehr erschaffen Angebote wie Heftig, Upworthy, Viralnova und Storyfilter eine Art Kuriositätenkabinett im Netz. Das Neue an diesen Plattformen ist die Art der Aggregation und der Präsentation.“

Diese Einschätzung teilen auch die heftig-Macher selbst, wie Lars Wienand von der Rhein-Zeitung schreibt. „Diese Frage ist ziemlich beckmesserisch“, hat ihm die zuständige PR-Agentur, die sich offenbar auch für den Erhalt bedrohter Worte einsetzt (beckmesserisch=kleinlich), auf die Frage geantwortet, ob das Kopieren von Texten von der Seite viralnova.com abgesprochen gewesen sei. Wienand selbst hat einen Fotografen aufgetan, dessen Foto plötzlich auf der Website auftauchte und der das nicht ganz so locker sieht.

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Festhalten kann man auf jeden Fall: Von jetzt an wollen die Jungs von heftig.co es besser machen mit dem Zusammenkopieren aus dem Internet. Denn ab jetzt fragen sie die Autoren, bevor sie Dinge 1:1 auf ihre Website heben. So berichtet es zumindest – zurück zur Medienseite der FAZ - Maria-Xenia Hardt am Beispiel Adam Flechers. Er hat das Buch „Wie man Deutscher wird in fünfzig einfachen Schritten“ geschrieben. 15 davon stehen jetzt bei heftig.co, schön mit Verweis auf den Autor und Link zu seinem Buch bei Amazon, das sich seitdem verkauft wie geschnitten Brot.

„Unter solchen Vorzeichen stellen andere natürlich gerne Inhalte für ,heftig.co’ zur Verfügung. Diese Voraussetzungen konnten aber nur geschaffen werden, indem zuvor Inhalte mit Erfolgsgarantie, anderswo schon erprobt, auf der Seite standen, ohne Quellenvermerk, als habe man sie selbst erschaffen.“

Irgendwie geht einem bei dieser ganzen Geschichte ja die These der Krautreporter nicht aus dem Kopf, die derzeit Geld für ein Online-Magazin sammeln, weil sie meinen, der real existierende Online-Journalismus sei kaputt (Altpapier). Christan Meier von Meedia geht darauf ein, indem er den Bau einer grundsoliden Mauer vorschlägt: Hier die Qualitätsmedien (kein Reichweitenquatsch, kein Klickgedöns, kein Shit, dafür ganz viel Relevanz und Recherche), dort der heftige Rest (Katzen! Katzen! Riesenschildkröten! Sie ahnen nicht, was Kim Kardashian als nächstes tut!).

„Wie weit können und sollen vor allem journalistisch arbeitende Portale bei der Reichweitenhatz gehen? Wäre es jetzt nicht an der Zeit, stärker zu differenzieren zwischen rein auf Reichweite ausgelegten Angeboten – und Angeboten, die für andere, für Werbekunden nicht minder attraktiven Werte wie Verlässlichkeit, Recherchetiefe, Informationsdichte, etc. stehen? Die Diskussion um die Krautreporter ist eine andere Facette derselben Debatte.“

Wo Meedia sich selbst dabei sieht, wird leider nicht geklärt.

+++ Has Sherlock jumped the shark? Das war die Frage, die sich die Briten Anfang des Jahres stellten, als die dritte Staffel der BBC-Serie „Sherlock“ dort im Fernsehen lief. (Hier geht’s zum Erklärlink und hier zum Video mit dem Darsteller, der als erster über den Hai sprang und damit ein Symbol schuf für Serien, deren beste Tage gezählt sind.)

In Deutschland, wo die ARD die Serie über die Feiertage zeigt, ist man weniger kritisch mit der Staffel, in der Sherlock Holmes nach seinem Endkampf mit Widersacher Nemesis Moriarty von denen Toten aufersteht und Dr. Watson sich einen Schnauzer und eine Verlobte zulegt.

„Eine kleine Änderung gibt es im optischen Konzept der wieder mitreißend schnell geschnittenen und gut synchronisierten Staffel: weniger Digitalkulturreferenzen (Bildschirme, SMS), dafür mehr Gedankenpalast-Visualisierungen. (...) Bis hin zum gigantischen Staffelfinale sind wieder zahllose, teils erst beim dritten Anschauen zu bemerkende Details klug miteinander verschränkt: ein Fest für den Zuschauer.“

meint Oliver Jungen heute auf der Medienseite der FAZ.

„Bei allen Unterschieden hat ,Sherlock’ nichts von seinem Charme und seiner Lebendigkeit verloren. (...) ,Sherlock’, das bleibt die Kombination eines charismatischen Schauspielers mit einer Ausnahmerolle.“

schreibt auch Kurt Sagatz im Tagesspiegel .

Enrico Ippolito von der taz ist hingegen etwas weniger enthusiastisch. Er sieht mittlerweile andere Serien aufholen.

„Trotz der wenigen Neuerungen bleibt ,Sherlock’ ein Pflichtprogramm, aber es verliert so langsam das Alleinstellungsmerkmal. Denn Großbritannien hat so einige hervorragende Serien, die ebenfalls das Spiel zwischen Narration und Kreativität bis hin zur Perfektion beherrschen. Allan Cubitts Krimi-Serie ,The Fall’ zum Beispiel mit Gillian Anderson und Jamie Dornan in den Hauptrollen, mit einer der interessantesten weiblichen Hauptfiguren seit ,Kommissarin Lund’ und einer fast schon theatralen Kameraführung.“

Und auch Martin Wittmann meint auf der Medienseite der SZ: „Auch die neuen drei Fälle sind exzellent, wenn auch in Teilen allzu übermütig.“

Er hat sich als einziger sogar nach Cardiff aufgemacht, um bei den Dreharbeiten die Sherlock-Macher zu treffen. So dürfen sich Mark Gatiss und Steven Moffat noch einmal erinnern, wie es war, als sie allein für die Ankündigung einer modernen Sherlock-Holmes-Verfilmung ordentlich Prügel bezogen. Und berichten, dass sie heute den Drehort mit Absperrgittern sichern müssen.

Benedict Cumberbatch kommt dann noch mit dem schönen, sich auf die Wohnwagensituation am Set beziehenden Zitat zu Wort:

„Bei der ersten Staffel waren wir zu dritt in einem, bei der zweiten zu zweit, und nun hat jeder einen eigenen“.

„Cardiffer Glamour“, nennt das Wittmann. Von Haien ist auch hier nicht die Rede.


Altpapierkorb

+++ „Ich mache dort Bilder, um Menschen dazu zu bringen, etwas zu verändern“, das sagt die Kriegsfotografin Ursula Meissner im Interview mit Ulrike Scheffer vom Tagesspiegel. Sie erzählt, warum es als Frau in diesem Job manchmal leichter ist. Wie sie einst Fotos aus einem Flüchtlingslager für Syrer in Jordanien wie Sauerbier anbieten musste, weil den Redaktionen das nicht spektakulär genug war. Wie sie zwischendurch Reisereportagen fotografiert, um mit den Kriegsbildern im Kopf fertig zu werden. Und was die Nachricht vom Tod Anja Niedringshaus mit ihr gemacht hat. „Ich war natürlich schockiert, als ich von Anjas Tod erfuhr. Und er berührt mich noch immer sehr. Ich weiß, das hätte auch mir passieren können. Anja war ja ähnlich erfahren wie ich. Zum Glück weiß man nie, was passiert. Als ich das erste Mal auf dem Boden lag, und zitterte, weil neben mir Granaten einschlugen, habe ich mir geschworen: Ich mache das nie wieder. Aber dann begegnen einem die Menschen, die unter Kriegen leiden, und man sieht Kinder, die apathisch sind und nicht mehr die Kraft haben zu weinen. Und dann geht man wieder hin, um weiter darüber zu berichten.“ +++

+++ Man ist sich nicht ganz sicher, ob die beiden Damen, die heute auf den Medienseiten von FAZ und SZ den ARD-Film „Clara Immerwahr“ besprechen, wirklich das gleiche Werk meinen. Die eine, Heike Hupertz für die FAZ, nimmt es höchst dramatisch, wenn sie mit dem Epilog zu „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus in ihre Rezension über das Leben der Chemikerin Immerwahr einsteigt, die eigentlich Pazifistin war und mit der Erfindung des Kunstdüngers den Welthunger beenden wollte. Aber gleichzeitig ihren Mann Fritz Haber dabei unterstützte, das Giftgas zu erfinden, das im Ersten Weltkrieg viele Menschen das Leben kostete. Immerwahr selbst nahm sich nach dem ersten Giftgaseinsatz 1915 das Leben. Hupertz meint: „[Katharina, Anm. AP] Schüttler spielt die Begabte facettenreich, mit jugendlichem Überschwang, zwischenzeitlichem Rebellentum, später die Enttäuschte und Hintergangene mit auch körpersprachlich steifer Resignation, schwankend zwischen kompromissloser Hingabe an ihre Berufung und dem Wunsch, eine ,gute Ehefrau’ zu sein und ihrem weniger brillanten Mann den Rücken zu stärken. Auf dieser Ebene ist ,Clara Immerwahr’ ein gelungenes historisches Emanzipationsdrama.“ Die andere, Claudia Tieschky für die SZ, könnte von derartig staatstragenden Worten nicht weiter entfernt sein: „Die Balance zwischen der für das Verständnis nötigen historischen Erzählung und dem inneren Drama einer in ihrem Tatendrang ständig eingeengten Frau ist natürlich schwierig. Wenn allerdings Claras Ehemann Fritz Haber (...) gleich zu Beginn ausruft ,Ich habe diesen Krieg nicht gewollt’, um vorsichtshalber noch ein ,Wartet nicht mit dem Essen auf mich’ hinterherzuschicken, dann ist das Private beim besten Willen nicht politisch – sondern einfach nur ungewollt komisch.“ +++

+++ ARD und ZDF ziehen ihre Korrespondenten aus Donezk ab. „Wir ziehen unser Team aus Sicherheitsgründen ab. Durch die Kämpfe um den Flughafen und am Bahnhof ist eine sichere Evakuierung sonst nicht mehr jederzeit möglich. Diesen Risiken können und wollen wir unsere Kolleginnen und Kollegen nicht aussetzen“, wird WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich bei DWDL und Meedia zitiert. Die Kollegen bleiben aber im Land und behalten die Lage aus dem 250 Kilometer weiter westlich gelegenen Depropetrovsk und aus Kiew aus im Auge. +++

+++ Die Lokalzeitungen haben ein Problem, das meint nun auch Joachim Braun, Chef des Nordbayerischen Kuriers. Bei Vocer schreibt er, die Zeitungen hätten es sich viel zu bequem gemacht im lokalen Establishment und darüber vergessen, auch für jüngere Leser attraktiv zu bleiben. Derzeit überließe man sie den überall aufmachenden lokalen Online-Angeboten (von denen – Offenlegung – ich eins mitgegründet habe). Zehn Stellschrauben hat Braun ausgemacht, um die Qualität der Lokalzeitungen zu verbessern, etwa ein kritischere Haltung zum Ortsbürgermeister, sich die Themen nicht mehr von Vereinen vorschreiben zu lassen, sondern deren Texte unredigiert in eine eigene Beilage zu stecken, eine emotionalere, weniger nachrichtliche Schreibe und sich mehr Zeit zu nehmen. „Ich plädiere deshalb dafür, Freiräume zu schaffen und die Seele der Zeitung immer wieder aufs Neue zu formulieren oder wenigstens zu entdecken“, schreibt er. Mögen die Kollegen, die in zusammengesparten Lokalredaktionen jeden Tag eine Seite füllen müssen, diesen Satz auf ein Kissen sticken und ihrem Verleger schenken. +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Freitag.

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