Kommunikation ist alles

Kommunikation ist alles

Und Satire darf alles: Martin Sonneborn spielt mit der Deutschen Bank ein von der Bank geschriebenes Interview nach. Angela Merkel hat ihre Kommunikationswege für kritische Eindringlinge zugestellt. Die Gebührensenkung erweist sich als Gerücht, das seinen Realitätsbezug noch beweisen könnte. Nicht nur beim ZDF, auch bei ORF ist staatsferner Einfluss durch die Politik hoch im Kurs. Nachrufe auf Jürgen Leinemann

Wo man gerade gern einmal hospitieren wollte: in der Kommunikationsabteilung der Deutschen Bank. Was da so geht, nachdem Martin Sonneborn mit einem Mitarbeiter ein von der Deutschen Bank aufgeschriebenes Interview vor die Kamera aufgeführt hat. Zumal der Mitarbeiter offenbar gar nicht zur Presseabteilung der Bank gehört. Schreibt zumindest das Handelsblatt:

"In der nächsten Szene kommt der TV-Mann in die Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank und interviewt im Foyer und Konferenzbereich Stefan Georgi. Er wird im Film als 'Deutsche-Bank-Kommunikationsexperte' vorgestellt. Nicht verraten wird: Georgi ist in Wahrheit ein Bankmitarbeiter in Leipzig und dort Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Leipzig-Mitte."

Der politischen Karriere von Georgi wird der Auftritt wohl kaum einen Schub verleihen. Man kennt ihn jetzt. Aber man kennt ihn als den Mann, der Martin Sonneborn nicht kannte und dem auch keine Zweifel kamen, dass von der Bank vorgebenen Text als Interview zu performen, vielleicht komisch kommen könnte, wenn der Interviewer immer so wissend dazwischenquatscht. Vielleicht wirkt das in der am Ende gezeigten Dreieinhalb-Minuten-Fassung aber auch klarer, als es bei den Dreharbeiten war – zumal wenn man Sonneborn kennt. Vielleicht ist Georgi auch nur unerfahren.

Für den Journalismus würden seine mangelnden Zweifel allerdings ein Problem bedeuten: Wenn es Unternehmen wie der Deutschen Bank heute so normal vorkommt, die eigene PR unhinterfragt als Nachricht verkaufen zu können, dass sie die Frechheit ihres Tuns (das Interview schon mal selbst zu schreiben) schon vergessen haben und folglich nicht mehr damit rechnen, bei einer Sauerei erwischt zu werden, stimmt was nicht.

Unheimlich in diesem Sinne klingt jedenfalls, was in der FAZ eigentlich die Genese des Coups erklären soll:

"Dem Sprecher der Deutschen Bank zufolge wurde dann der Produktionsgesellschaft vorgeschlagen, wie man Kindern und Jugendlichen komplexe Finanzthemen vermittelt. Die Bank betreibt ein Projekt zur Finanzbildung mit 1300 Schulen. Nach seinen Worten war die Produktionsgesellschaft bereit, auf dieser Basis das Gespräch zu führen."

Die armen Schüler. Ursprünglich war das Interview ja für eine Sendung auf ZDFneo geplant, in der es in dieser Form auch ohne größeres Aufheben vor einem Monat gesendet worden ist. Was dann, nebenher, schön erklärt, wie Aufmerksamkeitserzeugung heutzutage funktioniert: In der heute-show bekommt der Beitrag seine Bühne, von der aus er dann munter durch die sozialen Netzwerke tourt.

Lassen sich an der Geschichte nun medienethische Fragen diskutieren? Die FAZ gibt zu bedenken:

"Doch Sonneborn hat nicht, wie im Beitrag behauptet, der Bank eine Mail geschickt. Im Gespräch mit der F.A.Z. räumt er ein, dass der Bank im Vorfeld sein Name als Interviewer nicht mitgeteilt wurde. Vielmehr gab es eine Anfrage der in Potsdam ansässigen Filmproduktionsgesellschaft Smac Film. Die Anfrage war durchaus ernst gemeint und wurde auch an andere Banken wie die Commerzbank gestellt. Es ging um eine Reportage für den auf jüngere Zuschauer ausgerichteten Spartensender ZDF Neo, in der die Welt der Banken samt Hedgefonds, Millionengehälter und Finanzkrise erklärt werden sollte. 'Im Prinzip wollten wir ein seriöses Interview machen – aber die Bank wollte nicht', sagt Sonneborn."

Die Selbstauskunft ist vermutlich mehr als ein Bonmot. Denn wenn die Pressestelle der Bank anfängt, journalistische Formen wie das Interview zu parodieren – wieso sollte sich der Journalismus nicht mit den Mitteln der Satire gegen die versuchte Einflussnahme durch PR wehren? Dem wird vermutlich sogar die Kommunikatonsabteilung der Deutschen Bank zustimmen – und sei es nur durch den Umstand, dass sie der heute-show und Sonneborn kaum den Gefallen tun wird, sich darüber zu beschweren, hinters Licht geführt worden zu sein.

[+++] Im Bundeskanzleramt wird man über den Fall wohl schmunzeln. Denn dort kann so was nicht passieren. Michael Spreng beschreibt, auf Carta crossgeposted, die Öffentlichkeitsarbeit der Kanzlerin "mit drei Mitteln".

"Sie verliest oder gibt immer häufiger nur noch Statements, bei denen keine Nachfragen erlaubt sind, sie lässt ihren Sprecher nur die mit ihr abgestimmten Botschaften vortragen, und sie versendet ihre wöchentliche Video-Botschaft. Pressekonferenzen oder Interviews werden zur Rarität. Kritische Nachfragen oder Fragen zu Themen, zu denen sie nichts sagen will, sollen verhindert werden, um ihre Deutungshoheit nicht zu gefährden."

Aus Sicht von Angela Merkel: funktioniert. Aber natürlich trägt das zu Stimmungen bei, die neun von zehn Leuten mit dem ziemlich dämlichen Ausdruck "politisch korrekt" benennen würden.

[+++] Die Sonneborn-Sache erzählt also etwas über die Aufmerksamkeitssteuerung, and so does die vom Spiegel (AP von gestern) vorangetriebene Idee der Gebührensenkung.

Während Michael Hanfeld die Berichterstattung in der FAZ (Seite 31) auch nicht leichtgläubig nachzeichnet und am Ende – man wird auch mal träumen dürfen – träumt –

"Eine Reduzierung des Beitrags wäre ein Epochenwechsel in der deutschen Medienpolitik" –,

nimmt Claudia Tieschky in der Süddeutschen (Seite 31) etwas mehr Anlauf. Der erste Satz ihres Textes liest sich als humorlose Antwort auf Hanfelds letzten:

"Die Gebühr, die deutsche Zuschauer monatlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen, ist noch niemals in ihrer Geschichte gesunken."

Weiter schreibt Tieschky über den Spiegel-Bericht:

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"Seit ein paar Tagen ist ein spektakuläres Gerücht auf dem Markt. Es besagt, dass die Rundfunkabgabe bald zum ersten Mal in ihrer Geschichte sinken könnte – dank der Mehreinnahmen durch die von den Länderchefs beschlossene neue Haushaltsabgabe. Es wird mit Zahlen hantiert, die niemand aus dem System bestätigt, und die nach dem Stand der Dinge gar nicht bestätigt werden können."

So klingt das auch viel aufregender als im Tagesspiegel, wo Sonja Álvarez und Kurt Sagatz die Geschichte eher durchroutinieren.

"Die ARD will sich zu den Zahlen und einer möglichen Reduzierung des Beitrags ebenso wenig äußern wie das ZDF. Sie verweisen auf den KEF-Bericht, der abgewartet werden müsse. Im Oktober hatten die Sender zusammen mit dem Deutschlandradio eine Prognose für 2013 vorgelegt, wonach die Beitragseinnahmen dieses Jahr die Gebühreneinnahmen von 2012 um etwa ein Prozent oder rund 80 Millionen Euro übersteigen. Diese Mehreinnahmen lägen unter der Inflationsrate."

Der Ton ist wohl nicht ganz unwichtig, weil es hier im engeren Sinne keine Nachricht gibt, sondern eben auch einiges an Wünschen – das heißt, und das ahnt Tieschky auch – der Journalismus performt hier auch: Wenn die Idee von der Gebührensenkung nicht mehr aus der Welt zu kriegen ist, wird sie irgendwann Realität werden müssen.

Es sei denn, Angela Merkel engagierte sich dagegen, der wär noch zuzutrauen, das Ruder per Videobotschaft oder Steffenseibert rumzureißen.


Altpapierkorb

+++ Der Spiegel settet Agenda auch in anderer Hinsicht: Michael Hanfeld fände in der FAZ eine medienferne, aus der Politik kommende Grimme-Chefin nicht so schlecht. "Mit Frauke Gerlach erhielte das Grimme-Institut zum ersten Mal in seiner Geschichte eine 'politische' Besetzung. Die in ihrem Fall allerdings den Vorzug hat, dass sie parteilos und eine unabhängige Analytikerin des Medienbetriebs ist. Für parteipolitische Rechenspiele ist sie die Falsche." Wenn das so ist. +++ In Österreich geht's dagegen um nichts anderes als parteipolitische Rechenspiele beim ORF. Die NZZ berichtet: "Insbesondere die ÖVP will deshalb ihren Einfluss verstärken, nachdem die ÖVP-nahe Generaldirektorin Monika Lindner 2006 abgewählt und durch den 'roten' Alexander Wrabetz ersetzt wurde. Die Konservativen schlugen bereits vor der Wahl vor, dass der Sender künftig von einer doppelten Führungsspitze geleitet werden soll, wobei ein Vorstand für das Programm und einer für Technik und Finanzen zuständig sein soll." Unverhohlen wäre wohl das richtige Wort. +++ Immer noch in der NZZ guckt sich deshalb Rainer Stadler in seiner Medienkolumne ein wenig um und greift etwa der deutschen Entscheidung über die ZDF-Rundfunkräte in Karlsruhe vor: "Auch ohne tiefere Kenntnis der Rechtslage darf man bereits feststellen: Nein. Wenn Ministerpräsidenten bei der Wahl eines Chefredaktors mitbestimmen dürfen, wenn auch Parteisekretäre die Tauglichkeit von Berichterstattungen überprüfen, ist dies skandalös." Die Betroffenen könnten anmerken, dass Stadler leicht reden hat. "Die Schweiz hat im internationalen Vergleich keinen schlechten Weg eingeschlagen. Exekutivpolitiker sitzen nicht wie in andern Ländern im Verwaltungsrat der SRG. Im Gegensatz zu Italien bestimmen hier auch keine Parlamentsmitglieder die Mitglieder des Verwaltungsrats. Der Bundesrat wiederum wählt nur zwei Mitglieder des neunköpfigen SRG-Verwaltungsrats. Der öffentliche Rundfunk der Schweiz wird dank seiner Vereinsbasis stärker von unten her bestimmt." +++ Und zur Frage staatlicher Einflussnahme berichtet Kai Strittmatter in der SZ (Seite 31) über die chinesiche Praxis, der Korrespondentenausweisung, die sich als wirksame Drohgebärde zu erweisen scheint. Bloomberg hatte eine fertige Recherche über die Verflechtungen des reichsten Chinesen Wang Jianlin mit der KP-Spitze nicht gedruckt. "Bloomberg reagierte am Wochenende mit einem halbherzigen Dementi. Es sei 'absolut falsch, dass wir diese Artikel aufgrund Drucks von außen verschoben haben', hieß es in der Erklärung. Das hatte auch keiner behauptet, beschrieben worden war ein Fall von Selbstzensur." +++

+++ Die TAZ kommt sich tapfer vor, weil sie auf einen dumpenden Handybilderanbieter nicht zurückgreifen will. Jens Twiehaus berichtet stolz: "Vor einigen Monaten flog Eric Siereveld hochkant aus der taz-Fotoredaktion. Kein Interesse habe man an seinem Produkt, erfuhr der Holländer und trollte sich. Was Siereveld im Rudi-Carrell-Singsang anbot, waren massenhaft Bilder, geschossen von Handy-FotografInnen in Berlin, Bamberg und dem Rest der Welt. Der Vizechef der kleinen finnischen Firma Scoopshot ist deshalb verhasst unter professionellen Fotojournalisten." Vielleicht sollte man aber erstens nicht Leute, die keine Muttersprachler sind, lächerlich machen durch Äußerlichkeitsbeschreibungen, nur weil man sie nicht leiden kann. Und zweitens ist es natürlich schwierig als Zeitung, die nicht ganz so üppige Honorare und Gehälter zahlt, gegenüber Dumping den dicken Max zu machen (auch wenn die Selbstausbeutung bei der TAZ sich politisch motivieren kann). +++ Immerhin ist die TAZ nicht mehr allein mit niedrigen Honoraren. Fast könnte man sich fragen, für wen da eigentlich noch verhandelt und gefordert wird, so lausig, wie die Branche vom Hals an abwärts drauf ist: "Für die 14 000 Redakteurinnen und Redakteure wollen die beiden Gewerkschaften 6 beziehungsweise 5,5 Prozent mehr Gehalt. Außerdem sollen die Online-Kollegen in die Regelung einbezogen werden." +++ Gegen Stellenstreichungen beim KSTA demonstrieren Kollegen, wie Hans Hoff in der SZ berichtet: "Die Mitarbeiter, die ihre Hoffnungen nun der Schwarzen Mutter Gottes anvertrauten, hatten T-Shirts vorbereitet, auf denen einerseits die Jahre ihrer Betriebszugehörigkeit vermerkt waren, auf deren anderer Seite ein trotziger Spruch prangte: 'Wir lassen uns nicht von Bord werfen'. Nicht ohne Grund hatten sie für ihren stillen Protest den 11.November gewählt. Es ist der Namenstag des heiligen Sank Martin, der bekanntlich zu teilen wusste." +++

+++ In großer Form: Frank Lübberding zeigt dem German Chapter der Internet Society wo Bartel den Most holt. Eine kleine Einführung ins Denken in Begriffen, historisch wertvoll: "Die Gefahr der Balkanisierung ist ein polemisches Argument, das allerdings vor allem die historische Blindheit solcher Netzdebatten zeigt: Die Autoren haben nämlich keine Ahnung, was unter Balkanisierung zu verstehen ist." Man muss Sorgen haben, dass die Gemeinten bei Lübberdings Exkursen gar nicht verstehen, was der von ihnen will. +++ So geht es aktuell dem MDR, der – wer hätte das gedacht – für seinen Erfurt Tatort "Kalter Engel" umgehend die "Saure Gurke" der öffentlich-rechtlichen Medienfrauen bekommen (etwa: SZ) und kann nicht verstehen, dass die Geschlechterbilder furchtbar sind. Und das Atemberaubende daran ist, ich hatte das an anderer Stelle ausgeführt, dass dem MDR so was ahnungslos passiert, dass da offenbar keiner in der Lage ist, Geschlechterbilder in einem Film reflektieren zu können. +++ Beim MDR hat Burda-Vorstand Philipp Welte auch mal gearbeitet, vor seiner letzten Beförderung auch bei Springer, weshalb man den Aufreger, dass Burda wie Springer VG Media mit Leistungsschutzrechtswahrung beauftragt, auch anders als affirmativ lesen kann. +++

+++ Nachrufe auf Jürgen Leinemann. Ulrike Simon in der Berliner, die persönlich eröffnet: "Sie machen das schon“, ermunterte Jürgen Leinemann die Autorin, der es nach dem Gespräch in seiner Wilmersdorfer Wohnung plötzlich anmaßend erschien, einen der besten, wenn nicht den besten deutschen Porträtschreiber porträtieren zu wollen. Das war 2009, kurz vor Erscheinen seines Buches 'Das Leben ist der Ernstfall'. Darin schrieb Leinemann über sein Leben vor und nach dem 8. Mai 2007. Das war der Tag, an dem er die Diagnose Zungengrundkarzinom erhalten hatte." +++ Jochen Hieber in der FAZ: "In Sachen Sucht wusste er nur zu gut Bescheid – seine Arbeitswut, seine Unfähigkeit, abschalten zu können, und seine Versagensangst hatten ihn bis Mitte der siebziger Jahre zum Alkoholiker werden lassen und fast in den Suizid getrieben. Eine ebenso herbe wie erfolgreiche Therapie schloss sich an." +++ Hieber ist Vorsitzender der Jury bei den ARD-Hörspieltagen, wie Eva-Maria Lenz in einem Text auf der gleichen Seite schreibt: "Spannung weckte das Herzstück des Festivals, der ARD-Hörspielwettbewerb. Öffentlich und intensiv diskutierte die Expertenjury unter Vorsitz von Jochen Hieber, Redakteur dieser Zeitung, über die zehn konkurrierenden Stücke, darunter mehrere herausragende." +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder

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