Ruhm und Ehre

Ruhm und Ehre

Huber, Hoeneß, Huffington, Henri. Die Huffington Post kommt nach Deutschland. Eine frisch mit dem Henri-Nannen-Preis Geehrte verdient ihr Geld mit Hochzeitsfotos; die taz findet die vollzogene Ehrung eines Textes skandalös. Und Erwin Huber ist ein guter Talkshowgast bei Günther Jauch, der – dafür gibt es von uns ein grünes Däumchen! – seine Talkkärtchen aus der Vorgängerwoche einfach wiederverwendet hat.

Erwin Hubers langjähriger Verzicht auf einen Mediengesellschafts- und Social-Media-Kernkompetenztrainer ist zu würdigen: Der CSU-Politiker labert weniger ungreifbares Zeug, als man es heutzutage so gewohnt ist von den geschätzten Pappenheimern aus dem Politischen. Angesprochen darauf, dass 17 CSU-Landtagsabgeordnete enge Verwandte beschäftigt hatten, sagte er bei "Günther Jauch" nicht: "Der Vorgang befindet sich in der Prüfung." Er sagte nicht: "Das sind bedauerliche Einzelfälle." Sondern er sagte: "Das wird ja auch beendet."

Johlen im Publikum. Aber damit kann man doch wenigstens was anfangen. Und auch sonst: Wenn Peer Steinbrück (SPD) etwas sagte – kein prinzipieller Widerspruch von Huber, trotz Wahlkampf. Erwin Huber auf Twitter statt der ganzen neukommunikativ abgewichsten Transparenzblendwerker, das wäre mal ne Maßnahme.

Um Uli Hoeneß ging es natürlich auch in der Talkshow. In Ergänzung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die ihre Medienseite mit Zitaten aus Hoeneß-Gesprächsrunden der vergangenen Woche füllte, was wiederum faz.net zu einer 58-teiligen Angelegenheit veranlasste (gehört der Ausbau des innovativen Formats Klickstrecke am Ende auch zur neuen Onlinemonetarisierungsstrategie, über die FAZ-Geschäftsführer Tobias Trevisan dieser Tage (Altpapier) mit der SZ, der Konkurrenz aus dem FAZ-Quality-Alliance-Partner-Verlag also, sprach?) kommen hier noch einige neue Jauch-Sendungszitate dazu:

"In jedem Menschen wohnt sehr viel Gutes, aber natürlich auch das Dämonische." (Huber)
"Ist er für Sie jetzt auch ein Krimineller?" (Günther Jauch)
"Meine Frau hat gesagt, Vorsicht!" (Thomas Gottschalk)
"Herr Hoeneß ist ein Katalysator dieser Debatte." (Steinbrück)
"Es gibt einen Prominentenmalus in der Vorverurteilung." (Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung)

Auch interessant, da geht eine Woche ins Land, und dann benutzt Günther Jauch einfach die Fragekärtchen von der Vorgängershow nochmal. Grüner Daumen von uns dafür, und erste Frühkritiken der Sendung gibt es unter anderem hier, hier, hier, hier und hier.

+++ Aber zurück zum Stichwort Prominentenmalus, denn da wird unsereins natürlich hellhörig: Prominentenmalus ist, wenn der kritische Medienkonsument in die Gefahr gerät, Leute gegen Medienroutinen zu verteidigen, die er ansonsten nicht unbedingt verteidigen würde. Gerade zum Beispiel hat sich Carsten "Selfmade" Maschmeyer zu Word gemeldet, im Spiegel. Zitiert wird in der tendenziell Hunger auf weniger machenden Onlinezusammenfassung sein Satz über Ex-Bundespräsident Christian Wulff:

"Prominente müssen hierzulande mittlerweile mit einer existenzvernichtenden medialen Vorverurteilung rechnen. Je bekannter man ist, desto eher gilt: schuldig bis zum Beweis des Gegenteils."

Was hiermit zitiert ist, ohne dass es bekräftigend wirken soll. Im Fall Hoeneß, wenigstens da, muss man sich allerdings schon die Mühe machen, genau hinzusehen, welches Medium was genau berichtet. Unterschiedlich dargestellt wurde zuletzt, welche Rolle denn nun der Stern in der ganzen Geschichte spielte. Die Älteren erinnern sich: Da war ein Stern-Artikel über einen namentlich nicht genannten Bundesligaspitzenvertreter, der hohe Summen in die Schweiz geschafft habe. Die Diskussion kreist nun darum, ob Uli Hoeneß von dem Artikel alarmiert wurde und deshalb seine Selbstanzeige erstellte. Oder ob er sie unabhängig davon einreichte.

Die SZ berichtete am Samstag, es habe sich herausgestellt, "dass der Autor der Geschichte", also der Stern-Geschichte, "damals nicht bei Hoeneß angefragt hatte", was Hoeneß nicht schaden würde. Der Spiegel schrieb derweil, veröffentlicht am Samstag bei Spiegel Online, Hoeneß sei Anfang Januar von einem Bankmitarbeiter darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass da ein Journalist "blöde Fragen" stelle. Allerdings habe Hoeneß schon vor Weihnachten die Selbstanzeige erstellen wollen und das nur aus Gründen nicht getan.

Wolfgang Michal hat danach seine hier bereits zitierte Nord-Süd-Unterscheidung bei Carta am Samstag geupdated und sieht in der unterschiedlichen Berichterstattung vom Wochenende ein weiteres Indiz dafür, dass die Hoeneß schon räumlich nahe Süddeutsche ihn eher abschirme, während andere aus dem Norden, etwa der Spiegel, härter mit ihm umsprängen. Es könnte sich natürlich auch – wäre ja mein Favorit – um einen ganz profanen Recherchevorsprung des Spiegels und, allgemein, um blattkulturell unterschiedliche Herangehensweisen handeln, wie man sie bei jeder zweiten Geschichte nachvollziehen kann, die in der narrativeren SZ und dem thesenorientierteren Spiegel zugleich steht. Aber juti, das sind jedenfalls so die Fragen.

Kollege Focus (ebenfalls München) bringt derweil noch Hoeneß' FC-Bayern-Kumpel Kalle Rummenigges unverzollte Armbanduhren und ebenfalls Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ins Spiel; und wenn an dieser Stelle nun einer sagen würde, es könnte die ganze laufende Steuerschlupfloch- und Bankenbeihilfedebatte marginalisieren, wenn nun zugleich unverzollte Armbanduhren verhandelt werden, dann müsste man nicht unbedingt allzu heftig widersprechen.

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+++ Bleiben wir beim Focus. Man kann sich auf dessen Onlineseite ein paar hübsche englischsprachige Videos "in eigener Sache" reinziehen (dem mit dem schönsten Business-English-for-runaways-Sprech ist das obige Bild rausgescreenshottet). Grund: Die Huffington Post – oder HuffPo, wie wir Medienpeople sagen – kooperiert mit der Tomorrow Focus AG und kommt jetzt also endlich endlich endlich nach Deutschland Deutschland Deutschland. Geil geil geil für alle freien Journalisten, die auch mal einen Text absetzen wollen, der nicht gleich ganz so gut bezahlt wird: "Viele Texte werden ohne Honorar geschrieben" (Süddeutsche). Hurra!

Bemerkenswert an der Kooperation ist, dass der Burda-Verlag, der an der Tomorrow Focus AG mit knapp 60 Prozent beteiligt ist (und der zudem schon einmal die Burdaanerin Maria Furtwängler und HuffPo-Gründerin Arianna Huffington direkt nebeneinander auf einer einzigen Bühne gezeigt hat, siehe Foto), die Übernahme geprüft und verworfen habe, wie der Vollzugserstvermelder Spiegel schreibt:

"Die Erfolgschancen einer deutschen Version der 'Huffington Post' werden in der Branche eher zurückhaltend bewertet. Anders als in der US-amerikanischen Heimat der 'HuffPo' ist der Markt hierzulande stark von traditionellen Verlagsmarken geprägt."

Warum Burda u.a. skeptisch gewesen sein könnte, stand bereits bei Horizont (Altpapierkorb vom Donnerstag): "Die 'HuffPo' ist ein Gratisportal – und konterkariert damit die immer dringlicheren Bemühungen der Verlage, Paid-Content-Modelle einzuführen und zu etablieren." Ein wenig mehr als Restskepsis hat sich wiederum Wolfgang Michal bewahrt, bei wiederum Carta: HuffPost-CEO Jimmy "Maymann will mit der deutschen Ausgabe der Huffington Post schon nach kurzer Zeit Geld verdienen und 'in drei bis fünf Jahren' unter die 'Top Five' der Nachrichtenangebote aufrücken. Man darf das getrost unter Marketing-Geschwätz verbuchen", schreibt er und zitiert den Blogger Nico Lumma:

"'Warum muss seit Jahren rumgelabert werden, wer das Konzept endlich lizensiert? Ich würde nicht einen Cent für eine dusselige Lizenz ausgeben, sondern einen guten Namen finden, ein Redaktionsteam zusammenstellen, ein attraktives Vergütungsmodell für freiwillige Autoren finden, das auch auf Ruhm und Ehre aufsetzt, und genau in die Lücken gehen, die der deutsche Zeitungsmarkt gerade zu bieten hat…'
[Michal:] Ja, wenn es so einfach wäre! Denn 1. gibt es vielleicht keine Lücke, 2. gibt es kein attraktives Vergütungsmodell, und 3. gibt es auch keine überzeugende Zielgruppe. Die deutschen Blogger sind (noch) nicht so professionell wie die amerikanischen – und die deutschen Zeitungen sind noch lange nicht so ausgeblutet wie die US-Blätter. Das einzige, was es hier wie dort in rauen Mengen gibt, sind Ruhm und Ehre."

+++ Apropos Henri-Nannen-Preis. Er wurde am Freitag vergeben, und was auch hängenbleibt vom Abend, so die SZ (S. 23):

"Dass Sandra Hoyn, die am Freitag für die beste Fotoreportage geehrt wurde, die eine international ausgezeichnete Fotografin ist, die in Deutschland für den Stern und die Zeit arbeitet, das meiste Geld mit Hochzeitsfotografie verdient."

Vergeben wurden die Preise an Journalisten von Emerge, Lausitzer Rundschau, Die Zeit, Bonner Generalanzeiger, Zeit Magazin und Handelsblatt. Anneliese Friedmann, Herausgeberin der Münchner Abendzeitung, wurde fürs Lebenswerk ausgezeichnet. Und die Redaktion der Financial Times Deutschland (Gruner&Jahr) bekam einen Sonderpreis für ihre letzte Ausgabe mit dem "Endlich Schwarz"-Cover; sz.de-Chef Stefan Plöchinger hielt die Laudatio (Stichwort: "Größe im Abgang"). Dass der Wikipedia-Eintrag des Nannen-Preises noch nicht aktualisiert ist (Stand Montag, 7.30 Uhr), ist nicht tragisch, aber zeugt auch nicht davon, dass der ganze Globus kopfsteht.

Was gab es sonst bei Nannens? Weil das unseren inneren HuffPo-Leser ja doch interessiert, schreiben dankenswerterweise der Tagesspiegel und, via dpa, etwa taz.de, was es nicht gab: einen Skandal nämlich. Wobei es lediglich keinen Skandal während der Verleihung gab; in der Unterzeile des entsprechenden Nachbereitungsartikels spricht die taz sehr wohl von einem Skandal. Skandalös sei, schreibt Christian Füller dort, dass Heike Fallers Text "Der Getriebene" den Preis für die beste Reportage bekommen habe.

"Es wäre ganz falsch, aus journalistischer Perspektive daran herumzukritteln. Sieben Seiten Zeit-Magazin hat Faller virtuos mit einem brennenden und ungelösten Thema bespielt. Gratulation! Die Nannen-Jury freilich hat keinen Preis verdient, im Gegenteil, sie muss sich fragen lassen, wie sie darauf kommt, Empathie für einen Pädophilen auszuzeichnen."

Ein neuer Prototyp von Rechtfertigungsliteratur sei durch die Auszeichnung entstanden, glaubt Füller: "Verständnis für die vermeintliche Ausweglosigkeit des Triebs bei Pädophilen."


ALTPAPIERKORB

+++ Dem Geläster von ZDF-Chefredakteur Peter Frey im kress-Interview über Kanzler-TV-Duell-Komoderator Stefan Raab ("Das Duell ist keine Showbühne für die Mätzchen von Moderatoren. Nach der Sendung soll Deutschland nicht darüber diskutieren, ob Raab auch Politik kann, sondern wer die oder der bessere im Kanzleramt ist"), folgt ein Raab-Porträt beim Tagesspiegel, in dem das Handelsblatt zitiert wird – mit Widerspruch von Raab: "Beim letzten TV-Duell 2009 'war nichts dabei, was mich intellektuell überfordert hätte'". Dass Raabs Zitat aus dem März stammt, also nicht die implizierte Reaktion auf Frey ist, wäre aber schon auch interessant gewesen +++ Dazu gibt es Frühkritiken zu Raabs "Absolute Mehrheit", wo diesmal – "Stunde der Populisten" titelt der Tagesspiegel OnlineBernd Lucke von der Alternative für Deutschland die meisten Publikumsstimmen bekam (etwa bei Welt Online, Handelsblatt Online, RP Online) +++

+++ Marc Bator wechselt bekanntlich von der ARD zu Sat.1, und Claudia Fromme hat ihn für die SZ (S. 23) getroffen: "'Ich fühle mich befreit', sagt er heute. Die Tagesschau sei ein Segen, aber manchmal eben auch ein Fluch. Bis zu zehn Millionen Menschen sehen abends das Hochamt der Nachrichten, den Riegel zwischen Arbeit und Freizeit, der für viele längst ein Ritual geworden ist. Wer hier dient, wird sein Leben lang damit in Verbindung gebracht" +++

+++ Das NDR-Medienmagazin "Zapp" wollte wohl über Transparenz in der ARD berichten – wie es ausging, schreiben Berliner Zeitung und, zuvor, Hamburger Abendblatt +++ Die FAZ gönne der übernommenen Frankfurter Rundschau nur eine kleine eigene Redaktion, schreibt der Spiegel: "In der Redaktion der 'FR' wird die Schrumpfkur mit gemischten Gefühlen gesehen. Das Team sei eigentlich zu klein, aber immerhin bestehe die Chance, das linksliberale Profil des Blattes wieder zu schärfen, weil die Frankfurter dann selbst entscheiden können, welche Texte erscheinen" +++ Ebenfalls im Spiegel steht ein Interview mit dem kürzlich in Syrien angeschossenen ARD-Korrespondenten Jörg Armbruster und seinem Kollegen Martin Durm +++ Die taz schreibt über den als vermeintlicher Boston-Verdächtiger bekannt gewordenen Studenten, der gestorben ist. Vorsicht vor der nächsten Herumspekuliererei, warnt Wolf Schmidt: "Dass er sich wegen der Falschbeschuldigungen umbrachte, wie manche sofort vermuteten, kann man derzeit unmöglich behaupten" +++ Das Investigativ-Ressort der Welt hat Links gesammelt, die auf die WamS-Geschichte über den selbsternannten Auschwitz-Koch, den KZ-Wachmann Hans Lipschis, verweisen. Warum es so wenige Verweise aus Deutschland und so viele aus aller Welt gibt, wäre interessant zu erfahren +++

+++ Im Fernsehen läuft eine Dokumentation über "Die dunkle Seite von Red Bull" (ARD, 22.45 Uhr), über die die FAZ schreibt, es gehe um "die Abgründe einer geölten Marketingmaschine". Der Tagesspiegel: "(D)ie PR-Masche mit dem extremen Adrenalinkick, die einen womöglich tödlichen Ausgang einkalkuliert, hat zweifellos einen zynischen Beigeschmack. Aber der Film bleibt bei dem Empörungs-Gestus stehen, dabei nutzt Red Bull offenbar einen gesellschaftlichen Trend und kann auf 'Komplizen' bauen: auf Medien, die die spektakulären 'Events' und damit den Markennamen transportieren, und nicht zuletzt auf das Publikum, das sich gerne vom Nervenkitzel gefahrlos unterhalten lässt" +++ Ebenfalls im Fernsehen, ebenfalls von der FAZ rezensiert: "Nägel mit Köppen", der ZDF-20.15-Uhrer +++

Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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