Sein Pardon

Sein Pardon

Vom Anlegerservice- in den Satirejournalismus: Wolfram "Relevanz" Weimer wieder ganz groß! Außerdem: Gibt es politische Korrektheit? Sowie: Liebes- und ganz andere Geheimnisse auf bunte.de

Würde das Altpapier derzeit bebildert erscheinen, dann stünde heute hier idealerweise das Foto, das drei Lebenskünstler beim ansteckenden Lachen auf einer Bank vorm Olaf-Gulbransson-Museum am (und in) Tegernsee zeigt und das schön groß von kress.de präsentiert wird.

Und zwar im Rahmen dieses Berichts, der wie auch dieser (meedia.de), dieser (dwdl.de), wie diese und diese Meldung und noch so allerhand andere die, sozusagen, Top-Story des Tages schildert: Für die weiterhin prallvollen Zeitschriftenregale ist schon wieder eine neue Zeitschrift angekündigt, die jedoch auch eine ziemlich alte, mit so legendären Namen wie Erich Kästner (schrieb das Vorwort zur ersten Ausgabe 1962), Loriot (gestaltete deren Titelblatt, wie man seinerzeit das Cover noch nannte) und der Titanic (anno 1979 von unzufriedenen Ex-Mitarbeitern gegründete Konkurrenz) verknüpfte ist. Pardon, so lautet ihr Name.

Des weiteren findet man der offiziellen Startmitteilung auch noch Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser und Günter Grass sowie Alice Schwarzer und Günter Wallraff erwähnt. Außerdem heißt es dort:

"Als Chefredakteure des neuen Pardon-Magazins fungieren Peter 'Bulo' Böhling und Daniel Häuser, die Gründer und Herausgeber des Avantgarde-Magazins 'Clap'."

Über den Avantgarde-Charakter des im Bayerischen geläufigen "People-Magazins. Für Neugierige, Eitle und Schadenfrohe" müssen andere urteilen, Enzensberger vielleicht. Jedenfalls sind Böhling und Häuser die Herren rechts und links des hochgeschossenen Verlegers auf der eingangs verlinkten Bank. Bei dem handelt es sich, was das eigentlich Spektakuläre der News ausmacht, um Wolfram Weimer, also einen vielfältigen Ehemaligen. U.a. war er Chefredakteur des Focus (bis in den Juli 2011 hinein, vgl. Altpapier: Das Relevanz-Experiment), aber auch der Springer-Zeitung Welt sowie Cicero-Gründer (der Titel bleibt ihm natürlich) sowie "Journalist des Jahres" 2004 (vgl. wolframweimer.de).

Auch aktuell, also noch bevor irgendwann gegen Jahresende zumindest eine neue Pardon-Ausgabe publiziert werden wird, verlegt Weimer bereits, und zwar in der  Weimer Media Group GmbH, die womöglich am ehesten aus dem Impressum des Pflichtblattes Börse am Sonntag bekannt ist. "Hauptaugenmerk wird auf die qualifizierte und unabhängige Information der börseninteressierten Leserschaft gelegt", so stellte sich die Weimer Media Group bisher vor allem dar.

Insofern glaubt kress.de gewiss zurecht:

"Spannend bleibt die Frage, wie viel Humor Weimer selbst aufbringt. Zuletzt hatte der als wertkonservativ geltende Autor die Politschrift 'Heimspiel - Eine alternativlose Realsatire' als Buch herausgebracht. Zudem schreibt er Kolumnen für die 'ADAC Motorwelt', die nun nicht als Leitmedium der Spaßgesellschaft gilt" - gerade aber wieder als reichweitenstärkste Zeitschrift des Landes bestätigt wurde, vgl. ebd.. "Bei 'Pardon' möchte Weimer sich journalistisch eher im Hintergrund halten. 'Kann sein', sagte er auf die Frage, ob er selbst schreiben werden. 'Wenn dann eher etwas Kleineres.'"

Zumindest weiß Weimer aber, wie man Neuigkeiten multipliziert und hat insofern dem Spiegel-Redakteur Martin U. Müller jene Namen, mit denen sein Pardon verknüpft sein soll, gesteckt: "Man habe bereits Zusagen von Autoren wie Eckart von Hirschhausen, Hellmuth Karasek oder Harald Schmidt", ließ er durchblicken. An Dieter Nuhr wird offenbar noch gebaggert, nicht aber an Dieter Hildebrandt. Müller tut bei SPON im Gegenzug Weimer dann den Gefallen, Pardon "die Grande Dame der Schmunzel-Magazine" zu nennen.

Klar jedenfalls, dass Weimer, der Wertkonservative, für gewitzte Feuilletonisten eine Herausforderung darstellt, welcher sich Willi Winkler (ganz gewitzte Feuilletonisten könnten aus der Initialen-Gleichheit vielleicht auch noch was rausholen...) in der Süddeutschen bereits stellt:

"Bei Ringier war man nicht nur unglücklich, als er", Weimer also, "zu Focus ging, den er dann allen Ernstes vom Verbrauchermagazin zum konservativen Denkblatt verbessern wollte. Auch sonst ist Weimer für seinen Humor bekannt: Eine angebliche Enthüllungsgeschichte über Stefan Raab brachte Focus die ausführlichste (und lustigste) Gegendarstellung der deutschen Pressegeschichte ein. Zuletzt wirkte er als Kolumnist fürs Handelsblatt eher im Verborgenen",

heißt es dort auf der Medienseite. Natürlich ist Winkler ein sehr profunder Kenner der alten Pardon bzw. beider alter Pardons, auch des 2007 eingestellten Anlaufs:

"Seine bisher letzte Auferstehung erlebte Pardon dank des islamowahnen Bernd Zeller, der seine Ergüsse inzwischen großzügig an die Website Die Achse der Guten spendet".

####LINKS####

[+++] Islamowahn, islamowahn..? An dieser Stelle besteht Gelegenheit, sich auf ein gewaltiges Diskurs-Abenteuer mit dem Altpapier-Autor Matthias Dell sowie  Marc Fabian Erdl zu begeben, die dem Phänomen nachgehen, das einem neuen Buch zufolge dem,

"was Vivienne Westwood, Norwegen, einen sauteuren Kinderwagen und Jean-Jacques Rousseau verbindet", aber "das Gegenteil einer Romanfigur von Bret Easton Ellis"

sei - der "Rede- und Denkfigur" der Politischen Korrektheit.

"Der Erste schreibt Blödsinn, der Zweite ab, und der Dritte überrascht mit zwei neuen, angeblich astreinen Belegen. Dieser journalistischen Logik verdanken wir den heutigen Zustand. Noch der größte Unfug, der über 'PC' kolportiert wurde, fand seinen Eingang in Lexika, Dissertationen, Zeitungsartikel und Klappentexte sonder Zahl",

schreiben sie nicht ohne Furor. In dem Artikel tauchen so einige Namen auf, die im Pardon-Kontext auch schon dabei waren, der des "berufsinkorrekten ...Harald Schmidt", aber auch Robert Gernhardt (hier im Altpapier jetzt nicht erwähnt, aber bei Willi Winkler). Erschienen ist der Artikel natürlich im Freitag, der vom Wolfram Weimer der Linken, Jakob Augstein, herausgegebenen Wochenzeitung.

+++ Wo das Stichwort "politische Korrektheit" nicht fällt: im Kurz- bzw. Kürzstinterview, das der bunte.de-Chefredakteur Jürgen Bruckmeier der TAZ gab, und zwar zur Frage nach der "Anhäufung von unangemessenen Kommentaren" auf bunte.de, die dort zum Entschluss führte, "die Kommentarfunktion vorerst zu deaktivieren."

Kurz zur Einordnung: bunte.de ist die Webseite der Illustrierten aus dem Burda-Verlag (von dem Weimer als abgelöster Focus-Chef vermutlich das Geld bekam, das er nun auch in sein Pardon steckt), und engagiert sich eigentlich in Dingen wie, aktuell und hier auf evangelisch.de interessant, der Lüftung des "Liebes-Geheimnisses" von Margot Käßmann. Gegenüber meedia.de hatte Bruckmeier von "rechtsextremen Inhalten" in Kommentaren gesprochen, die zu diesem Entschluss geführt hätten.

Nun stellte also die TAZ drei Fragen, darunter, um was für Kommentare es sich denn handelt. Aber Bruckmeier "möchte" das "nicht so gerne wiedergeben". Und warum sein Verlag "Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft München" gestellt hat, verrät er auch nicht.

Ob das nun eine sinnvolle Form des Umgangs mit was auch immer ist - unklar.

Doch verspricht der Chefredakteur: "Wir prüfen die Möglichkeit, neue Kommentare vor der Veröffentlichung zu kontrollieren und sie dann erst freizuschalten", sodass Margot Käßmanns Liebesleben dann auch wieder kommentiert werden kann. Was technische Innovationen betrifft, war Hubert Burda Media (dessen Namensgeber ja beinahe auch mal Google erfunden hätte...) immer weit vorn.


Altpapierkorb

+++ Namen und Personalien sind der Treibstoff der Medienmedien. Insofern auch interessant, wenn manche gar nicht auftauchen. Zum Beispiel Tom Strohschneider, der neue Chefredakteur des Neuen Deutschland, zuvor bei TAZ und Freitag unterwegs: In eigentlich nicht mit Personalien geizenden Qualitätszeitungen wie FAZ und SZ wurde er bislang mit keiner Zeile erwähnt (aber bei spiegel.de). +++ Immerhin, die inzwischen wieder klickenswerte Webseite newsroom.de würdigt die Entwicklung bei der sozialistischen Tageszeitung ausführlich. U.a. habe sie die Absicht, ums Archiv eine Paywall zu errichten. +++

+++ Einerseits habe "sich die Berichterstattung in den vergangenen Monaten versachlicht", andererseits "erreicht der griechisch-deutsche Medienkrieg einen neuen Höhepunkt", so berichtet der Tsp. über griechische und deutsche Bericht zum jeweils anderen Land. +++

+++ Bonusmaterial zu den ARD-Dokus, die gestern vorn im Altpapier vorkamen: die zur Spiegel-Affäre 1962 und dem Journalismus an sich ist hier in der Mediathek abrufbar. Hans-Jürgen Jakobs' Verriss aus der SZ steht inzwischen frei online. +++ Kai-Hinrich Renner  (Hamburger Abendblatt) fand den Film gar nicht so übel). +++ "Spannender Mann, mittelmäßige Doku" meint indes Felix Ehring (BLZ online) zum Matthias-Brandt-Künstlerporträt, das vorher lief. +++

+++ "Mehr ARD & ZDF-Leute als deutsche Sportler in London!" (bild.de). Dass 2012 andererseits weniger Fernsehschaffende als 2008 dabei sind, steht immerhin auch drin. +++

+++ "Denkbar harmlos": die im Vorfeld umstrittenene amerikanische Kennedys-Serie auf Arte (Tsp.). Siehe auch TAZ, BLZ. +++

+++ "Die Lage der Medien in Ungarn, anderthalb Jahre nachdem das neue, heiß umkämpfte und schwer umstrittene Mediengesetz in Kraft trat: Wer sich dagegen gestellt hat, ist draußen. Wer schweigt und funktioniert, kann weiter arbeiten. Und wer weiter arbeiten will, der schweigt", so beschreibt Cathrin Kalweit sie im Aufmacher der SZ-Medienseite. In dem lesenswerten Stück (S. 29) zitiert sie auch den seit 220 Tagen hungerstreikenden Balázs Nagy-Navarro und kafkaeske Bescheide ungarischer Behörden. +++

+++ Als Nachruf auf Susanne Lothar zu empfehlen: der von Christiane Peitz im Tagesspiegel. +++

+++ Von einigen der zahlreichen Streitigkeiten zwischen den auf dem deutschen Markt konkurrierenden Nachrichtenagenturen, einer die nach Aussage eines beteiligten Anwalts "in der jüngeren deutschen Mediengeschichte" ihresgleichen suche, berichtet die FAZ. Frei online gibt's das ernut bei newsroom.de. +++

+++ Nun auch im Freitag auf (u.a.) Heribert Prantl schaut Wolfgang Michal. +++ Und aus Dublin nach London (von wo die FAZ die in ihrer Zielgenauigkeit "beinahe beängstigende" BBC-Olympia-Satire "Twenty Twelve" lobt, die aber natürlich nicht in Deutschland läuft) schaut in Murdoch/ Cameron-Sachen Ralf Sotscheck (TAZ). +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.
 


 

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