Julius Cäsar Springer

Julius Cäsar Springer

Für den Bundespräsidenten hat ein Springer-Blatt den Rubikon überschritten, die WAZ wechselt nach Stand der Dinge in Kürze die Eigentümerverhältnisse, und Dr. Mathias Döpfner hat Dienstjubiläum

"Mein Gemüth ward wieder umfriedet von dem Geist der Dichtkunst, wohlbekannte edle Gestalten und goldne Bilder dämmerten wieder empor in meinem Gedächtnisse, ich ward wieder so traumselig, so mährchentrunken, so verzaubert wie ehemals, und ich brauchte nur mit ruhiger Feder alles aufzuschreiben, was ich eben fühlte und dachte – ich begann." Dr. Heinrich Heine, "Der Salon I" (S. XIV)

Druckbetankt mit Energie und voller Vorfreude auf was da 2012 an neuen Apps und Talkshowthemen kommen mag, beginnt das neue Altpapier-Jahr, weil es Dr. Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache so vormachte (bei Minute 6:25), mit einem passend aus dem Kontext gerissenen Heine-Zitat.

Thematisch beginnt das Jahr mit einem der größten aller Stoffe (2,01 Meter): dem zehnten Dienstjubiläum von Axel-Springer-Chef Dr. Mathias Döpfner, dem "Großgeldverdiener und Branchenoptimist", so Dr. Steffen Grimberg in einer Würdigung in der taz. Auch ein Gartenzaungespräch von dpa mit Dr. Döpfner liegt vor, siehe kress.de.

Den unternehmenskulturell aussagekräftigsten Satz über Dr. Döpfners Betrieb schreibt Dr. Grimberg allerdings im der eigentlichen Würdigung beigestellten Text, der eigentlich Dr. Edda Fels gewidmet ist, "Leiterin Unternehmenskommunikation" bei Dr. Axel Cäsar Springers Familienunternehmen, die am Sonntag ihr 20. Dienstjubiläum feierte:

"Selbst Franz Josef Wagner redet von Döpfner immer, als ginge er zum Arzt."

Nun ist es bei Springer, wo Dr. Döpfner chefangestellt ist, ja so ein bisschen wie es Dr. Heine beschreibt: Egal wie reichhaltig die Palette, egal was es sonst noch gibt unter dem Unternehmensdach – am Ende muss man sich immer für Bild rechtfertigen. Dr. Heine umschrieb im October 1833 den Springer-Verlag aus Dr. Döpfners Perspektive so:

"Die goldenen Engelsfarben sind (...) auf meiner Palette fast eingetrocket, und flüssig blieb darauf nur ein schreiendes Roth, das wie Blut aussieht, und womit man nur rothe Löwen malt." (S. XXVII)

[+++] Und so findet trotz solcher Pressemitteilungen und trotz des großen Jubiläums des Chefs in der Restpresse heute wieder vor allem die Bild-Zeitung, die mit dem schreiend rothen Schriftzug, Erwähnung. Im Zusammenhang mit Dr. Christian Wulff. Das ist der Bundespräsident.

Während der Bundestagspräsident, Dr. Norbert Lammert, in der Neuen Osnabrücker Zeitung mit der nun auch nicht gerade empörend falschen Behauptung zitiert wird, "auch die Medien haben Anlass zu selbstkritischer Betrachtung ihrer offensichtlich nicht nur an Aufklärung interessierten Berichterstattung", ist andernorts von einem Telefonanruf Dr. Wulffs bei Bild-Chefredakteur Dr. Kai Diekmann die Rede. Und der lässt das Pendel gleich wieder zu ersterem, also zu Wulff, der ebenfalls "nicht nur an Aufklärung interessiert" zu sein scheint, zurückschwingen. Die Süddeutsche Zeitung (S. 5) schreibt heute, online unter Setzung zumindest eines Links aus dem eigenen Angebot hinaus:

"Bundespräsident Christian Wulff hat versucht, die Veröffentlichung der Recherchen zur Finanzierung seines Privathauses in der Bild-Zeitung persönlich zu verhindern. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Wulff am 12. Dezember 2011, einen Tag, bevor das Boulevard-Blatt mit der ersten Geschichte zur Immobilen-Finanzierung durch ein befreundetes Unternehmerpaar auf den Markt kam, dem Bild-Chefredakteur Kai Diekmann den 'endgültigen Bruch' mit dem Springer-Verlag angedroht für den Fall, dass diese 'unglaubliche' Geschichte tatsächlich erscheine."

So stand es in der Tat auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die diesmal aus Termingründen eine Samstagszeitung war. (Zusammenfassungen der Wulff-Drohung auch u.a. bei, zum Teil via Agenturen, berliner-zeitung.de, tagesspiegel.de, zeit.de und Spiegel Online.) In der FAS heißt es:

"Der Präsident bat um eine Unterredung, in der man über alles sprechen könne. Er sprach aber auch vom 'Kriegführen'. Für ihn und seine Frau sei der 'Rubikon' überschritten."

Dr. Heine, wiederum, spricht hier seit 1833 (S. XVII) vom "Unfug der hochnobeln und allerhöchst nobelen Sippschaften in der Heimath". Aber irgendwie wären wir damit ja vor allem bei Dr. Julius Caesar, der 49 v. Chr. den Rubikon überschritt, der damals bekanntlich die Grenze zwischen Gallia Cisalpina und Italien bildete, was einer Kriegserklärung an den römischen Senat gleichkam. Wir wissen, wie die Geschichte endete: Der Republik folgte die Monarchie, ein Cäsarianer wurde Kaiser. Wer jetzt spontan an Dr. Guttenberg denkt, kriegt 50 Ego-Shooter-Bonuspunkte oder ein Praktikum bei Dr. Nico Hofmann.

Dr. Ralf Wiegand arbeitet für die SZ noch das Verhältnis von Springer-Verlag und Wulff auf, die "in Privatangelegenheiten bisher gut kooperiert" hätten, siehe hierzu auch die "Sippschaften"-Passage bei Dr. Heine. Und er schreibt zu Dr. Wulffs Anruf bei Dr. Diekmann: "Offiziell äußert sich der Springer-Verlag nicht zu dem Vorgang." Ob es die Vorratsdatenspeicherung oder Dr. Julian Assange waren, die den Inhalt von Dr. Diekmanns Mailbox veröffentlichten, ist damit offiziell unklar.

[listbox:title=Artikel des Tages[Dr. Döpfners Dienstjubiläum (taz)##Bild und Wulff (SZ)##Wulff und Bild (FAS)##Neues von der WAZ (SZ)]]

Klar ist dagegen, dass sich bei der WAZ die Eigentumsverhältnisse ändern – wobei nicht einmal bei einer solchen Meldung das Wort "Bundespräsident" nicht vorkommt:

"Noch im Januar dürfte Peter Heinemann, Anwalt der Enkel des Mitgründers Erich Brost und Sohn des früheren Bundespräsidenten, die Kunde verbreiten: Die Verträge sind unterschrieben, und das Medienhaus mit Milliardenumsatz hat eine neue Eigentümerstruktur. In der zweiten oder dritten Januarwoche, so ist zu hören, wird der Verkauf des Anteils der Brost-Familie, der die Hälfte der Unternehmensgruppe gehört, an Petra Grotkamp endgültig unter Dach und Fach sein",

schrieb die Samstags-FAZ (S. 15), nicht zu verwechseln mit der Samstags-FAS. Heute schreibt die Süddeutsche:

"Mit der sogenannten Linklaters-Lösung, benannt nach der Anwaltskanzlei, die mit an den Plänen für eine Neuordnung des Konzerns arbeitete, liegt ein Plan vor, wie der organisatorisch verschachtelte Essener Konzern in eine zeitgemäße Unternehmensstruktur überführt werden kann, nach Vorbild etwa der Axel Springer AG."

Wie Dr. Heinrich Heine schreibt: "Hinter dem Ofen dichtet man die besten Mailieder."


Altpapierkorb

[+++] Was Neues für die Lesezeichen: Das SZ-Digitalblog namens SZ-Digitalblog startet heute mit einem einführenden Beitrag von Dr. Johannes Kuhn unter sz.de/digitalblog: "Obwohl das Internet die bedeutendste Infrastruktur der Gegenwart und absehbaren Zukunft ist, sind bislang nur wenige Menschen in die Diskussion involviert, welche gesellschaftlichen Akteure über seine Entwicklung bestimmen sollen und welche Folgen die Digitalisierungsprozesse zeitigen. Doch die digitale Öffentlichkeit kommt nur zur Vollendung, wenn sie als diskursive digitale Öffentlichkeit wirkt." Oder wie Dr. Angela Merkel sagt (bei Dr. Heine S. XXIV): "Deutschland, das sind wir selber" +++

+++ Das FAZ-Feuilleton hat eine neue Leitung: Dr. Nils Minkmar übernimmt, wozu ganz gut Dr. Heinrich Heines "Salon I" passt (S. XXII): "In Frankreich ist der Muth höflich und gesittet, und die Ehrlichkeit trägt Handschuh und zieht den Hut ab" +++

+++ Der Jahreswechsel ist die Zeit für die Bilanzen des Grauens: Der "strahlende" Quotensieger 2011 heiße RTL, schreibt DWDL; der Verlierer 2011 seien die Öffentlich-Rechtlichen, so der Tagesspiegel zwischen den Jahren; der Sieger 2011 seien die Nachrichtensender, schreibt die SZ vom Samstag (S. 21): Phoenix 1,1 %, N24 und n-tv je 1,0 % Jahresmarktanteil; der Sieger 2011 heiße Fernsehen, so die FAZ vom Freitag (S. 37): "Internet hin, iPad oder Smartphone her: Im nun zu Ende gehenden Jahr ist der Fernsehkonsum aufs Neue gewachsen. Durchschnittlich 224 Minuten pro Tag sah jeder Deutsche zwischen drei und hundertdrei Jahren fern, vor zwanzig Jahren waren es noch 115 Minuten" +++

+++ Nachzureichen aus der Zeit zwischen den Jahren, in der wir mit der Zukunft beschäftigt waren: Der Artikel über die neuen Investigativressorts diverser Zeitungen aus der Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau; oder der Fernstreit über Fernsehen zwischen dem US-Soziologen Dr. Mark Greif (im FR-Interview) und Dr. Jonathan Meese (im SZ-Interview vom Samstag). Greif: "Für mich ist Occupy die Erfüllung dessen, was Reality-TV immer versprochen hat. Man konnte sich den Live-Stream vom Zuccotti Park anschauen, man konnte hingehen und persönlich daran teilhaben. Das Ideal von Reality TV ist, dass die beiden Hälften zusammen- gebracht werden können, dass man sich versichern kann, dass auf der anderen Seite des Bildschirms tatsächlich eine lebende, atmende Person ist. Bei Occupy ist das Realität geworden." Meese: "Hier bei mir findet keine Selbstsuche und keine Selbstfindung statt. Also bitte auch keine Systemillustrationen des Menschenlebens mehr. Im Grunde genommen müsste das Fernsehen menschenfrei sein. Nur noch Bilder" +++

+++ Und heute noch diverse Vorschauen: Die taz mit einem Wunschzettel fürs neue Medienjahr, der Spiegel mit einer Vorschau auf die Berichterstattung über den Weltuntergang am 21.12.2012, der Tagesspiegel mit einer Vorschau auf die bevorstehende Fernsehrevolution +++

+++ Und im Fernsehen: "Russisch Roulette" wird besprochen von SZ (S. 17), FAZ (S. 31), drüben bei evangelisch.de sowie TSP, die zwei letzteren schreiben auch über "Die Löwin", die BLZ widmet sich dem "Bergdoktor", und Dr. Hans Hoff schneidet im prisma-Blog das "Tatort"-Muster mit dem Dr.-Til-Schweiger-Film-Muster zusammen +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag.

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