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Hape Kerkeling, die Kuh, die Bunte, Hajo Schumacher, die Medienkonferenz: Wer etwas auf sich hält, taucht heute gleich in zwei verschiedenen Zusammenhängen auf den Medienseiten auf. Außerdem: eine der "lächerlichsten Klagen der Mediengeschichte"


Hallo nach München! Na, liebe Freundinnen und Freunde aus der Brosche, wie läuft's so bei den Medientagen? Kaffee gut? Ganze Stadt in Ekstase? Sieht aus der Ferne absolut so aus, denn es gibt echte Knallermeldungen. Z.B.: DerWesten wird "neu ausgerichtet", WAZ, Westfälische Rundschau, Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung, Westfalenpost und Iserlohner Kreisanzeiger sollen bald unter eigenen URLs erreichbar sein. Da ordnen wir doch gleich mal die Lesezeichen neu.

Oder diese Meldung: "Es gibt kein digitales Fernsehen", sagte der frühere RTL-Chef Helmut Thoma. "Es gibt nur Fernsehen." Privatfernsehmann Fernsehmann Thoma hat es damit bis auf die Satire-Seite der taz geschafft.

Und es ist sogar noch mehr passiert: "Leidige" Debatten, wie im Medienjournalismus jene Debatten heißen, die rauf- und runternacherzählt werden, obwohl sie ebenfalls auf die Satire-Seiten gehörten, werden neu aufgelegt.

Der traditionell stattfindende Print-Gipfel zum Beispiel, der ja jetzt (auch so'n Hammer) Publishing-Gipfel heißt, weil es Print und Digital nicht gibt, sondern, wie Thoma sagen würde, "nur Publishing", führte zum erstaunlichen Ergebnis, dass "die Probleme, oder sollte man besser sagen: die angeblichen Probleme der Branche" (DWDL) "die gleichen geblieben" sind. Beispiel:

"Da wäre etwa die leidige Debatte um die 'Tagesschau'-App, die am Donnerstag beim 'Publishing-Gipfel' nur einen kurzen Moment thematisiert war. Über die Anregung des Gerichts, wonach ARD, ZDF und die Verlage einfach mal miteinander sprechen sollen, sagte BDZV-Präsident Helmut Heinen: 'Seither ist noch nichts unternommen worden.'"

Beim Versuch, unsere eingeschlafenen Füße wieder zu wecken, hilft Dieter Anschlag, der in der Funkkorrespondenz kommentiert, die Klage der Verleger gegen die "Tagesschau"-App sei "eine der lächerlichsten Klagen der Mediengeschichte". Das ist mal eine These, die als solche nicht nur durchgeht, sondern auch noch Hand und Fuß hat. Vielleicht mal etwas ausführlicher, warum das so sei ist:

"Der Feldzug der Zeitungshäuser ignoriert, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk hierzulande eine gewollte Institution des demokratischen Gemeinwesens und insbesondere der deutschen Medienlandschaft ist und dass nicht eine partielle Gruppe mit Blick auf ihre wirtschaftlichen Interessen nach Belieben bestimmen kann, in welchem Umfang andere zur publizistischen Vielfalt beitragen dürfen oder davon ausgeschlossen werden, damit der eigene Markt besser beherrscht werden kann. Am öffentlich-rechtlichen Rundfunk wären eher Programm-Management und Mittelverwendung zu kritisieren, anstatt sich Scharmützel um randständige technologische Fragen zu liefern, die von den Verlegern skurrilerweise zum Zentrum ihres Überlebenskampfes stilisiert werden."

Und sorry auch, aber: yeah.

Da eine Medienkonferenz aber nie allein kommt, gleich zur nächsten Runde: zum "30. Mediengipfel des Medienboards Berlin Brandenburg und des Unternehmensbündnisses media.net in Berlin". Der Tagesspiegel fasst die Debatte zur Frage "Wer macht das Rennen im Medienmarkt der Zukunft?" zusammen. Miniaturzusammenfassung: Man muss was wagen

[listbox:title=Artikel des Tages[Eine lächerliche Klage (FK)##Max früher und heute (BLZ)##Über bunte Vorgänge (SZ)]]

Womit wir bei den Wagnissen des Tages sind: Journalist Hajo Schumacher (nicht der), am Mittwoch noch Moderator beim beliebten "30. Mediengipfel des Medienboards Berlin Brandenburg und des Unternehmensbündnisses media.net in Berlin", kommentierte am Donnerstag bereits die Neuauflage der 2008 von Burda eingestellten Illustrierten Max, die er einst leitete. Max ist wieder da (Coverausschnitt mit Kuh: siehe Screenshot von wirmachenmax.de oben)! Und die SZ fragte Schumacher nach der Zukunft der Marke. Allein,

"fragt man Schumacher nach der Zukunft der Marke, spricht er lieber über die Vergangenheit: Er glaube nicht, dass da etwas wiederbelebt werde, es gehe mehr um eine alte romantische Beziehung, sagt er. Auf Schumacher mag das wohl zutreffen. Für Verleger ist Romantik aber nur sehr selten ein Motiv."

Denn: Wagnis usw. Muss ja. Katharina Riehl jedenfalls prognostiziert in der SZ:

"So sehr Verlag und Macher die einmalige Erscheinung betonen, kann man natürlich davon ausgehen, dass es bei großem Verkaufserfolg nicht bei der einen Ausgabe bleiben wird."

Was die alte Max ausmachte und was wir nun im One-Shot-Testballon so alles finden, beschreibt die Berliner Zeitung:

"Das Magazin war das Aushängeschild der Verlagsgruppe Milchstraße, dem Li-La-Laune-Verlag von Dirk Manthey, der alle paar Monate seine Villa an der Hamburger Außenalster verließ, um in Malibu Ideen für neue Magazine zusammenzuklauben. Manthey, Milchstraße, Max: Sie waren die Lieblinge der Werber."

Das war damals. Und heute hätten wir dann das: "Dieses Max reloaded ist ein Magazin, das man durchaus in die Hand nehmen kann. Aber man verpasst nichts, wenn man es nicht tut."

Aber wann verpasst man schon mal wirklich was, wenn man mal was verpasst.

Eine andere vielfarbige Illustrierte taucht ebenfalls auf den Medienseiten auf: "Bunte-Politikchef und Chefredaktionsmitglied Andreas Lobe, 43, wurde – wie auch eine Mitarbeiterin – entlassen", schreibt die SZ, weil er einen "umstrittenen" Recherchevorgang habe laufen lassen (dazu siehe Altpapier von damals). Jetzt, nachdem Lobe, der gegen seine Kündigung geklagt und wohl die Chefredaktion als über den Vorgang "informiert" bezeichnet hatte, heißt es, er habe "die von einem außenstehenden Informanten vorgeschlagenen, unlauteren Recherchemethoden weder initiiert noch befürwortet", und man wünscht ihm "für seine berufliche Zukunft weiterhin viel Erfolg und privat alles Gute".

Abgesehen davon, dass sie Andreas Lobe bei seinem Vornamen Tobias nennt, stellt die FAZ die Vorgänge etwas schärfer dar: "Dass er und seine Kollegin Bauernopfer waren, konnte man schon meinen, als die Geschichte aufkam."

Noch einmal taucht heute die Bunte auch in Sachen Hape Kerkeling auf, im Tagesspiegel:

"Erst am Dienstag hatte es nach einer 'Bunte'-Geschichte neue Spekulationen über eine endgültige Absage Hape Kerkelings ans ZDF in Sachen 'Wetten,dass...?'-Moderation gegeben. Beide Parteien dementierten allerdings umgehend."

(Siehe dazu auch Altpapier vom Mittwoch.) Nichts Neues – das ist demnach immer noch der Stand – von der Samstagabendunterhaltungsfront. Kerkeling allerdings taucht ebenfalls noch einmal in anderem Zusammenhang auf – scheint Mode zu sein, mindestens in zwei Angelegenheiten pro Tag auf Medienseiten genannt zu werden.

Es geht um die Sonntag-19.30-Uhr-Unterhaltung im ZDF: die sechsteilige "Terra X"-Ausgabe "Unterwegs in der Weltgeschichte" mit jenem Herrn Kerkeling. Dazu im Altpapierkorb. Wo dann auch nochmal die Kühe sich melden, Exemplare der Gattung Max-Cover-Model.


Altpapierkorb

+++ Zu "Terra X": "Reiseleiter Kerkeling, charmant radebrechend mit ägyptischen Schiffern einen Preis für die Nilfahrt aushandelnd, ganz deutscher Bildungstourist, macht die ihm als bildungsbeflissene Gruppe folgenden Zuschauer zu seinen Nichten und Neffen", schreibt Joseph von Westfalen in der Süddeutschen (S. 15). Aber: "5000 Jahre in sechsmal 45 Minuten! Maximilian Schell hatte vor einigen Monaten in TerraX über das Rittertum sehr viel charismatischer, konkreter und erinnerlicher die immensen Kosten einer Rüstung verdeutlicht (vier Kühe) und damit mehr historisches Verständnis geweckt". Er findet's also so toll dann auch wieder nicht +++ Die FAZ dagegen geht andersrum ran: Es gebe schlechte Momente, aber "die Weltgeschichte according to Hape entpuppt sich ansonsten schon in der ersten Folge als kurzweilige historische Tour de Force" (S. 37) +++

+++ Google+ rückt vom Klarnamenzwang ab. Darüber schreiben etwa FTD und taz +++ Überhaupt allerlei aus der Netzwelt (die ja jetzt einfach Publishing heißt):Da hätten wir die erste Anklageerhebung im Fall kino.to (SZ) +++ Ebenfalls in der SZ eine Einordnung der Arbeit der Los Angeles Times im Datenjournalismusbereich: "In Deutschland versteht sich Datenjournalismus, also das Sammeln und Aufbereiten von Statistiken, auf die gelegentliche Leistungsschau aufwendiger Einzelprojekte. Der Ansatz bei der LA Times ist ein anderer. Acht Redakteure gehören zum Kern des data desks, sie bilden keine eigene Redaktion, eher eine 'Allianz von Redakteuren verschiedener Ressorts'" +++

+++ Noch viel mehr Netz: Die FAZ über die Kinderpornographenjagd von Anonymous (S, 37) +++ Der Tagesspiegel meldet gute Online-Abonnentenzahlen der New York Times +++ Ebd.: Netzservicetexte etwa zum Telefonieren übers Internet +++ Die Berliner Zeitung berichtet über die Rückkehr des News-Aggregators Commentarist und vor allem über den Streit zwischen Leistungsschutzrecht-Befürwortern und -Gegnern +++

+++ Medienpolitik: Die Funkkorrespondenz über ProSieben-Mann Edmund Stoibers Medienpolitik-Kritik +++ Und ebd. eine Zusammenfassung der in der "Elefantenrunde" gehörten Stimmen +++ Und noch in der Funkkorrespondenz: Einzelheiten zum Vergleich zwischen ARD und Verena Wiedemann +++

+++ Die taz über Pressefreiheit in Pakistan +++ Bild will wissen, dass die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen vom Oberlandesgericht Münster als nicht mit den Zielen der Suchtprävention vereinbar beurteilt wurde +++ Und die FAZ widmet sich dem MDR und seiner Intendanzkandidatin Karola Wille sowie ihrer zu DDR-Zeiten verfassten Dissertation, die sie ausführlich zitiert. Aber: "Die Karriere in der DDR ist Vergangenheit, in der Gegenwart wird Karola Wille von vielen ein gutes Zeugnis ausgestellt, in der Regionalpresse wird ihre wahrscheinliche Wahl bejubelt" – allerdings würden, so FAZ-Autor Thomas Purschke, auch "auf allen Seiten die Truppen eingeschworen", da bei einer nochmaligen Intendantenwahlpleite "das Chaos droht" +++

Das Altpapier stapelt sich am Montag wieder.

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