ber Gebühren

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Es gibt einen Standardvorgang, darüber Unmut sowie Unmut über den Unmut: Die Öffentlich-Rechtlichen, ihre Kritiker und die Kritiker der Kritiker. Völlig andere Frage: Wird Bernd Hilder (Foto) heute zum MDR-Intendanten gewählt?

Man fragt sich einiges dieser Tage: zum Beispiel a) Macht das öffentlich-rechtliche Fernsehen eigentlich gute Filme? b) Wird ein jenseits der Gremien nicht konsensfähiger Kandidat wirklich MDR-Intendant? Aber man kann sich auch c) fragen, ob die unredigierte Verlängerung der immergleichen ungefilterten Erregung mancher Zeitungen über die Öffentlich-Rechtlichen ins Blatt hinein eigentlich zu den Aufgaben anderer Zeitungen gehört.

Beginnen wir bei Punkt c, das Thema ist auch heute noch eines. Anlass bekanntlich: ARD, ZDF und Deutschlandradio haben einen Mehrbedarf von 1,5 Milliarden Euro für die Gebührenperiode 2013 bis 2016 angemeldet (siehe Altpapierkorb vom Donnerstag). Das Ritual geht nun folgendermaßen: Irgendeiner ruft als erster "Es gibt Unmut", in diesem Fall war es Die Zeit, und dann trotteln halt alle auf nicht unter 180 hinterher.

Mehrere Zeitungen zitieren dann bald Jürgen Doetz, der sein Geld als Privatmedienverbandsvertreter mit ARD- und ZDF-Bashing verdient, und den "Medienpolitikerdarsteller Burkhardt Müller-Sönksen" (Altpapier vom Freitag), die etwas sagen, was man unbedingt als erwartungsgemäß bezeichnen muss. Der Ausgewogenheit halber kommt weiter unten im Text auch noch "die WDR-Intendantin und ARD-Vorsitzende Monika Piel" zu Wort, die ihren Laden verteidigt, was dann als "erwartungsgemäß" bezeichnet wird.

Dann kommt Schritt zwei: Die vielfach geäußerte Kritik führt dazu, dass sie als Anlass genommen wird, um den herrschenden Unmut zu thematisieren, wie am Samstag in der Süddeutschen, wo die Geschichte um die Degeto – die ARD-Produktionsfirma, die ihre Gelder bis 2013 bereits verplant hat, was eine externe Kommission, "geleitet von dem HR-Intendanten Helmut Reitze" (FAZ, u.a.) nun prüfen soll – noch einmal mit dem erhöhten Gebührenbedarf verquickt wird.

Heute nun sind wir noch einen Schritt weiter: Zum einen gibt es weitere Weiterdrehs, etwa das Spiegel-Interview mit der besagten ARD-Vorsitzenden, in dem zugleich von Sparkurs und Inflationsausgleich die Rede ist, und das von der SZ zitiert wird. Zum anderen melden sich aber auch die Kritiker der Kritik zu Wort, etwas genervt von der immergleichen Aufregung. Steffen Grimberg von der taz gehört recht verlässlich zu ihnen:

"Das wohlfeile Geschrei kommt (...) wie immer zu früh: ARD, ZDF und das gern dabei vergessene Deutschlandradio melden an, was sie gern hätten. Den Spielregeln nach geht diese Anmeldung an die 'Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten' (KEF), die nachrechnet – und mit schöner Regelmäßigkeit zu einem niedrigeren Ergebnis kommt als die Sender."

Und auch Stefan Niggemeier ist eine der wenigen nicht-öffentlich-rechtlichen Stimmen, die regelmäßig eine Kritik der Kritik betreiben. Er sammelt in seinem Blog all die anderen Links zur Gebührenmehrbedarfsanmeldungskritik und rechnet auch mal ein paar Dinge nach.

"Natürlich kann man der Meinung sein, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ohnehin schon über viel zu viel Geld verfügen und in Zukunft deutlich schrumpfen sollten. Aber man muss schon ideologisch verblendet sein und irreführend rechnen, um aus einem Wachstum unterhalb der Inflationsrate einen Beleg für Maßlosigkeit und Gier der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu machen.
Den Gegnern von ARD und ZDF in den Verlagsredaktionen, den Lobbyverbänden und der Politik ist das mit vereinten Kräften gelungen. Mit teils bloß reflexhafter, teils sicher bewusst einseitiger Berichterstattung haben sie die Bedarfsanmeldung in den vergangenen Tagen in grotesker Weise skandalisiert. Es ist ein Lehrstück darüber, wie man mit geschickter Propaganda den Verlauf einer Debatte fast vollständig bestimmen kann."

[listbox:title=Artikel des Tages[Vom MDR (taz)##Vom Wucher (Stefan Niggemeier)]]

Nächste Frage: die nämlich, ob das Programm der Öffentlich-Rechtlichen eigentlich gut ist. Tobias Rüther beantwortet sie in der FAS mit einem klaren Was-soll-die-Frage?. Zu seiner Geschichte an diesem Sonntag gehörte es, von den guten Filmen zu erzählen, er hatte die Schauspielerin Claudia Michelsen getroffen. Von den Filmen also, die

"meist am Montagabend, Viertel nach acht im ZDF, oder mittwochs zur gleichen Zeit in der ARD (laufen), oder wann immer die neunzigminütigen Filme wiederholt werden, die fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen das sind, was Serien für das amerikanische sind: der Ort der erzählerischen Souveränität."

Wobei er einen Mangel an Anerkennung dafür ausmacht: "(E)s wird meist länger und lauter über die mittleren Stoffe (oder über die Fjordfilme und die Pilcherfilme) geschimpft als über die guten gejubelt", schreibt er – ein Eindruck, den man nicht unbedingt teilen muss. Während montags etwa, auch heute, regelmäßig der angesprochene ZDF-Film rezensiert wird (so auch heute: „Ich habe es Dir nie erzählt" wird uneinheitlich besprochen von taz, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, evangelisch.de, SZ, FAZ,), findet sich ja am Wochenende kaum mal eine Pilcher-Kritik.

Und dann gibt es noch diverse Betrachtungen zum MDR, der heute seinen neuen Intendanten wählen will,. Viel stärker als bei der Gebührenbedarfsanmeldung, die selbst die Süddeutsche am Samstag einen "Routinevorgang" nannte, womit die Sache eigentlich auch erledigt sein könnte, stellen sich hier tatsächlich ein paar Systemfragen. Der Tagesspiegel dazu in aller Kürze. Die taz dazu in aller Länge; Steffen Grimberg fasst dort ganzseitig die Geschichte des MDR zusammen und kommt auch auf den heutigen Tag:

"Gewählt werden soll der Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung (LVZ), Bernd Hilder. Schon im MDR-Verwaltungsrat, der den Kandidaten offiziell nominieren muss, hatte der zunächst keine Mehrheit. Doch weil noch ein Verwaltungsdirektorenposten frei ist, der versprochen werden kann, und weil die CDU-MinisterpräsidentInnen Sachsens und Thüringens Druck ausübten, stimmte das an keine Weisungen gebundene Gremium am 5. September dann doch noch mit der benötigten Zweidrittelmehrheit für den von der Politik gewünschten Hilder. Im vierten Wahlgang. Was natürlich keine Bestechlichkeit ist, sondern Realpolitik. Und ein Betrug an der Gesellschaft, die die Gremien vertreten soll."

Ob es heute aber zu Hilders Wahl kommt? Es gibt auch Zweifel am Wahlmodus, so der Spiegel:

"Im zweiten Wahlgang könnten die Mitglieder des Rundfunkrats eine sogenannte Beschlussunfähigkeit herbeiführen. Dazu müssten weniger als zwei Drittel der Gremiumsmitglieder anwesend sein. Dann wäre die Sitzung schlicht abzubrechen".


Altpapierkorb

+++ Jan Füchtjohann rückt im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (S. 11) vom deutschen Fernsehfilm etwas ab – und feiert das Erlebnis der über nationale Grenzen hinweg "geteilten Gegenwart", ermöglicht durchs Netz: Nicht "kulturelle Dissidenz" und nicht Geiz halte die Rezipienten von online – wenn auch oft illegal – einfach verfügbaren Kulturindustriegütern zusammen. "Stattdessen ist hier eine Kultur entstanden, die die Attraktivität ihrer Güter im Wesentlichen an deren Fähigkeit bemisst, den Zugang zu einer global geteilten Gegenwart zu eröffnen." So entstehe ein Gemeinschaftsgefühl. "Vielleicht ist es nicht das Gemeinschaftsgefühl, von dem Politiker in ihren Sonntagsreden träumen _ aber es existiert. Es verbindet die Internetgeneration von Finnland bis Griechenland mehr miteinander als der Euro, und diese wiederum mehr mit dem Rest des Planeten als alle Themen der Weltpolitik" +++

+++ Mehr deutscher Fernsehfilm: Ebd. (S. 15): Christopher Keils Porträt des "Vielspieler" Vadim Glowna: "Traumschiff und Oscar-Röhler-Kino, Tatorte, Polizeirufe" anlässlich seines 70. Geburtstags. Gowna habe "festgestellt, dass nachts, nach 24 Uhr, gute Filme im Fernsehen laufen" +++

+++ Und noch mehr Fernsehen: "Das Weib des Pharao" (Arte) bespricht der Tagesspiegel +++ Sowie ein Interview mit dem Jury-"Chef" des Deutschen Fernsehpreises, Christoph Keese, bei DWDL +++ Und "Günther Jauch" wird heute rauf- und runterzitiert, allerdings eher von den Experten für Wirtschaft und Politik als von hauptberuflichen Fernsehkritikern – weil die Kanzlerin zu Gast war: sueddeutsche.de, tagesspiegel.de, ksta.de, SPON, welt.de +++

+++ Mehr Internet gibt es auch: Der Tagesspiegel über das Buch zum Zehnten der Wikipedia +++ Die Berliner Zeitung über den Umgang mit dem Tod bei Facebook: "Norbert Fischer, ein Spezialist für Sepulkralkultur, also für Trauer- und Begräbniskultur" sagt da, der Friedhof verliere immer mehr an Bedeutung, "'weil er als separierter Raum von den Stadtzentren nicht mehr den postmodernen Lebenswelten entspricht.' Das Gedenken an Verstorbene verlagere sich immer mehr in virtuelle Räume" +++ Und die Neuerungen bei Facebook thematisiert, aus Datenschutzsicht, die FTD +++

+++ Und über Zeitungen gibt es auch etwas zu sagen: Der Spiegel über den Guardian – "journalistisch erfolgreich, aber ökonomisch ein Fiasko" – und, an dessen Beispiel, über die Idee, Inhalte im Netz trotzdem weiterhin gratis, also eigentlich ja gegen Aufmerksamkeit für Werbung, anzubieten +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag

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