Wer einem katholischen Priester seine Sünden beichtet, kann sich sicher sein, dass das Gesagte niemals an die Öffentlichkeit kommt. Dieses Beichtgeheimnis gilt weltweit und darf unter keinen Umständen gebrochen werden – bisher jedenfalls. Ein neues Gesetz im US-Bundesstaat Washington verpflichtet Priester, Behörden über Missbrauchsfälle zu informieren, auch wenn sie davon im Beichtstuhl erfahren haben.
Dagegen klagen jetzt Erzbischof Paul D. Etienne, die Bischöfe Thomas Daly, Joseph Tyson, Eusebio Elizondo, Frank Schuster und mehrere Priester der drei Diözesen im Bundesstaat Washington.
"Es ist schwer, sich einen dreisteren Angriff auf den Glauben vorzustellen, als den Versuch staatlicher Behörden, das Sakrament der Beichte zu kontrollieren." Das sagt Mark Rienzi, Vorsitzender einer der Anwaltskanzleien, die die Kläger vertreten. "Wir bitten das Gericht, einzuschreiten und zu verhindern, dass der Staat einen Zufluchtsort für die Seele zu einem Instrument der Überwachung macht", führt Rienzi weiter aus.
Das neue Gesetz, das am 27. Juli in Kraft treten soll, droht Priestern bis zu einem Jahr Gefängnis an, sollten sie sich weigern, Missbrauchsfälle zu melden – auch dann, wenn sie diese im Rahmen der Beichte erfahren haben. Nach katholischem Kirchenrecht wird ein Priester exkommuniziert, wenn er das Beichtgeheimnis bricht. Exkommunikation bedeutet den Ausschluss von den Sakramenten und dem kirchlichen Leben. Gleichzeitig sieht das Gesetz vor, dass beispielsweise Ärzte oder Ehepartner weiterhin nicht zur Aussage gezwungen werden können, wenn ihnen ähnliche Informationen anvertraut wurden.
Bedeutung der Beichte im katholischen Glauben
"Die Beichte bietet Gläubigen einen vertraulichen Ort, um Gottes Gnade und Führung zu suchen. Dieses Vertrauen ist heilig, und jedes Gericht, das versucht, es zu gefährden, riskiert, Menschen davon abzuhalten, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und moralische Orientierung zu suchen", sagt Jean Hill, Vorsitzende der Washington State Catholic Conference, einer Organisation zur Vernetzung der Diözesen in Washington.
Das Gesetz greife das durch den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung geschützte Recht auf Religionsfreiheit an, ergänzt Hiram Sasser, Anwalt einer landesweit tätigen Kanzlei, die sich auf den Schutz religiöser Freiheit spezialisiert hat. "Jahrhundertelang waren katholische Priester bereit, für dieses Versprechen lieber als Märtyrer zu sterben. Einige Politiker in Washington werden sie nicht dazu bringen, dieses Versprechen zu brechen. Außerdem sind sie durch die Verfassung geschützt", so Sasser.
Auch mehrere andere bekannte katholische Geistliche in den USA, darunter Fr. Mike Schmitz, Fr. David Michael Moses und Bischof Robert Barron von Winona-Rochester, äußerten sich kritisch gegenüber den Plänen der Regierung von Washington, als diese bekannt wurden.
Ziel des Gesetzes: Schutz vor Missbrauch
Mit dem neuen Gesetz möchte die Regierung von Washington insbesondere sexuellen Missbrauch verhindern und es erleichtern, Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Beteiligten stellen allerdings infrage, ob das Gesetz diesen Zweck tatsächlich erfüllen kann. Einerseits müssten Beichtende künftig damit rechnen, dass ihre Aussagen nicht mehr vollständig geschützt sind. Andererseits könnte es zu Fehlentwicklungen kommen, etwa wenn Aussagen in der Beichte zur Belastung Dritter führen.
Unklar ist auch, wie mit der Beweispflicht umgegangen werden soll, wenn der Inhalt einer Beichte in ein Gerichtsverfahren einfließt. Zudem stellt sich die Frage, ob das Gesetz in der Praxis tatsächlich angewendet werden kann, ohne die Rechte der Geistlichen massiv zu beschneiden.
Insgesamt wird befürchtet, dass Gläubige aus Sorge vor einer Weitergabe ihrer Aussagen künftig auf die Beichte verzichten könnten. Damit würden sie sich auch dem Einfluss der Seelsorger entziehen, die in der Vergangenheit häufig dazu beigetragen haben, dass sich Täter selbst angezeigt haben.
Gleichzeitig ist es selbstverständlich notwendig, dass Straftäter zur Rechenschaft gezogen werden und die Gesellschaft vor weiteren Taten geschützt wird. So begrüßen Kinderschutzorganisationen das Gesetz als längst überfälligen Schritt zur Prävention sexuellen Missbrauchs. Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche ist in den USA ein weiterhin sensibles Thema. Einige Diözesen kooperieren umfassend mit den Behörden, während andere sich einer vollständigen Aufklärung bislang verweigern.
Nach den ersten Urteilen zu Schadensersatz für Missbrauchsopfer kam es in mehreren Ländern erstmals dazu, dass katholische Diözesen Insolvenz anmelden mussten, weil sie die Entschädigungssummen nicht aufbringen konnten. Das erschwert in manchen Regionen bis heute eine konsequente Aufklärung.
Auch in Ländern wie Kanada und Frankreich wurden ähnliche Gesetzesinitiativen diskutiert oder bereits umgesetzt. Ob sie den gewünschten Erfolg bringen, lässt sich derzeit noch nicht abschließend sagen. Eine Entscheidung über die eingereichte Klage gegen das Gesetz in Washington wird für diesen Sommer erwartet.