Programmvorratsvolumen!

Programmvorratsvolumen!

Die Degeto macht weniger Filme, da ist das Wehklagen natürlich groß, die politischen Magazine im Fernsehen schmieren ab, und bei den Verlagen ist im Grunde alles wie immer, nur diesmal total anders

Es geht heute um Penunzen. Asche, Kohlen, Huhns, Flocken, Möhren, Kröten, Knete, Moneten, Heu, Schotter, Peseten, Schillingi, Dolares, Euronen, Mücken, Mäuse, Zaster, Scheine, oder wie man es in Verlegerkreisen auch nennt: die Zukunft einer ganzen Branche.

Geld brauchen natürlich alle, nee, is klar, aber gerade ist ja wieder mal für nichts keines da, wie man sieht, wenn man sich – "och menno, wir leben in einer Neidgesellschaft" (FDP) – Fotos von der BDZV-Orgie reinpfeift.

Oder wenn man die Zeitungen liest.

Geld hat demnach nicht: die Degeto – das ist, für alle, die sich aus welchen kaum nachvollziehbaren Gründen auch immer nicht für sie interessieren, die zentrale Produktions- und Programmeinkaufsstelle der ARD. Die Firma also, die zum Beispiel die tollen ARD-Filme am Freitagabend auf ihre Kappe zu nehmen hat. Oder Filme wie "die Wallander-, die Pfarrer-Braun- und die Donna-Leon-Krimis sowie 'Die Flucht' mit Maria Furtwängler, demnächst 'Die Laconia' und in der kommenden Woche der Zweiteiler 'Der Mann mit dem Fagott' über Sänger Udo Jürgens" (Spiegel OnlineFoto des letztgenannten: dpa). Und die Pressemitteilungen schreiben kann, dass wegen poetischer Überreizung regelrecht der Hund in der Pfanne, also nichtwahr... Hier ein Best-of der jüngsten Veröffentlichung:

- "2010 und 2011 ihr Engagement sowohl im Lizenzerwerb als auch in der Produktion intensiviert"
- "Programmvorratsvolumen für die Jahre 2012 und 2013"
- "angesichts perspektivisch verringerter finanzieller Rahmenvorgaben und der Übernahme zusätzlicher Aufgaben zunächst im Programm"
- "Produktionsrückgang"
- "Ab 2014 hofft man auf einen Anstieg der Produktionsaufträge"

Auf deutsch: Hey Leude, wir machen erstmal weniger Filme – was am Dienstag ja schon die Süddeutsche flächig andeutete (siehe Altpapierkorb von gestern).

Und wenn die Degeto weniger Filme macht, dann ist das Wehklagen natürlich groß. Ist es allerdings tatsächlich, weil erstens: ja schon genügend Filme da sind, die nun nur noch gezeigt werden müssen, zweitens, weil das am Ende noch die falschen ausbaden müssen, sowie drittens, weil das jenes Budget betrifft, mit dem, so die FAZ,

"die neue Degeto-Geschäftsführerin Bettina Reitz, die als hochangesehene Fernsehspielchefin vom Bayerischen Rundfunk kam, neue und vor allem qualitätsvolle Akzente setzen wollte und sollte. Was sie nun auch auf das Jahr 2014 verschieben kann."

Was macht man da am besten? Prüfen. Die SZ:

"Verantwortlich für die Überproduktion ist der langjährige Degeto-Geschäftsführer Hans-Wolfgang Jurgan" (Foto oben rechts, neben Udo Jürgens). "Am Montag vergangener Woche beschlossen die ARD-Intendanten auf ihrer Sitzung in Potsdam, dass Jurgan sämtliche Verträge, Absprachen und Vereinbarungen, die er mit Produzenten kurz- und mittelfristig getroffen hat, auflisten und seine Auftragsvergabe inhaltlich und finanziell begründen muss. Nach SZ-Informationen hat die Intendantenrunde sich außerdem darauf geeinigt, den Vorgang zusätzlich 'extern' prüfen zu lassen."

Und wo die Stichworte Geld und Öffentlich-Rechtliche in einem Zusammenhang fallen, darf natürlich dieser Tage – zumal der Verlegerkongress (siehe wiederum Altpapier von gestern) noch nachzuhallen gedenkt – auch die beliebte "umstrittene Tagesschau-App" (SZ, S. 15) nicht fehlen, die ja an allem schuld ist, es sei denn, Google ist gerade mal an allem schuld, je nachdem, wie man's halt so braucht.

Aber was ist das? Ist da wirklich... Ja, da ist... Da ist ein lustiger Satz!

"Man kann sich vorstellen, dass Christian Nienhaus, Geschäftsführer der WAZ, in Bezug auf die ARD derzeit eher auf Friedenspolitik programmiert ist",

beginnt die Süddeutsche heute ihren Text über die neueste Volte im Streit zwischen Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen. Und nein – das kann man sich beim besten Willen überhaupt nicht vorstellen! Aber kein Tippfehler! Grund für die Aussage gibt es auch: Man könne sich das wegen seines "WDR-kritischen Interviews" vorstellen, nach dem Nienhaus "zurückrudern" musste, so die SZ. Der WDR hatte möglicherweise doch kein Schutzgeld von Politikern erpresst oder so was in der Art, nee, aber hätte ja sein können.

Also, und was sagte Nienhaus konkret in der Diskussion mit einer Personifikation der ARD?

"Wir müssen uns auf die Aufgabenverteilung konzentrieren, die wir früher hatten. Wir hatten ja eigentlich nie Streit miteinander."

Was völlig korrekt ist – außer in den Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern und Nullern gab es eigentlich bislang beinahe nie Streit zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern, Auseinandersetzungen, die weit zurückliegen, mal außen vorgelassen. Und was die Verleger sonst noch so an Erkenntnissen mitnahmen, steht in der Berliner Zeitung:

"Am Dienstag nahmen sich die Verleger selbst ins Gebet und verordneten sich vor allem: Selbstbewusstsein. Ob es der Sache allerdings dienlich ist, die Schuld für den eigenen Pessimismus bei jenen zu suchen, die über sie schreiben, ist fraglich; und ob, wie von einigen gefordert, die Lösung darin zu finden ist, Journalisten mit "aggressiver Eigen-PR" und durch Verschweigen von Fakten zu beeinflussen, ist erst recht zweifelhaft. Zielführender erscheint der Vorschlag, die Vorteile des Werbeträgers Zeitung herauszustellen" –

was tatsächlich nach einer Bombenidee klingt: Geld durch Anzeigen. Nur, wie kommt man da ran? "Eine zentrale Organisation muss (...) her, eine mit einem klar zu benennenden Ansprechpartner." Zum Beispiel, wenn wir das recht verstehen, um "zu den Marketingchefs großer Markenartikler" vorzudringen oder um "von 300 Verlagen die Konditionen bei jeweils unterschiedlichen Platzierungen, Formaten und Preisen aufzulisten".

[listbox:title=Artikel des Tages[Im Ermüdungsbecken (TSP)##Eine zentrale Stelle muss her (BLZ)##Ashton Kutcher debüttiert (FAZ)]]

Eine gute Nachricht immerhin gibt es: Die Degeto hat vielleicht kein Geld. Und die Verlage haben auch immer zu wenig Geld. Aber die taz, die hat Geld.

Okay, ist ja alles immer relativ, die taz hat Umsatz und Gewinn gesteigert, wie am Wochenende mitgeteilt wurde, was nun Silke Burmester, die dort frei beschäftigte Kriegsreporterin, die wie immer mittwochs auf der taz-Medienseite von der Medienfront berichtet, aber zu neuen Umverteilungskämpfen anregt:

"Hättet (...) ruhig mal anrufen können. Oder ne E-Card schicken: 'We’ve made it! Actually you have made it our dear freelance journalist, ohne den wir nur eine Hand voll Kiffer wären, die täglich vor leeren Seiten sitzen. Ein Haus voll Grün- und Piratenwähler, damit beschäftigt, das Kreuzworträtsel auszutüfteln.'"


Altpapierkorb

+++ Ach o wehchen, noch mehr Sorgen: Den politischen Magazinen der Öffentlich-Rechtlichen "geht es schlecht" (Tagesspiegel), quoten- wie sendeplatztechnisch. Eine Erklärung klingt auch an: "Nicht wenige Magazinausgaben erinnern im Erregermodus bei Moderation und Präsentation an jene Sekten, die just für ein bestimmtes Datum den Weltuntergang prognostizieren und dann, wenn die Sonne unvorhergesehen wieder aufsteigt, unverdrossen ein neues Datum setzen. Nicht anders arbeiten die Magazineure. Einstweilen das Publikum längst im Ermüdungsbecken liegt" +++

+++ Und noch mehr Zukunftspläne, diesmal seitens des Privatfernsehens: "Gerade erst hat die Bundesregierung den Zeitungsverlegern Bereitschaft signalisiert, die aus der Vor-Internet-Ära stammende Pressefusionskontrolle an die geänderten Realitäten anzupassen", behauptet der Tagesspiegel, "da werden ähnliche Überlegungen aus dem Fernsehbereich laut. Wie die 'Funk-Korrespondenz' in der Ausgabe 36/2011 schreibt, drängt die RTL-Mediengruppe auf eine Anpassung des Medienkonzentrationsrechts" +++ Der Deutsche Journalisten-Verband "erneuerte" seine "ablehnende Haltung" gegenüber einer Lockerung der Pressefusionskontrolle" – etwa weil "Fusionen in der Regel auch mit einem Stellenabbau verbunden sind" (DWDL) +++

+++ Murdochia: Der beliebte Tycoon soll "der Familie der im Sommer 2002 ermordeten 13-jährigen Milly Dowler drei Millionen Pfund an Entschädigung für illegale Hackangriffe auf das Handy angeboten haben" (TSP) +++ Aus aller Welt: Chinesischer Skandalrechercheur wurde ermordet (FAZ) +++ Ein "Klima der Angst" macht die taz im tazzwei-Aufmacher unter Journalisten in der Türkei aus +++

+++ Im Fernsehen: "Vom Ende der Liebe" (ARD, 20.15 Uhr) loben etwa evangelisch.de, die Berliner Zeitung, die FAZ und die SZ +++ Und erstaunlich viel Raum nimmt auch das Debüt von Ashton Kutcher bei "Two and a Half Men" ein – Medienseitenaufmacher der SZ, der FAZ und des Tagesspiegels +++ Von "Extra 3" und dem neuen Moderator der NDR-Satiresendung berichtet die taz +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Donnerstag.

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