Und dann kam Ken

Und dann kam Ken

Was haben Ken und Berlusconi mit dem Zustand der Republik zu tun? Manipulieren Medien? Darf das Verteidigungsministerium exklusiv in Bild werben? Und wie erklärt der Spiegel seine drei Guttenberg-Titelbilder?

Die Guttenbergs als Ken und Barbie, war das nicht brillant, vor zwei Wochen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung? Volker Zastrow gewährt in der aktuellen Ausgabe nun einen kleinen Blick hinter die Kulissen und beantwortet nebenbei die Eingangsfrage. Die Szene, die er zunächst beschreibt, spielt im Spielzeugladen:

"Barbies gab es reichlich, aber ich fand nur zwei Kens. Der eine war blond (...), der andere, immerhin, trug einen Smoking und rosa Fliege. Wir taten aber anderweitig noch zwei alte Kens auf, nackt, ohne Geschlechtsteile, FSK 12, und mit Plastik-Waschbrettbäuchen. Der Kopf des einen passte besser zu Guttenberg. Den galt es also mit dem Smoking vom Ken aus dem Spielzeugland zu kombinieren – was Art-Director Peter Breul und mich auf die brillante Idee brachte, den Kens die Köpfe abzuschrauben und sie auszutauschen." (Fettung nicht im Original)

Also: Journalistenpreis-Jurys, hört auf zu tagen – es ist entschieden. Zumal nebenbei, wenn auch klicktechnisch wohl weniger interessant, nicht nur das Bild Kens für Guttenberg stimmig ist, sondern sogar noch auf der nächsten Ebene auch das Bild, "wie Ken den Kopf verlor" (so auch die Unterzeile des zweiseitigen Textes auf Seite 2 und 3 der FAS, und siehe Screenshot von FAZ.net):

"Die Köpfe saßen unglaublich fest, ich weiß noch, wie entkräftet ich war, als ich ihn meinem Ken endlich abgerissen hatte. Aber ich wusste noch nicht, dass es ein Menetekel für die 'gnadenlose Hetzjagd' sein würde, die wir in den Augen einiger Leser auf Guttenberg demnächst machen würden."

Es soll aber gar nicht ironisch klingen: Zastrows Text ist unbedingt hervorhebenswert.

Von Steve Jobs kommt er zum Quellenschutz ("beim Umgang von Politikern mit Medien ist üble Nachrede oft im Spiel. Man kann andere von hinten beschießen, und die Journalisten bilden die Hecke. Weil sie sonst ihre Quelle verlieren"), von Politikertypen wie Guttenberg ruckzuck zu Ursula von der Leyen, von Guttenberg zu Charlie Sheen, und am Ende geht es um düstere Aussichten: "Falls er", also Guttenberg, "zurückkehren will, vielleicht zusammen mit Sarrazin (...), hätte er sicher sehr gute Erfolgsaussichten. Der Union könnten die beiden das Kreuz brechen, und einen mächtigen Medienkonzern hätten sie auch schon auf ihrer Seite."

Wozu Hans Leyendecker zu zitieren wäre:

"Der Fall Guttenberg steht (...) nicht für den alten Hofjournalismus mit den vielen Schranzen, sondern für die postmoderne Mediendemokratie mit dem üblichen Mainstream und den Moden und Stimmungen, die den heutigen Politbetrieb durchdringen und manchmal sogar beherrschen",

schrieb er am Samstag in der Süddeutschen Zeitung, in der er sich mit der Frage nach der Macht der Journalisten beschäftigte – und bemüht war, die Blicke auf die Macht speziell von Bild, aber auch aller anderen Medien zu erden:

"Als Bild noch weit mehr Auflage als heute hatte, kämpfte das Blatt gegen die Ostverträge der damaligen sozialliberalen Koalition – erfolglos. 'Bild dir meine Meinung' hat im politischen Betrieb noch nie funktioniert."

Während Georg Seeßlen im Freitag* sich die Frage, ob nun Bild eine Meinung bilden wollte oder der Minister Bild mitzog, gar nicht mehr stellt:

"Berlusconismus ist nicht allein die Herrschaft von postdemokratischen Leicht-Diktatoren mit Hilfe der Medien, sondern auch die Herrschaft der Unterhaltungsindustrie über Regierung und Staat. Ob der berlusconistische Politiker dann die 'Marionette' von Kapital und Entertainment ist oder ein Subjekt der neuen Herrschaftsform, ist kaum noch von Bedeutung. Ob Guttenberg durch Bild oder Bild durch Guttenberg herrscht, ob Guttenberg eine Vorahnung oder schon die Idealbesetzung ist – fest zu stehen scheint: Die Geschichte der zweiten deutschen Republik, ihrer Institutionen, Werte und ihres, nun ja, Geistes geht zu Ende."

Falls die vorliegenden Deutungen dereinst als valide und plausibel gelten werden, geht sie damit zu Ende, dass Ken seinen Kopf verlor.

[listbox:title=Artikel des Tages[Wie Ken den Kopf verlor (FAS)##Berlusconismus (Freitag)##Die Welt der Rhetorik (taz zum Cyberwar)]]

Man kann freilich nicht Guttenberg und Bild sagen, ohne den Spiegel zu erwähnen, der vergangene Woche gegen Bild steil ging (siehe Altpapier). Hans Leyendecker erwähnt in der SZ seine alten Kollegen dafür zunächst einmal noch tendenziell lobend:

"Der Spiegel hat in dieser Woche der Bild-Zeitung eine kritische Titelgeschichte gewidmet, was lobenswert war, weil es in diesem Gewerbe keine Kumpaneien geben darf, aber ein bisschen wurde die Bedeutung von Bild auch übertrieben."

Harald Staun in der FAS, trendy wie gewohnt, fragt dagegen nach der richtigen Methode, Bild zu begegnen und schließt nach abwägendem Vorgang:

"Nein, es ist sicher kein besonders effektives Mittel, sich auf so einen Boxkampf einzulassen; die Gefahr aber ist, dass sich jede journalistisch oder taktisch gebotene Zurückhaltung nicht immer von Kapitulation unterscheiden lässt."

Und was die Spiegel-Berichterstattung selbst betrifft: Zum einen wäre zu erwähnen, dass FAZ.net und Spiegel jeweils eine kleine Bilderserie zeigen, in der man Angela Merkel sieht, wie sie die SMS, in der sie über Guttenbergs Rücktritt informiert werde, ihrer Parteifreundin Annette Schavan zeigt. Allerdings sieht Merkel bei FAZ.net (eingebunden in den oben verlinkten Zastrow-Text) nicht total unglücklich aus, im Spiegel dagegen wie eine Politikerin, die gerade dringend die Fassade wahren muss (S. 21).

Zum anderen schreibt der Spiegel im Zusammenhang mit Bundestagspräsident Norbert Lammerts Zitat zur Causa Guttenberg vom "Sargnagel der Demokratie": "In diesem Zusammenhang werden häufig auch die Medien kritisiert. Sie hätten Guttenberg erst in den Himmel gehoben und dann abstürzen lassen" (S. 24). Zur Veranschaulichung der Kritik nimmt das Autorenkollektiv die drei eigenen Guttenberg-Titel ("Der Entzauberte", "Die fabelhaften Guttenbergs", "Das Märchen vom ehrlichen Karl"), was ebenfalls erst einmal lobend erwähnt werden muss, und schreibt dann:

"Das Bild, das sich vordergründig ergibt, entspricht einem häufigen Vorwurf an die Medien insgesamt: Erst schreibt ihr ihn runter, dann schreibt ihr ihn rauf. Aber das ist kein Automatismus. Die Anlässe lieferte Guttenberg jeweils selbst, durch gutes oder schlechtes Handeln, und dann beschrieben und bewerteten ihn die Medien in der jeweiligen Situation. Und je nachdem, was er gemacht hatte, änderte sich das Bild."

Das muss man aber vielleicht keine übertrieben vielschichtige Analyse nennen.

*für den ich derzeit arbeite


Altpapierkorb

+++ Bundeswehr: Die taz will verhindern, dass das Bundesverteidigungsministerium wie geplant vorrangig in Bild, BamS und auf bild.de um junge Soldaten wirbt, so AFP (via kress.de). Sie habe dem Ministerium ein Unterlassungsbegehren zugesandt, in dem es aufgefordert wird, "diese begrenzte Werbung zu unterlassen" +++ U.a. die FAZ und die SZ berichten heute, das Verteidigungsministerium habe die Kritik zurückgewiesen, die Entscheidung für die Werbepartner habe die beauftragte Agentur getroffen. Na dann +++

+++ Deutsche Journalisten sind in China festgenommen worden, etwa der Stern-Korrespondent (siehe etwa taz (S. 17), Frankfurter Rundschau und FAZ, S. 29), der mittlerweile wieder frei ist +++ Der Spiegel (S. 143) über Hintergründe von Chinas Vorgehen gegen westliche Reporter +++

+++ Sportjournalismus, alte Ulknudel: FC-Bayern-Trainer Louis van Gaal muss also gehen, ja? Was sagt uns das über ohne Not angefertigte Fehlprognosen? +++ ZDF-Sportreporter Boris Büchler ist Thema der Teletext-Rubrik der FAS: "Merkwürdig, wie Fachkompetenz im Sportfernsehen verteilt ist, nämlich offenbar umgekehrt proportional zur Beliebtheit der Disziplin: Je mehr Leute zuschauen, desto intensiver darf man sie mit Banalitäten quälen" +++

+++ Wohl im Kontext mit der Plagiatsaufregung steht das Spiegel-Interviewchen mit Mario Barth (S. 139). Also: Barth benutzt eine Pointe von Oliver Kalkofe und Dietmar Wischmeyer, lässt sie sich als Marke eintragen und hat "jetzt" einen T-Shirt-Fabrikanten abgemahnt, der den Spruch auf T-Shirts gedruckt hatte. Sehr witzig +++ Und nochn Fall: "In der Wissenschaft ist es nicht unüblich, dass zwei Autoren dasselbe Thema bearbeiten. Aber es widerspricht den Vorschriften, nahezu identische Werke abzugeben." (Spiegel, S. 35) An der Universität Freiburg soll eine Arbeit als Doktorarbeit und in sehr ähnlicher Form vom späteren Leiter der Universitätsklinik als Habilitationsschrift eingereicht worden sein +++

+++ Fernsehen: Die SZ interviewt Andreas Bartl, Fernsehvorstand von ProSiebenSat.1 +++ Tatorte: Der NDR braucht einen neuen "Tatort"-Kommissar – Mehmet Kurtulus geht (Spiegel, S. 139) +++ Die taz mit einem Hintergrundinterview zum angeblich bevorstehenden Internetkrieg und zur Bezeichnung des Internets als Tatort: "Das sind eher Slogans aus der Welt der Rhetorik" – womit wir, Stichwort Tatort Internet, auch irgendwie wieder bei Barbie und Ken wären +++

+++ Die Maus wird 40 – man gratuliert, namentlich etwa DWDL und KSTA sowie am Wochenende schon die taz +++Der Tagesspiegel glossiert das auch in der SZ (S. 15) und v.a. zunächst im Spiegel gewürdigte Boxgeschehen – die ARD verlängert für 54 Millionen Euro bis 2015 die Übertragungsverträge – im Zusammenhang mit dem in Übertragungen integrierten "Wort zum Sonntag" +++ Ebd.: Ein Besuch bei der arabischen Redaktion der Deutschen Welle in Bonn +++

+++ Und last but usw.: Die FAZ dreht die Spiegel-Geschichte, derzufolge AWD-Gründer Carsten Maschmeyer für die Vermarktung der Memoiren von Gerhard Schröder eine Million Euro bezahlt hat, weiter: "Nicht ganz unsensationell ist auch, dass der 'Spiegel' für den Vorabdruck von Schröders Memoiren Branchengerüchten nach 50 000 Euro bezahlt haben soll" +++

Das Altpapier gibt es am Dienstag wieder.

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