Grenzgang am Tellerrand

Grenzgang am Tellerrand

Die Abschiede nehmen kein Ende und zur Abwechslung reden wir erst später vom Dschnungelcamp: Fritz Raff ist gestorben

"Die ARD und die gesamte Medienrepublik haben einen ihrer ganz Großen verloren."

Schreibt Michael Hanfeld in der FAZ zum Tod von des einstigen SR-Intendanten und ARD-Vorsitzenden Fritz Raff am Donnerstag im Alter von 62 Jahren. Das mag, aus Hanfelds Munde, etwas verwunderlich klingen.

Aber erstens trägt man seine Scharmützel naturgemäß nicht in Nachrufen aus. Und zweitens entsteht, bei allem in Nachrufen üblichen Anstand, aus den Würdigungen das Bild eines sympathischen Mannes.

So lobt Hanfeld – vermutlich aus eigener Erfahrung – die Moderationsfähigkeit von Raff:

"Dabei wusste er zwischen der Sache und dem Persönlichem zu unterscheiden, auch dem schärfsten Kritiker konnte er innerlich verbunden sein."

Darüber hinaus treten vor allem zwei Details von Raffs Persönlichkeit hervor: Genussfähigkeit und Humor.

"Wer zu ihm in den ersten Stock stiefelte, dem stieg zunächst einmal Wohlgeruch in die Nase, im Parterre residiert ein Restaurant. Die Küche ist vorzüglich, davon durften sich Raffs Besucher überzeugen."

Heißt es in der FAZ. Während sich Christopher Keil in der SZ erinnert:

"Er war zwar Schwabe, mochte aber die frankophile Lebensart und bewirtete Gäste großzügig."

Joachim Huber lobt im Tagesspiegel:

"Die Gefahr, dass der mit Radio Bremen kleinste ARD-Sender als Folge des halbierten Finanzausgleichs aus der ARD-Kasse seine Eigenständigkeit verlieren werden könnte, ist er mit aller Kraft, mit seiner Persönlichkeit aus Heiterkeit und Hintersinn entgegengetreten."

Ralf Mielke eröffnet seinen Text in der Berliner wie folgt:

"Manchmal hörte sich Fritz Raff ein wenig an wie Harald Schmidt, wenn der mal wieder die Mundart seiner Heimat Schwaben persiflierte. Ein bisschen sonorer vielleicht und nicht ganz so vernuschelt, aber irgendwie gemütlich und lebensfroh."

Um weiter unten zu ergänzen:

"Das Image der ARD war arg beschädigt. Raff polierte es mit harter Arbeit und einer großen Portion Gelassenheit und Humor wieder auf."

Beides verdankte sich womöglich auch dem Umstand, dass Raff sich nicht ausdauernd in der ARD hochgedient hatte, sondern auch mal Oberbürgermeister von Mosbach war. Oder wie Michael Hanfeld in einem gewagten Bild formuliert:

"Ein Grenzgänger, der über den Tellerrand blickte."

Lebenswerk hin, Verdienste her – es ist vielleicht nicht das schlechteste, wenn man dem Kreis der lieben Kollegen wie Raff in Erinnerung bleibt.

Bei Isabella Neven DuMont, damit zur zweiten Personalie des Tages, ist das mit den Verdiensten so eine Sache. Sie erst 41, könnte man sagen, schwerer lastet in den Texten, die ihren Aufstieg in den Vorstand der Verlagsgruppe DuMont Schauberg kommentieren, aber die Vorgeschichte auf ihr.

Die FTD vermeldet die Übernahme des durch Konstantin Neven DuMonts, äh, Demission freigewordenen Sitzes durch ein Familienmitglied der 12. Generation der beliebten Kölner Verlegerfamilie bezeichnenderweise immer noch unter dem Stichwort "Familienfehde bei DuMont".

Aus den Texten zur Beförderung weht Isabella Neven DuMont nicht unbedingt Euphorie entgegen.

In der TAZ ("Frau Tochter, ab in den Ring!") begnügt sich Thomas Strothjohann mit Nüchternheit:

"Journalistisch hat sie sich zwischen 1993 und 2003 als Chefredakteurin der Pferde-Fachzeitschriften Araber Journals und Pferde heute betätigt."

Einiger Beliebtheit erfreut sich zudem der Umstand, dass Isabella Neven DuMont Chefin eines Hochseilgartens ist. In der SZ (Seite 15) quittiert Marc Felix Serrao diesen Fakt eher mit servicefreundlicher Sachlichkeit:

"Seit 2009 ist sie außerdem geschäftsführende Gesellschafterin eines Kletterparks (im Internet: www.hochseilgarten-k1.de). Die Verlegertochter gilt als angenehm, bodenständig, frei von Attitüden."

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Nachruf auf Fritz Raff (FAZ)##Keine Vorschusslorbeeren für Isabelle DuMont (TAZ)##Peer Kusmagk for Dschungelkönig (stern.de)##NYTimes disst Assange (Berliner)##]]

"Bodenständig" ist in diesem Zusammenhang naturgemäß nicht ohne Witz. Hat sich Sonja Pohlmann im Tagesspiegel auch gedacht und nimmt das Geschäftsfeld metaphorisch deshalb volley:

"Isabella Neven DuMont ist geschäftsführende Gesellschafterin eines Hochseilgartens im Bergischen Land. Trotzdem soll es vermutlich kein Drahtseilakt werden, wenn die 42-Jährige nun zum 1. März in den Vorstand der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg ('Kölner Stadt-Anzeiger', 'Berliner Zeitung') aufrückt."

Angesichts der Kompetenzskepsis gegenüber Isabella stimmt eine weitere Personalie bei Du Mont die Beobachter dann immerhin ein wenig versöhnlich. Die FTD:

"Es wirkt daher wie ein Ausgleich, dass der Altverleger auch Hans Werner Kilz ins Unternehmen holt: Der frühere Chefredakteur des Nachrichtenmagazins 'Spiegel' und der 'Süddeutschen Zeitung' wird Mitglied im Aufsichtsrat des Verlagskonzerns – und bringt jahrzehntelange journalistische Erfahrung mit."

Genderpolitisch bleibt das ein andermal zu erörtern.


Altpapierkorb

+++ Gerd Blank tut das auf stern.de in Sachen Dschungelcamp (unser Bild zeigt die draußen verbliebenen Jacob-Sisters Johanna und Rosi, die nichts von der Rolle Evas wussten) schon jetzt. Sein bemerkenswert emphatischer Text pro Peer Kusmagk endet wie folgt: "Es stimmt, Kusmagk ist sehr nah am Wasser gebaut und vergießt, überwältigt von seinen Gefühlen, die eine oder andere Träne. Aber lieber die Hormonschübe von Peer Kusmagk, als das versprühte Testosteron von Khan und Rupprath." Blanks Text ist zweifellos der liebenswerteste unter den Dschungelcamp-Exegesen des Tages. +++ Der FAS-Musikkritikerin Eleonore Büning bleibt in der FAZ (Seite 35) neben Leos-Janacek-Referenzen und ein wenig eingestandenem Fantum am Ende doch nur die Flucht in die Empörung: "Der Sender will Geld verdienen, Tabubruch bringt Quote. Die Motive der Kandidaten laufen, egal, was sie sich selbst einreden, aufs Gleiche hinaus: Geld, Geld, Geld (fünfstellige Beträge). Dieses Geld stinkt." Thank god, dass die FAZ ihre Gehälter in parfümierten Scheinen auszahlt. +++ Und was denn sonst, wenn nicht Geld: Vielleicht sollte Helmut Schümann im Tagesspiegel das mit dem Kapitalismus nicht nur Rainer Langhans erklären. +++ Die TAZ hat Nadja Alexandra Mayer, die epd-Nachrichtenredakteurin ist und über "populäre Filmformate" promoviert, um Einschätzung gebeten. Dass RTL erst in dieser Staffel "inszenieren" würde, halten wir allerdings für eine etwas gewagte These, und warum immerfort Brecht als Vorbild des Theatermodells herhalten soll, ist ehrlich gesagt auch nicht ganz klar. +++ Bodenlos ist jedoch, was "stern.de-Redakteur Hannes Ross" im Gestus des Bekenntnisses mit seiner Stellungnahme pro Dschungelcamp erklärt – schon weil die Feuilletonbetrachtung der Sendung weit differenzierter ist, als Ross das zum Zwecke billigen Distinktionsgewinns hier darstellt. Immerhin befähigt ein abgebrochenes Geschichtsstudium offenbar noch zur Verachtung der "Unterschicht", die sich tiefgründerweise an Vornamen festmacht. +++ Stefan Niggemeier nimmt das Echo seiner Kritik am falschen Echo wahr. +++

+++ In der FAZ (Seite 39) plaudert Michael Seewald mit dem scheidenden BR-Intendanten Thomas Gruber ("Was sagt Ihnen die Talkeritis im Ersten?"). +++ In England sind beim Pay-TV-Kanal Sky zwei männerwitzelnde Fußballreporter suspendiert worden (SZ, Seite 15). +++ In der Blogosphäre geht's um Keyword-Spamming, das Sascha Pallenberg publik gemacht hat, die TAZ berichtet. +++ Die New York Times disst episch ihre Zusammenarbeit mit Wikileaks (Berliner). +++ Im Tagesspiegel spricht Produzent Nobert Sauer über den Erfolg von "Soko Leipzig". +++ Und in der FR Drehbuchautor und Akademiegründer Jochen Greve höflich über den Brass der Freien auf die Öffentlich-Rechtlichen. +++

Neues Altpapier gibt's Montag wieder ab 9 Uhr.

 

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