Ein schmaler Grat

Ein schmaler Grat

Und darauf wandeln nicht nur Whistleblower, wie ein aktuelles Gerichtsurteil andeutet, sondern auch Sarah Kuttner und Markus Kavka, wenn sie Geschlechterklischees im Fernsehen aufbereiten

Was gibt es Neues? Zunächst einmal die tägliche Dosis DuMont, verabreicht heute, kürzestmöglich, von der FAZ (S. 35): "Falls DuMont den Presserat tatsächlich gegen Springer anruft", was wegen diesem und jenem (siehe Altpapier vom Dienstag) angekündigt ist, "wird es spannend."

Warum? Weil, worauf Michael Hanfeld hinweist, im Beschwerdeausschuss 2 Konstantin Neven DuMont sitzt - und damit "der Stein des Anstoßes".

Die echte DuMont-Überraschungsmeldung des Tages aber kommt erst noch, und zwar jetzt: Ansonsten gibt es praktisch nichts, was es heute zum Thema zu sagen gibt - lässt man die Reaktionen auf das jüngste Bild-Interview Konstantin Neven DuMonts und die Zusammenfassung der ganzen Geschichte durch den britischen Guardian einfach mal großzügig weg.

Schön also, das mal wieder sagen zu können: s'gibt Wichtigeres. Zum Beispiel - eat this, elende Männerbünde der Medienbranche - Genderfragen. Fernsehgerecht aufbereitet.

Wie bereitet man Genderthemen fernsehgerecht auf? Jau: Sarah Kuttner strippt.

Also nicht so richtig. Aber sagt sie jedenfalls, im Doppelinterview, das der Tagesspiegel mit ihr und Markus Kavka geführt hat,

"Frau Kuttner & Herr Kavka" heißt die neue 3sat-Reihe - oder soll man es Mehrteiler nennen? -, in der Kuttner und Kavka, die beide einst beim Musikfernsehen waren und deshalb nach wie vor für ji-ja-junges Fernsehen als tauglich erachtet werden, klären wollen, wie man als Frau und wie man als Mann so rollenmäßig draufkommt.

Michael Hanfeld (wiederum FAZ, S. 35) haben sie allerdings nicht überzeugt:

"Keine der Eskapaden, die 'Frau Kuttner & Herr Kavka' bei 3Sat hinter sich bringen, erhellt heutige Geschlechterbilder oder erklärt, wie es die Sendung sich vornimmt, was 'einen echten Kerl, was eine moderne Frau' heute ausmacht. In 'vollem Klischeebewusstsein' treten die beiden angeblich zu ihrem Parforceritt an, doch treten sie auf der Stelle, kein Erkenntnisgewinn, keine ironische Spiegelung, nirgends."

Auch Diana Aust von der taz findet die Ironie nicht und ist folglich eher mittelmäßig angetan: Sie nennt die Angelegenheit "eine Wiederauferstehung von Heimchen und Macho in vier Akten".

Tja. Eat this, Männer- und Frauenklischees.

Womit wir in einem etwas wilden assoziativen Ritt bei der Freiheit wären, sie trotzdem ausbreiten zu dürfen, vulgo: Pressefreiheit.

"Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat die Forderung seines Bruders Siegfried zurückgewiesen, angesichts der Terrorgefahr die Pressefreiheit einzuschränken. 'Das ist seine private Meinung', sagte er am Mittwoch", schreibt dapd, zitiert die taz, während die SZ die SZ zitiert und schreibt: "Damit ist das Planspiel wohl vom Tisch."

[listbox:title=Artikel des Tages[Kuttner und Kavka im Interview (TSP)##Kuttner und Kavka in der taz-Besprechung##Freispruch für Whistleblower (SZ)]]

Weil die Freiheit, dummes Zeug zu reden, also bleibt: Was geht eigentlich bei Facebook grad so?

Einiges.

Erstens: Claus, na, Strunz, Chefredakteur des, na, Hamburger Abendblatts, hat nun endlich eine eigene Fanpage.

Zweitens: Die Facebook-Alternative Diaspora ist unfertig testweise gestartet. Etwa hier nachzulesen.

Und drittens: Facebook verbot seinen Nutzern vorübergehend die Benutzung des Worts "Lamebook". Neben Zeit Online macht sich nun der Tagesspiegel an die Geschichte über die Facebook-Parodie Lamebook - "Ein harmloses Blog mit zweifelhaftem Humor", so Kai Biermann für zeit.de -, die Facebook nicht gefällt. So wenig, dass sich Facebook sogar in einzelne Kommunikationsstränge seiner User einklinkt und irgendwie, kann man es höflich nennen?, um deren Beendigung ersucht. "Ein fader Zensur-Beigeschmack bleibt", so Sonja Pohlmann im Tagesspiegel.

Und auch Wikileaks ist wieder im Gespräch: Angeblich will die Plattform neue Informationen aus dem US-Außenministerium veröffentlichen (zeit.de via Agenturen): Es geht um "Schriftverkehr über Häftlinge im Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba", und den "Pentagon-Erkenntnissen zufolge koordinieren das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die New York Times und der britische Guardian derzeit eine gemeinsame Veröffentlichung von Berichten über die Dokumente". Da hat das Pentagon seine Nase ja ganz tief drin in der deutschen Presse.

Während in Deutschland selbst, wo die Whistleblower weniger rechtlichen Schutz genießen als etwa in börsenrechtlichen Angelegenheiten in den USA, soeben ein Informant - "Ein ehemaliger leitender Mitarbeiter eines niederbayerischen Maschinenbauers, der Journalisten Informationen über angebliche Missstände in seinem Unternehmen weitergab" (Süddeutsche) - des Vorwurfs des Geheimnisverrats freigesprochen wurde.

Nach Staatsanwaltschaft, Seniorchefin und Edmund Stoiber habe er sich an die Wirtschaftswoche gewandt, die einen Artikel veröffentlichte. Dass sich der Betrugsverdacht des Mitarbeiters letztlich nicht bestätigte, könne ihm nicht vorgeworfen werden, so das Gericht.

Ohne Zweifel ein schmaler Grat, auf dem Whistleblower spazieren gehen. 


Altpapierkorb

+++ Axel Springer mit einem leicht vergifteten Erfolg vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig, dessen Wert sich allerdings nicht einschätzen lässt: Es geht um die verhinderte Fusion mit ProSiebenSat.1 - "die medienrechtliche Unbedenklichkeit einer Übernahme von privaten Fernsehsendern durch Axel Springer" muss "neu geprüft werden", so das Urteil. DPA und SPON fassen zusammen, kurz auch via dpa der Tagesspiegel +++ Für die SZ (S. 17) bedeutet er: "Der Axel-Springer-Verlag muss seine Pläne für den Einstieg ins TV-Geschäft womöglich doch noch nicht vollständig begraben" - die Anteile an ProSiebenSat1 allerdings hat er mittlerweile verkauft +++

+++ Direkter betroffen ist ProSiebenSat.1 von einer anderen Entscheidung: Die Landesmedienanstalten und die Sender der Gruppe haben "einen Vergleich geschlossen im Streit um die Gewinnspielsatzung, die unter anderem die Transparenz von Call-in-Sendungen im Privatfernsehen erhöhen soll" (FAZ u.a.): 9Live, Sat.1, Kabel 1 und Pro Sieben nehmen Einsprüche gegen neun Bußgeldbescheide zurück und zahlen Bußgelder von insgesamt 100 000 Euro. Dafür nehmen die Medienanstalten u.a. zehn Bußgeldbescheide zurück +++

+++ Marvin Oppong, der im Spiegel der vergangenen Woche (noch nicht frei online) über u.a. auffällig ins Bild gerückte Markenware bei Koch Johann Lafer im ZDF schrieb, klagt bei Carta: "Das ZDF erlaubt mir nicht, Screenshots und Tonaufnahmen der Sendung 'Lafer! Lichter! Lecker!' in diesem Blog zu veröffentlichen. Die Dokumente zeigen, wie bestimmte Produkte in der Sendung vorkamen." Vielleicht hätte dem Text im mittelunteren Teil eine Bremse nicht geschadet +++

+++ Der Papst legt einen "Superstart" hin (TSP) +++ Bauer legt eine Supersoufleusse hin (taz über den Grossostreit) +++

+++ Der Kapitän des "Traumschiffs" ist gestorben (u.a. SPON, FAZ, S. 35) +++

+++ Die Deutsche Welle spart und will sich zugleich "neu aufstellen", wie die SZ (S. 17) zitiert: "Die Trennung von Fernsehen, Hörfunk und Internet werde aufgegeben, heißt es, 'regionale Kompetenzzentren' sollen gebildet werden. Blitzschnell will die Welle künftig etwa auf Krisenszenarien reagieren und die 'deutsche Sicht' auf die Dinge verbreiten." Allerdings fehlen der steuerfinanzierten Welle zehn Millionen Euro "allein für 2011": "Nachgedacht wird demnach über ein radikales Rumpfprogramm", was das deutschsprachige Programm aus Deutschland betrifft: "eine Stunde pro Tag, die als Schleife 24 Mal wiederholt werden könnte. So könnten von Ende Januar 2011 an Informationen aus der deutschen Heimat gebündelt werden. Bisher war die Sendeschleife doppelt so lang, ergänzt wurde sie durch spezielle Sendeplätze zu Kultur, Religion, Buchtipps." +++

+++ 40 Jahre "Tatort" - wir werden noch davon hören. ASm Sonntag gibt Ulrich Tukur seinen Einstand als Kommissar (KSTA). Und heute schon mal: ein ganzseitiges "Tatort-"Quiz auf der Medienseite der Berliner Zeitung, bei dem man "einen Besuch bei den 'Tatort'-Kommissaren des RBB gewinnen" kann +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Freitag um 9 Uhr.

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