Til Schweiger von hinten

Til Schweiger von hinten

Alles drin heute: Witze, fancy Technik beim SZ-Magazin, Kritik an Bertelsmann sowie kluge Gedanken über Daniela Katzenberger und Google Street View.

Es ist nicht leicht, aber den Humor sollte man auch nicht verlieren. Nach einer langen Woche mit Google Street View liest man Michael Hanfelds superwitzige Glosse in der FAZ deshalb besonders gern:

"Die Fans von Borussia Dortmund, die im Internet die Seite schwatzgelb.de betreiben, sind auf eine geniale Idee gekommen. Sie machen uns vor, wie man Google Street View lahmlegt. Dafür braucht es kein Gesetz, Wehklagen über den Zugriff der Datenkrake ist fehl am Platz."

Die subversiven Borussen-Fans wollen nun, man kann es sich ja fast schon denken, das Fußballstadion ihres Erzrivalen Schalke 04 in Gelsenkirchen verpixeln lassen. Das würde die Schalke-Fans bestimmt ganz schön ärgern. Hanfeld, dem es nicht so sehr um Fußball geht, entwickelt diesen Grundgedanken weiter:

"Man muss nur abmelden. Nicht nur das eigene, kleine Häuschen, sondern den Prunkbau des Nachbarn gleich mit. Oder kommunale Bausünden. Was fiele uns da nicht ein? Der Stuttgarter Bahnhof, das Technische Rathaus (wird zum Glück abgerissen) und das monströse Kaufhaus „MyZeil“ in Frankfurt, der Alexanderplatz in Berlin, die Innenstadt im westfälischen Marl (wo die Fernsehpreise vergeben werden). Eine Kollegin schlägt Castrop-Rauxel und sämtliche H&M-Läden der Republik vor, wir nehmen McDonald’s auch mit. Die Liste wird länger. Das Gebot der Stunde lautet also: abmelden, massenhaft!"

"McDonald's auch noch mit" – das ist doch echt mal eine etwas andere Weise, sich mit dem komplexen und emotionalen Thema Google Street View zu befassen. Und mit einem Augenzwinkern wird hier gezeigt, wie man durch einen Trick dann auch noch Google ein Schnippchen schlagen kann, statt immer nur darüber zu jammern.

Dagegen scheinen Till Krause und Mark Baumann vom SZ-Magazin ernstere Zeitgenossen zu sein. Sie präsentieren das neue Heft, das mit einem Smartphone und der entsprechenden App fancy Augmented Reality performt. Auf dem Erklärfilm muss der schwierige Grat zwischen Bedienungsanleitung und Nicht-zu-viel-Verraten beschritten werden, weshalb Baumann bei den Denkblasen von Lena während des Fotoshootings ohne Augenzwinkern:

"Wir wollen nicht alle verraten an dieser Stelle."

Krause dagegen verrät schon mal einen Witz, der so erzählt irgendwie etwas schal daherkommt: Mit dem Handy kann man sehen, "warum die Bauern gegen Olympia sind, weil sie denken, dann wird ihre Wiese und ihr Feld zu einem Parkplatz." Und dann sieht man das.

Aber die Effekte sind sehr schön. Der Tagesspiegel erklärt derweil, wo die Faltzeichen bei Word 2010 zu finden sind.

Dem Daniela-Katzenberger-Effekt widmet sich, und damit endlich zum seriösen Part, Bernd Gäbler in seiner Stern-Kolumne. Die 23-jährige Ludwigshafenerin hat es über eine Vox-Auswanderer-Soap zum Darling des Betriebes geschafft, moderiert nun selbst, nimmt Samantha-Fox-Cover auf und betreibt ein Café auf Mallorca. So ganz haben wir Gäblers Analyse zwar noch nicht durchdrungen –

"Ihr Motto: 'Sei schlau. Stell' dich dumm' thematisiert die vermeintliche Überlegenheit der Figur, die gegenüber der Medienmaschine, die sie schuf, doch immer Subjekt bleibt und nicht zum Objekt wird... Die Medienmaschine selbst funktioniert heute nur noch mit der scheinbar offenen Zurschaustellung des manipulativen Handwerks und der ambivalenten Funktion der Medien, künstliche Welten zu schaffen und sie zu durchschauen"

–, aber dass die junge Frau, die alle vulgärgesellschaftlichen Anforderungen von Körperoptimierung befolgt (Haarentfernung, Sonnenstudio, Brustvergrößerung) und für ihre "Natürlichkeit" geliebt wird, ein Faszinosum ist, steht außer Frage.

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Der Daniela-Katzenberger-Effekt (stern.de)##Die Verlängerung der Fotografie (SZ)##Kein analoges Leben im Digitalen (Carta)##Studieren mit Bertelsmann (Berliner)##]]

Für die Effekte, die – sind noch mal kurz zurück – Google Street View auf das Urheberrecht haben wird, interessiert sich Ulrich Poll in der Außenansicht auf Seite 2 der SZ. Er zieht eine Linie von der Fotografie bis now und beyond:

"In zwei oder drei Jahren wird Street-View zu den Lieblingsseiten vieler Internetnutzer gehören - so wie jetzt schon Google Earth, gegen das interessanterweise noch niemand protestiert hat."

Um die Effekte von GSV (kürzt man das so ab?) aufs analoge Life, kümmert sich Michael Seemann auf Carta in einem instruktiven Text.

"Wenn alle Kommunikation über die Welt in das Internet auswandert, dann wird sich früher oder später die ganze Welt im Internet repräsentiert finden. Wir ahnen das schon lange, aber für viele kommt es überraschend. Street View ist genau der Dienst, der dieses Versprechen – bzw. diese Drohung – nun auch dem Letzten vor Augen führt."

So leicht ist das mit dem Abmelden wohl doch nicht.


Altpapierkorb

+++ Die ganz hohe Schule: Susanne Schneider, die sich vor langer Zeit einmal für das Leben beworben hat, für das Sandra Maischberger dann genommen wird, führt im SZ-Magazin ein Interview mit dieser und zieht das zugleich in Frage: "Frau Maischberger, Sie führen seit 25 Jahren hauptberuflich Interviews, Sie haben Interviewtechnik an der Deutschen Journalistenschule gelehrt: Wie muss eine gute erste Frage lauten? – Sie soll den Ton festlegen, in dem das Gespräch geführt wird, den Gesprächspartner interessieren und die Zuschauer oder Leser neugierig machen." Was das ganze Professionalitätsgehubere etwas trübt: Wieso führt man ein Interview mit jemandem, der von sich selber sagt, langweilig zu sein? Immerhin ist Sandra Maischberger gelassen. +++ Wie Frank Plasberg, die SZ blick zurück auf 100 Sendungen "Hart, aber fair" in der ARD. +++

+++ Thomas Schuler entführt uns in die Welt der Bertelsmanns aka Mohns. In der BerlinerFR erfahren wir Wissenswertes über die Promotion von Brigitte Mohn, Tochter von Liz und Reinhard, an der von Bertelsmann unterstützten Uni Witten/Herdecke. +++ Im FAZ-Fernsehblog liest Stefan Niggemeier, dass RTL2 durchaus weiß, dass sein Programm nicht durchweg höchsten Ansprüchen genügt. +++ Nur Spaßvögel würden sagen: Das ist ja genauso überraschend, wie wenn sich herausstellen würde, dass Rupert Murdoch ein Konservativer ist. Das hat es sich durch eine 1-Millionen-Dollar-Spende gerade, Steffen Grimberg in der TAZ kann es auch kaum fassen, wobei unsere Lieblingsstelle im Text lautet, Murdoch sei Euroskeptiker. Ist er das als born Australier oder Business-Brite? Und wo wäre der Unterschied? +++ Zum Gruseln sind die Leute, die man unterstützt, wenn man in Amerika Konservativer ist. Den Fall von Laura Schlessinger, die sich äußerst feinfühlig mit Rassismen hervorgetan hat, erzählt Sueddeutsche.de noch mal. Es ist alles so traurig. +++

+++ Viel Fernsehen. Peer Schader erklärt den Stand der Dinge bei Vox und RTL, die jetzt in einem Haus sitzen (FAZ, Seite 33). +++ Hans Hoff entfaltet in der SZ die Verwerfungen beim Fernsehpreis, der weniger Fiktion prämieren will. +++ "Stets schwankt er zwischen Resignation und Größenwahn und verkörpert den Berliner Witz"Sonja Pohlmann im Tagesspiegel über Kurt Krömer, der beim RBB verlängert hat und der, wie Marc Felix Serrao in der SZ nahelegt, wohl geschickt verhandeln kann. +++ Weiß man jetzt auch nicht: "X-Factor" ist eine neue Castingshow bei RTL und Vox (TAZ, KSTA). +++

+++ Viel spannender und der nächste Horror für den Datenschützer: Verortungstools bei Facebook (FAZ-Blog, TAZ). +++

+++ Eine Pretiose auf Meedia.de. Stefan Winterbauer schreibt über "die aktuelle", die auf dem Cover Til Schweiger mit einem Sexualtäter verwechselt, das ist aber eigentlich egal, denn er geht allein um die immer wieder flüchtige Schönheit zweier Sätze: "Es gibt zahlreiche Aufnahmen des Triebtäters Hans Peter W. auf denen klar zu erkennen ist, dass der Mann, den die aktuelle als Hans Peter W. bezeichnet, ganz anders aussieht. Nämlich wie Til Schweiger von hinten." Wenn das Adorno noch erlebt hätte, dann sähen die "Noten zur Literatur" heute anders aus ("Der Standort des Beobachters auf dem zeitgenössischen Boulevard"). Ein wahrnehmungsphilosophisches Seminar hat sich bereits mittels Kommentarfunktion gebildet. +++

+++ Wichtigste Neuigkeit of the Day ist allerdings unbestreitbar: "HP und Dell wischen Sorge vor Abschwung vom Tisch." +++


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