Bischof Meister will nicht "Genozid" sagen

Bischof Ralf Meister spricht vor der VELKD-Synode 2025 in Dresden
epd-Bild/Heike Lyding
Aus deutscher Sicht sei der Genozid-Begriff nicht verwendbar, sagt Landesbischof Ralf Meister. Seinem palästinensischen Amtskollegen Azar will er ihn aber zusgestehen.
Debatte um Genozid-Begriff
Bischof Meister will nicht "Genozid" sagen
Zum Genozid-Begriff im Nahost-Konflikt hat der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister Stellung genommen. Auslöser sind umstrittene Äußerungen des palästinensischen Bischofs Azar bei einem Gottesdienst in Jerusalem.

"Ich bin persönlich der Überzeugung, dass der umstrittene Begriff des Genozids oder des Völkermords aus deutscher Sicht für mich nicht benutzt werden kann und darf", sagte Meister in Dresden während der Jahrestagung der VELKD vor Journalisten.

Auslöser war die kürzliche Verwendung des Begriffs durch den palästinensischen Bischof Sani Ibrahim Azar. Meister unterstrich, Azar dürfe diesen Begriff als Beschreibung seiner persönlichen Erfahrungen benutzen. Eine Person, "die staatenlos ist und eine Kirche leitet, die seit vielen Jahrzehnten individuelle und staatliche Übergriffe erlebt hat und sich in einer Situation befindet, in der in den besetzten Gebieten massive Rechtsverstöße gegenüber palästinensischen Bevölkerungen stattfinden", dürfe infolge des Gaza-Kriegs von Genozid sprechen, sagte der hannoversche Landesbischof.

Azar hatte in seiner Predigt im internationalen Gottesdienst zum Reformationstag in Jerusalem mit Blick auf die Lage in den palästinensischen Gebieten gesagt: "Aber wie sieht Reformation nach zwei Jahren Völkermord aus? Was bedeutet Reformation, wenn wir eine Welt, ein Land betrachten, das so zerbrochen ist?" Den Hamas-Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023 als Auslöser des Gaza-Kriegs erwähnte er nicht. Daraufhin verließ der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, den Gottesdienst, den er gemeinsam mit einer Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags besucht hatte. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) distanzierte sich, der Begriff "Völkermord" stehe einer Verständigung und Versöhnung entgegen.

Völkerrecht steht in Frage

Zuvor hatte Meister vor einem Zerfall der internationalen Ordnung und dem Erstarken autoritärer Machtpolitik gewarnt. "Schon ein flüchtiger Blick auf autoritative Staatslenker zeigt, dass wir in einer neuen Phase der politischen Ordnung und Unordnung angekommen sind", sagte Meister zur Eröffnung der Generalsynode in Dresden. Es gebe eine massive Destruktion der Ordnungssysteme.

Als Beispiel nannte er US-Präsident Donald Trump, "der ohne Rücksicht auf demokratische Gewaltenteilung oder Rechtsstellung anderer demokratischer Organe mit seiner Entscheidungsgewalt der Souverän des Staates geworden ist - einer, der Unternehmen beugt, Meinungen unterdrückt, Folgschaft erzwingt".

Meister erinnerte an die Verabschiedung der UN-Charta vor 80 Jahren, die in diesem Jahr gefeiert worden sei. "Wir lebten in der Illusion, dass völkerrechtliche Ordnungen dauerhaften Bestand haben werden und sich weiter dauerhaft zum Besseren verändern. Wir leben in einem Jahrzehnt, das zeigt, dass das nicht stimmt", sagte er. Spätestens seit dem fast folgenlos gebliebenen Überfall Russlands auf die Ukraine 2014 sei deutlich geworden, dass völkerrechtliche Vereinbarungen ihren bindenden Charakter verloren hätten.

Der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) gehören sieben Gliedkirchen mit insgesamt über 7,3 Millionen Mitgliedern an. Mit der Generalsynode der VELKD beginnt die Jahrestagung des protestantischen Kirchenparlaments. Die Delegierten der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beraten zum Auftakt über das Thema "Kirche und Macht".