Herzlichen Glückwunsch – chrismon wird 25 Jahre alt! Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum persönlich?
Ott: Es erfüllt mich mit Dankbarkeit und Stolz. Ich bin stolz auf unsere kleine Redaktion, die längst in der Liga der Großen mitspielt, unsere Reichweite liegt ja mit 1,4 Millionen Heften im Print zwischen Zeitmagazin und SZ-Magazin. Danke an die Kirche, die uns bezuschusst. Und auf jeden Fall Grund zu feiern!
Schardien: Ich begleite die Arbeit von chrismon im GEP ja vergleichsweise kurz. In dieser Rolle freue ich mich sehr für die engagierte Redaktion, die so viel Herzblut und Geist in dieses Magazin stecken und nun einen Moment innehalten kann: zum stolzen und fröhlichen Zurückblicken auf ein Vierteljahrhundert und zum Vorausschauen auf das, was kommen soll.
Gibt es eine Geschichte aus chrismon, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist und die zeigt, welche Wirkung journalistische evangelische Publizistik entfalten kann?
Ott: Da gibt es viele! Eine Leserin hat neulich spontan 1.000 Euro überwiesen, weil sie einer alleinerziehenden Mutter den Schottland-Trip mit dem kranken Kind spendieren will, der im chrismon-Artikel erwähnt wurde. Ein Leser hat aufgrund eines Artikels sogar eine ganze Mädchenschule gebaut. In Tansania. Aber es sind ja gar nicht immer die großen Dinge. Neulich erzählte mir ein Sozialarbeiter in Stuttgart, dass ein Artikel über zwei syrische Jungs die beiden so stolz gemacht hat: endlich wurde positiv über sie berichtet und nicht im Kontext von Jugendgewalt.
Schardien: Ich erinnere so manche Geschichte, die ich zum Beispiel in Diskussionen weitererzählen konnte. Es gab etwa die Reportage über eine Familie, deren jüngste Tochter sich als Junge fühlte und die den schwierigen Weg zur neuen, eigentlichen Identität mit ihm gegangen ist. So werden die rein theoretischen Fragen auf einmal mit Gesichtern, Namen, Gefühlen und echtem Leben gefüllt.
Das GEP verantwortet chrismon, evangelisch.de und viele weitere Formate. Welche Bedeutung hat das chrismon-Jubiläum für die evangelische Publizistik?
Schardien: chrismon ragt als Magazin heraus in der evangelischen Publizistik: Zum einen durch die hohe, nationale Reichweite, die vielen Jahre und den stets prominent besetzten Herausgeberkreis. Zum anderen auch durch den journalistischen Ansatz, der die Fragen und Themen des evangelischen Glaubens in einer Weise für Menschen weit über die binnenkirchlichen Kreise interessant macht Das war eine wichtige kirchliche und publizistische Entscheidung – und sie wird 25 Jahre später umso wichtiger.
"Bei uns gibt es keinen Hass, keine Fake News, uns vertraut man" (Ursula Ott)
chrismon begleitet seit 25 Jahren Menschen mit Geschichten von Glauben, Zweifel, Liebe und Hoffnung und erreicht über 1,4 Millionen Leser:innen. Was macht das Magazin aus Ihrer Sicht so erfolgreich?
Ott: Ich glaube, es ist diese Mischung aus Zuversicht und Menschenfreundlichkeit. Bei uns gibt es keinen Hass, keine Fake News, uns vertraut man. Und geht mit einem guten Gefühl aus der Lektüre hinaus. Inzwischen sprechen ja viele Medienleute über konstruktiven Journalismus, zum Glück. Wir nennen es Gottvertrauen, und das gibt es tatsächlich schon länger als journalistische Trends.
Der Erfolg hat natürlich auch mit dem Vertriebssystem zu tun, das mein Vorgänger Arnd Brummer sich vor 25 Jahren ausdachte: Wir liegen als Beilage auflagenstarken Zeitungen bei. Diesen Erfolg müssen wir uns in der digitalen Welt noch erarbeiten, das beschäftigt uns wie alle Medienhäuser sehr.
chrismon berichtet oft über schwere Themen wie Trauer, Einsamkeit oder Krisen. Trotzdem bleibt das Magazin hoffnungsvoll. Wie schafft die Redaktion es, diese Balance zu halten: ehrlich, aber nie hoffnungslos?
Ott: Manchmal merken wir schon, dass unsere Hefte, Onlineseiten, Podcasts und Posts ganz schön schwer sind. Aber wir suchen immer nach Protagonisten, die aus schweren Krisen auch wieder herausgefunden haben. Trost ist der Themenbereich, der auch online am meisten nachgefragt wird. Und ganz ehrlich – es tut auch den Seelen der Redaktionsmitglieder gut, diese Art von Journalismus zu machen. Mit Herz und mit Haltung. Ich habe schon in vielen Redaktionen gearbeitet. Wenn du jeden Tag nur harte Nachrichten verarbeitest oder dich nur zynisch über Dinge erhebst, wird’s mit der eigenen seelischen Balance auch schwer. Da haben wir es echt gut bei chrismon.
Welche Rolle spielt konstruktiver Journalismus für die evangelische Publizistik insgesamt?
Schardien: Von vielen Seiten wurde konstruktiver Journalismus ja zunächst belächelt oder gerade auch von journalistischer Seite aus kritisiert. Und nun erweist er sich zunehmend als eine journalistische gesellschaftliche Aufgabe, die lange vernachlässigt wurde. Das Konstruktive daran wäre missverstanden, wenn es als Schönreden von Problemen verstanden würde Darum geht es dabei ja gerade nicht. Sondern es geht darum, Herausforderungen und Probleme aufzuspüren und zu beschreiben, aber auch von Lösungsangeboten zu berichten. Wenn in diesen Zeiten viele Menschen den Eindruck haben, es ginge diese Welt und das Leben nur noch unaufhaltsam den Bach herunter, dann werden Geschichten immer notwendiger, die zeigen: Doch, es gibt Menschen, die etwas bewegen. Doch, es lohnt sich nach Lösungen zu suchen. Doch, es gibt Hoffnung.
Am 24. Oktober feiert chrismon in Frankfurt mit einem großen Zuversichtskongress. Das Jubiläums-Programm reicht von Workshops über Humor und Poesie bis zu Gesprächen über Glauben und Klimahoffnung. Welcher Programmpunkt verkörpert für Sie am stärksten das, was chrismon ausmacht, und worauf freuen Sie sich selbst am meisten?
Ott: Am meisten freue ich mich, endlich Leserinnen und Leser zu treffen. Sie schreiben uns viele Mails und Briefe, sie kommentieren unter Facebook und LinkedIn Posts, da wird’s nach 25 Jahren auch mal Zeit, sich in die Augen zu gucken! Beim Kaffee, beim Cocktail oder zum Beispiel bei dem Atelier, auf das ich mich am meisten freue: das Gespräch mit dem wunderbaren Schriftsteller Friedrich Ani, der nicht nur spannende Krimis schreibt, sondern in chrismon plus seit einem Jahr Gedichte zu den 10 Geboten publiziert. Aber ich finde alle Ateliers toll, und alle "Speaker" waren schon mal in chrismon.
"Zuversicht ist die zupackende Hand der Hoffnung" (Stefanie Schardien)
Warum ist Zuversicht gerade jetzt so wichtig für Kirche und Gesellschaft?
Schardien: Zuversicht ist ja so etwas wie die zupackende Hand der Hoffnung, die uns im christlichen Glauben ins Herz geschrieben ist. Ingo Zamperoni hat erzählt, dass sein abendliches Schlusswort bei den Tagesthemen "Bleiben Sie zuversichtlich!" mitten in der Pandemie entstand, als die Zeichen gerade auf Verzweiflung standen. Und dass die Menschen sehr dankbar auf diesen Zuspruch reagiert hätten. Mir hat das gezeigt: In guten Zeiten – und es ist natürlich fraglich, ob nicht jede Generation ihre Herausforderungen hatte – brauchen wir nicht so viel über Zuversicht nachzudenken. In Krisen wird sie wichtig, weil sie uns kreativ bleiben und nicht fatalistisch werden lässt.
Welche Rolle kann KI in der evangelischen Publizistik spielen?
Schardien: Sie kann vermutlich sehr viele unterschiedliche Rollen für die evangelische Publizistik spielen. Wichtig ist mir die Frage, welche Rolle sie spielen soll. Zweifellos ist gerade im Zuge der Digitalisierung vieles noch im Status des Werdens und Ausprobierens. Was mir zum jetzigen Zeitpunkt entscheidend erscheint: Sie soll eine dienende Funktion behalten.
KI ist auch längst in Redaktionen angekommen. Wie geht chrismon mit KI um, um authentisch und glaubwürdig zu bleiben?
Ott: KI wird mittelfristig auch bei chrismon eine wichtige Assistentin sein. Zum Recherchieren, teasern, Überschriften machen. Auch um die Bedürfnisse der Userinnen und User noch besser zu erkunden. Aber was ich viel wichtiger finde: je mehr KI in den Redaktionen einzieht, desto wichtiger ist es für ein Medium, eine Marke zu sein, der man vertrauen kann. Und unverwechselbar zu sein. Die KI geht eben nicht zu den Menschen, sie ist nicht am Krankenbett und bei Beerdigungen, sie kann nicht gut zuhören und trösten. Da sind wir bei chrismon echt gut aufgestellt.
Wenn Sie 25 Jahre in die Zukunft schauen, welche Rolle soll chrismon dann spielen?
Ott: Ich hoffe, dass man chrismon dann weiter lesen kann, aber auch sehen, hören und fühlen. Chrismon wird weiter guten Journalismus machen für Menschen, die sich für die wirklich wichtigen Themen interessieren.
Schardien: Qualität wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sicherlich zu einem großen Thema werden, wenn die Quantität an Informationen und die Notwendigkeit auszuwählen wächst. 2050 hoffe ich zu lesen oder vorgelesen zu bekommen: Die Menschen lieben chrismon, weil es sich treu geblieben ist und zugleich großartig weiterentwickelt hat.
Vielen Dank!



