Ausgleichender Moderator - Manfred Kock ist tot

Früherer EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock
Joern Neumann
Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und frühere rheinische Präses Manfred Kock - hier im Sommer 2016 in seinem Haus in Köln.
EKD-Ratsvorsitzender und rheinischer Präses
Ausgleichender Moderator - Manfred Kock ist tot
Karriere wollte er nie machen - und übernahm dann doch wichtige Spitzenämter der evangelischen Kirche. Die Stimme des volksnahen Seelsorgers, Mahners und Brückenbaues war bis zuletzt gefragt. Nun starb der gleichermaßen beliebte und bescheidene Theologe Manfred Kock. Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und rheinische Präses starb am Donnerstag im Alter von 88 Jahren, wie die Evangelische Kirche in Köln und Region am Freitag mitteilte.

Manfred Kock brannte bis zum Schluss für Kirche und Glauben. Den Theologen prägte die feste Überzeugung, dass die Welt die christliche Botschaft zu allen Zeiten dringend braucht. Die Christen seien "Kirche für das Volk" und sollten in die Gesellschaft ausstrahlen und etwas bewirken, sagte der frühere rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einmal. Am Donnerstag, nur drei Tage vor seinem 89. Geburtstag, starb der ebenso bescheidene wie volksnahe und populäre Theologe, der von 1997 bis 2003 oberster Repräsentant des deutschen Protestantismus war.

Kock stand für eine gesellschaftlich und politisch wache und engagierte Kirche, er äußerte sich immer wieder öffentlich zu aktuellen Fragen. Sein Auftreten kennzeichnete noch im hohen Alter, was schon in den kirchlichen Spitzenämtern seine Stärke war: Er bezog klar Stellung und wirkte zugleich gelassen, bedächtig und ausgleichend. So agierte er als Moderator und Brückenbauer - sowohl zwischen den Interessen und Strömungen in der EKD als auch in der Ökumene und im Dialog zwischen den Kulturen und Religionen.

Als "leidenschaftlichen Prediger" würdigte ihn der heutige rheinische Präses Thorsten Latzel. Er nannte Kock einen Segen für unsere Kirche". Kock habe immer wieder daran erinnert, "dass der Glaube an Jesus Christus zum mutigen Handeln für ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit auffordert", erklärte Latzel am Freitag in Düsseldorf. Sein Auftreten sei von großer Menschlichkeit, Zugewandtheit und Verlässlichkeit geprägt gewesen. Bereits 1997 habe Kock als Kölner Stadtsuperintendent mit der Kommunikationskampagne "Misch dich ein!" bundesweit für Aufsehen gesorgt, erinnerte Latzel. Kock habe mit klarer Haltung die evangelische Kirche in der Öffentlichkeit repräsentiert.

Die Evangelische Kirche von Köln und Region erklärte, als herausragende Persönlichkeit des Protestantismus habe Kock die zurückliegenden Jahrzehnte maßgeblich mitgeprägt. Ihm sei wichtig gewesen, dass seine Kirche am gesellschaftlichen Diskurs mitwirke. In seiner Amtszeit habe Kock als Moderator und Brückenbauer gewirkt. Er habe klar Stellung bezogen und zugleich bedächtig und ausgleichend gewirkt.

Nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel erinnerte Kock an die bleibende Verpflichtung der christlichen Kirchen, an der Seite Israels zu stehen. Zugleich sei Mitgefühl mit den Palästinensern wichtig, Unrecht müsse benannt werden.

Auch die anderen Themen von Kocks Amtszeit sind noch immer aktuell: Ökumene, Krieg und Ungerechtigkeit, Bioethik und Sterbehilfe, Migration, Wandel des Sozialstaats, Bewahrung der Schöpfung. Die deutsche Regierung müsse den Klimaschutz voranbringen und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen, sagte der frühere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland dem Evangelischen Pressedienst zu seinem 85. Geburtstag. Entscheidend für die Zukunft der Welt sei auch ein friedliches Zusammenleben.

Ökumene und "versöhnte Verschiedenheit"

Die Zukunft der beiden großen Kirchen in Deutschland konnte sich Kock nur als eine gemeinsame vorstellen. Wie kaum jemand sonst stand er für die ökumenische Zusammenarbeit von evangelischer und katholischer Kirche unter der Formel "versöhnte Verschiedenheit". Mit Karl Lehmann, dem früheren Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, pflegte er ein enges persönliches Verhältnis. Ökumene-Fortschritte erhoffte er sich vor allem von den katholischen Reformbewegungen, die das hierarchische Amtspriestertum infrage stellen.

Seinen Jugendwunsch, Menschen zu helfen, erfüllte sich Kock als Seelsorger - ursprünglich wollte er Arzt werden. In seinen letzten Lebensjahren trat er zwar kürzer, er predigte aber nach wie vor regelmäßig in seiner Kölner Ortsgemeinde und in einem katholischen Altenpflegeheim, gelegentlich hielt er auch Vorträge über Glaubensfragen oder ethische Konflikte.

Aus dem Ruhestand in Spitzenämter

Kock wurde am 14. September 1936 als ältestes von drei Kindern im münsterländischen Burgsteinfurt geboren. Er studierte Theologie in Bethel, Münster und Tübingen, seine erste Pfarrstelle trat er 1962 in einer Bergarbeitergemeinde in Recklinghausen an. Er wechselte 1970 als Jugendpfarrer nach Köln, wo er sechs Jahre später Gemeindepfarrer wurde und 1988 an die Spitze des Stadtkirchenverbands rückte. Kock wurde heimisch in der Domstadt, in der er bis zuletzt mit seiner Frau Gisela wohnte, er schätzte die lebensfrohe Mentalität der Kölner und ihren "großzügigen Gott".

Als er bereits den Ruhestand im Blick hatte, wurde Kock unverhofft in zwei Führungsämter gewählt, die ihm alles abverlangten: Als 1996 der damalige rheinische Präses Peter Beier plötzlich starb, wurde Kock Anfang 1997 zunächst zu dessen Nachfolger bestimmt. Im Herbst 1997 machte der vermeintliche Übergangskandidat an der Spitze der zweitgrößten Landeskirche dann überraschend auch das Rennen bei der Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden, als er sich gegen Wolfgang Huber durchsetzte. 2003 trat er zunächst als rheinischer Präses und dann als höchster Repräsentant der deutschen Protestanten aus dem Rampenlicht.

Wichtige Themen seiner Amtszeit waren neben dem ökumenischen Dialog und dem Verhältnis von Christen und Juden die Friedensethik und die Medizin- und Bioethik sowie die Zuwanderung und der Wandel des Sozialstaates. Er galt in seinen kirchlichen Leitungsämtern stets als ausgleichender Moderator.

Der Theologe hatte zudem zahlreiche Ehrenämter inne. Bis zuletzt stieg er weiter regelmäßig auf die Kanzel, hielt vereinzelt Vorträge und äußerte sich immer wieder öffentlich zu aktuellen Themen in Kirche und Gesellschaft.

Vor drei Jahren feierte das Ehepaar Kock diamantene Hochzeit. Ein schwerer Verlust war der Tod des jüngsten Sohnes 2016, die beiden anderen Kinder leben in Köln. Für seine sechs erwachsenen Enkel schrieb Kock vor seinem Tod seine Kindheitserlebnisse auf.

Für seine Verdienste erhielt Manfred Kock unter anderem das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband und den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Kock war Vater von drei Kindern und Großvater von sechs Enkeln.

Zur Person: Manfred Kock
Der Theologe Manfred Kock war von 1997 bis 2003 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er starb am Donnerstag, drei Tage vor einem 89. Geburtstag. Ein Überblick über wichtige Stationen seines Lebens:
•    Geboren am 14. September 1936 in Burgsteinfurt im Münsterland
•    Studium der Evangelischen Theologie in Bielefeld-Bethel, Münster, Tübingen
•    1962 erste Pfarrstelle in Recklinghausen
•    1962 Hochzeit mit Lehrerin Gisela Kock, später drei Kinder und sechs Enkel
•    1970 Wechsel nach Köln, dort Jugend- und Gemeindepfarrer
•    1980 Wahl zum Superintendenten des Kirchenkreises Köln-Nord
•    1988 Wahl zum Kölner Stadtsuperintendenten
•    1997 bis 2003 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
•    1997 bis 2003 Ratsvorsitzender Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
•    Auszeichnungen: u.a. 2002 Großes Bundesverdienstkreuz, 2007 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen