"Es ist so friedlich hier, man atmet förmlich die Hoffnung, den Glauben ein", erklärt Elisabeth Jonen-Burkard und fügt hinzu: "Genau so habe ich mir die Pilgerreise vorgestellt!" Die aus Ansbach stammende Rentnerin hat sich gemeinsam mit ihrem Mann von dem Reiseangebot des Bayerischen Pilgerbüros begeistern lassen und Anfang des Jahres sofort gebucht.
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Rom wollte das Ehepaar sehen, aber abseits der Touristenmassen. "Wir wollten zum Grundgedanken des Christentums zurück und spirituelle Impulse an besonderen Orten der Stadt erleben", erklärt sie und erforscht ehrfürchtig den Cimitero Accatolico, den Friedhof, in dem alle Nicht-Katholiken begraben liegen. Mitten in Rom, an der Cesius-Pyranide, unweit der Metrostation "Piramide" liegt dieser historische Ort, auf dem Protestanten, Juden, Muslime und auch Atheisten nebeneinander bestattet sind.
Man atmet das friedvolle Miteinander aller Religionen förmlich ein. Das war allerdings nicht immer so, weiß Michael Jonas zu berichten. Der Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Rom hat heute die deutsche Pilgergruppe auf dem Friedhof empfangen. In seiner Andacht für die ökumenische Gruppe unterstreicht er die Hoffnung. "Bis 1870 durften die Nicht-Katholiken hier begraben werden, allerdings ohne Grabkreuze oder religiöse Symbole", erklärt Jonas.
"Es gab also keine Zeichen der Auferstehung, der Hoffnung – so waren die Verstorbenen zweifach verlassen – sie mussten die Erde verlassen und hatten auch keine Hoffnung auf eine Auferstehung", fügt Pfarrer Jonas hinzu und gemeinsam lesen wir den Psalm 126. Bei der Textstelle "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten" hält Jonas inne. Für ihn ist dieser Satz der Inbegriff der Hoffnung. Es ist auch der Satz der auf der Granitplatte des Sammelgrabes der evangelischen Deutschen steht.
Nach der Andacht steht eine Führung über den Friedhof an, denn hier sind nicht nur Persönlichkeiten wie Axel Munthe, John Keats und Percy Bysshe Shelly begraben, auch der Sohn von Johann Wolfgang von Goethe, August Julius, liegt hier, sowie zwei Söhne des preußischen Gesandten Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt. Ihm hat der Friedhof auch die Umzäunung zu verdanken, erklärt Corinna Mühlstedt. Denn auf dem Feld hinter der Cestius-Pyramide – also außerhalb der Stadt, auf den "Prati del popolo romano" (dt. "Wiesen des römischen Volks)" – fanden zwar bereits seit 1732 Bestattungen statt, aber die päpstliche Verwaltung erlaubte nur Beerdigungen bei Nacht und einen Schutz der Gräber vor Wölfen und Plünderern gab es nicht.
Gemeinsam mit Irmgard Jehle, Geschäftsführerin des Bayerischen Pilgerbüros, führt die evangelische Theologin die 25-köpfige Gruppe eine Woche lang durch Rom. Auf dem Programm stehen nicht etwa eine Papst-Audienz und eine Wallfahrt an alle Heiligen Pforten, die während des Jubiläums geöffnet werden. "Natürlich gehen wir morgen auch in den Petersdom und passieren die Heilige Pforte dort, aber wir gehen auch auf das Campo Santo (dt. Heiliges Feld), wo deutsche Katholiken begraben liegen", erklärt Mühlstedt.
Beten, Innehalten und Meditieren
Auch das Grab des Apostels Petrus unter dem Petersdom steht auf dem Programm, denn hier begann das Christentum – für Protestanten wie für Katholiken. Eine Mischung aus evangelischen und katholischen Momenten, das ist den beiden Reiseführerinnen wichtig. Den ökumenischen Gedanken greift auch das Motto des Bayerischen Pilgerbüros auf: Mit "Glauben erleben" wird nicht nur das 100-jährige Bestehen gefeiert, sondern auch Interessierten die Möglichkeit geboten, die Ewige Stadt von einer spirituellen Seite an ruhigen Orten abseits der Touristenpfade kennenzulernen. Dazu gehören katholische Kirchen ebenso wie der Nicht-Katholische Friedhof mit seiner jahrhundertealten Geschichte, die vom Leben der Minderheiten erzählt.
Das Problem der Minderheiten kennt Elisabeth zu gut. Die Gemeindereferentin i.R. arbeitet selbst ehrenamtlich in der Seelsorge des Pfarramts St. Ludwig und begleitet Trauernde. "In Ansbach gab und gibt es eine katholische Minderheit und die Beerdigung für Katholiken war oft zweiter Klasse", weiß die Rentnerin zu berichten. Sie weiß, wie wichtig ein Friedhof für die Hinterbliebenen sein kann. "Hier können sie beten, meditieren und finden das Gespräch mit ihren verstorbenen Familienmitgliedern und Gott." Beten, Innehalten und friedliches Miteinander – das ist auch die Idee hinter dem Cimitero Accatolico.
Eine ökumenische Stadtführung
Nach der Mittagspause geht es Richtung Piazza Navona, einem der Herzstücke der touristischen Attraktionen. Auf dem Programm stehen neben dem charakteristischen Platz des barocken Roms ein Besuch von Santa Maria dell’Anima. Als Martin Luther 1517 seine Thesen an das Domportal in Wittenberg anschlug, war man in Rom gerade dabei, die deutsche Nationalkirche von Grund auf zu erneuern.
Das von einer Bruderschaft geführte Anima-Hospiz war bereits seit dem Mittelalter eine Anlaufstelle für Menschen aus dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches. Ein Projekt der Biblioteca Hertzegiana, dem Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom, untersucht gerade die zentrale Frage, inwiefern die Altarbilder, Freskenzyklen und Grabmonumente von Santa Maria dell'Anima sich vor dem Hintergrund der Reformation als dezidiert konfessionspolitische Statements lesen lassen.
In Rom leben alle Religionen friedlich miteinander
"Katholisch, evangelisch, jüdisch und islamisch – im sogenannten erzkatholischen Rom leben alle Religionen friedlich miteinander", erklärt Theologin Corinna Mühlstedt. Eben dieses friedliche Miteinander der Religionen, die Ökumene, wollen die Reiseleiterinnen Mühlstedt und Jehle vermitteln, daher standen am Tag zuvor der Besuch im jüdischen Viertel ebenso auf dem Programm wie auch die Besichtigung von Sant‘Anselmo. Das Benediktinerkloster auf dem Aventin legt auch 125 Jahre nach seiner Gründung Wert auf den interreligiösen Dialog.
Einen Dialog, auf den Benedikt von Nursia bereits vor über 1.500 Jahren ebenfalls Wert gelegt hat. In der orthodoxen, armenischen und katholischen Kirche wird er als Heiliger verehrt, auch in der evangelischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche gilt er als bedeutender Glaubenszeuge. Sein Gedenktag ist im Namenskalender der Evangelischen Kirche in Deutschland auf den 21. März datiert. "Das Gespräch im Benediktinerkloster war sehr interessant, man konnte den ökumenischen Gedanken förmlich fassen", erklärt Elisabeth, die als katholische Gemeindereferentin i.R. im mehrheitlich evangelischen Asbach lebt.
Auch Ilse und ihr Mann erleben jeden Tag Ökumene, denn während Ilse katholisch ist, gehört ihr Mann dem evangelischen Glauben an. "Im Grunde genommen haben wir doch den gleichen Glauben und was zählt ist die Liebe", so Ilse. Für ihren Mann ist das alles gar kein Problem, er freut sich vor allem, Rom von einer ruhigen Seite kennenzulernen und weniger bekannte Orte der Ewigen Stadt zu sehen. "Gestern waren wir in einer wunderschönen Kirche in der Nähe des Pantheons. Die Kirche war fast leer und man konnte sich in Ruhe alles ansehen und den ganz besonderen Moment genießen," erzählt er und denkt an die spirituelle Ruhe des Nicht-Katholischen Friedhofs.