Missbrauchsstudie über Pfarrer in Celle

Viele Aktenmappen übereinander
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Ein Gutachter spricht von "mangelnder Aufsichtspflicht" der Landeskirche.
Landeskirche Hannover
Missbrauchsstudie über Pfarrer in Celle
Die hannoversche Landeskirche stellt am Dienstag einen weiteren Bericht einer Aufarbeitungskommission zum Missbrauch in der Kirche vor. Es geht um den 2011 verstorbenen Pastor V. aus Hermannsburg bei Celle.

Ihm wird vorgeworfen, er habe in den 1980-er Jahren als Leiter einer von ihm gegründeten geistlichen Bruderschaft seine Macht für sexuelle Beziehungen zu deren Mitgliedern missbraucht und an mindestens einer minderjährigen Person mehrfach sexualisierte Gewalt ausgeübt, wie die evangelische Landeskirche mitteilte.

Eine unabhängige Kommission hat den Angaben zufolge im Auftrag der Landeskirche im Oktober 2022 die Arbeit aufgenommen und stellt jetzt den Abschlussbericht vor. Auch die Aufsicht des Dienstes von V. durch verantwortliche Personen und Stellen in der Landeskirche wird dabei ein Thema sein. Die Kommission aus Juristen und Psychologinnen sollte das Vorgehen der Landeskirche nach Bekanntwerden der Vorwürfe ebenso in den Blick nehmen wie Strukturen, die den Machtmissbrauch ermöglicht haben. Zu den Ergebnissen wollen unter anderem Landesbischof Ralf Meister und der Präsident des Landeskirchenamts, Jens Lehmann, Stellung nehmen.

Der beschuldigte Pastor (1930-2011) war in der hannoverschen Landeskirche und weit darüber hinaus für seine missionarische Arbeit bekannt. In seinem Nachruf 2011 würdigten leitende Theologen sein Charisma und seine Gabe, junge Menschen zu gewinnen. Seine Bücher und Kassetten prägten viele Menschen vor allem aus dem pietistisch frommen Umfeld. In den 1960er- und 1970er-Jahren sammelte er vorwiegend junge Männer um sich. 1977 gründete V. die Bruderschaft "Kleine Brüder vom Kreuz". Ein Gutshaus bei Hermannsburg wurde zum Zentrum der Gemeinschaft.

Bereits im Februar 2022 war eine Untersuchung aus dem Jahr 2020 zu V. bekannt geworden, die von der "Evangelischen Geschwisterschaft" als Nachfolge-Organisation der von ihm begründeten Bruderschaft in Auftrag gegeben worden war. Zugleich wurden Vorwürfe eines Betroffenen öffentlich, V. habe ihn im minderjährigen Alter mehrfach sexuell missbraucht. Der Mann hatte sich nach Angaben der Landeskirche während der Erstellung der damaligen Studie bei der Kirche gemeldet.

In der Studie schreibt der Hamburger Therapeut und Theologe Christian Braune: "V. hat es in den Jahren seiner Tätigkeit in der Evangelisch-lutherischen Kirche verstanden, bewusst, zielgerichtet und konsequent Bedingungen zu schaffen, die es ihm erlaubten, missbräuchliche grenzverletzende sexuelle Beziehungen zu jungen Männern aufzunehmen." Der Gutachter warf zudem der Landeskirche eine "mangelnde Wahrnehmung der Aufsichtspflicht" vor.