Marco Politi findet drastische Worte: "Das ist das dramatischste Konklave der letzten 50 Jahre", sagt der 78 Jahre alte Vatikanexperte bei einem Treffen mit Journalisten in Rom. Die Wahl des neuen Papstes falle in eine Zeit, die Politi als "zehn Jahre Bürgerkrieg" innerhalb der katholischen Kirche bezeichnet.
Damit meint er die Aufteilung der Kirchenmänner in ein Pro-Franziskus-Lager, also die Unterstützer und Weggefährten des verstorbenen Papstes, und jene, die in den vergangenen Jahren gegen die kircheninternen Umwälzungen des argentinischen Papstes opponiert haben. Am Nachmittag des 7. Mai ist es soweit: 133 Kardinäle werden in die Sixtinische Kapelle einziehen und dort darüber entscheiden, wer der Nachfolger von Papst Franziskus werden soll. Der gebürtige Argentinier war am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorben.
Wahlberechtigt sind eigentlich 135 Kardinäle, zwei haben aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Um Papst zu werden, braucht ein Kandidat die Zweidrittelmehrheit, er muss also mindestens 89 Stimmen auf sich vereinen.
Rund 30 Prozent der Wahlmänner gelten als konservativ. Der Ungar Peter Erdö wird in den letzten Tagen immer wieder als ein Kandidat genannt, der viele dieser Stimmen auf sich vereinen könnte. Eher der Tradition von Benedikt XVI. folgend, zog sich der 72-Jährige unter Papst Franziskus von der großen Bühne eher zurück. Er war mit dem liberalen Kurs des Argentiniers oft nicht einverstanden.
Zehn Jahre lang war Erdö Präsident der europäischen Bischofskonferenz und ist durch die Zusammenarbeit mit den anderen Kontinenten international gut vernetzt. Unterstützung dürfte er von dem US-Amerikaner Raymond Leo Burke bekommen, der zu einem der entschiedensten Gegner der Reformen von Franziskus zählt. Vor allem die Segnung von homosexuellen Paaren, die der Papst Ende 2023 erlaubt hatte, lehnt Burke vehement ab. Wie auch Robert Sarah aus Guinea, der ein Anhänger jahrhundertealter kirchlicher Traditionen ist.
Auf der anderen Seite steht die Fraktion der Reformer, also der Anhänger des verstorbenen Papstes. Schon länger wird als dessen Nachfolger Pietro Parolin gehandelt. Der 70-Jährige war bisher als Kardinalstaatssekretär die Nummer Zwei des Vatikanstaates. Der Italiener ist durch seine Arbeit vor allem international gut vernetzt und gilt als versierter Diplomat. "Viele Kardinale suchen nun einen Papst, der die Fragmente wieder einen kann", sagt Vatikan-Kenner Politi. Einen, der den Laden wieder zusammenflickt.
Als ein solcher wird auch Matteo Zuppi angesehen. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz steht der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio nahe, die sich vor allem für Migranten und Bedürftige einsetzt. Auch der 69-Jährige besitzt diplomatisches Geschick - Franziskus ernannte ihn zum Sondergesandten des Papstes im Ukraine-Krieg.
108 der wahlberechtigten Kardinäle wurden von Franziskus selbst ernannt. Daraus ergibt sich aber nicht automatisch eine homogene Wählerschaft. Viele der neuen kommen aus eher abgelegenen Regionen, wie der Mongolei oder Papua Neuguinea. Nicht nur sind diese bisher wenig bis gar nicht mit der römischen Kurie in Berührung gekommen - in vielen dieser Regionen herrscht eher ein konservativer Glaube.
Diese Papstwahl ist auch eine Chance für diese Regionen, in denen das Christentum anders als in Europa im Aufschwung ist. Zwar nicht unbedingt als Kandidat, doch als einflussreiche Stimme in der Weltkirche gilt der Afrikaner Fridolin Ambongo Besungu. Er hat sich zwar strikt gegen die Segnung homosexueller Paare ausgesprochen, ist aber dennoch kein erbitterter Gegner von Papst Franziskus gewesen.
Auch in Asien steigen die Zahlen der Kirchenmitglieder. Luis Tagle, der frühere Erzbischof von Manila, ist wohl der bekannteste Kardinal des Kontinents - und ebenfalls ein Favorit für das Papstamt. Der 67-Jährige kennt sich auch innerhalb der römischen Kurie aus. Er leitet die Vatikan-Abteilung für die Verbreitung des katholischen Glaubens in der Welt.
Viele der neuen Kardinäle müssen sich erst kennenlernen. Dazu ist bereits Gelegenheit. Seit dem Tod des Papstes treffen sich die Kardinäle fast täglich - sie sind aktuell für die Leitung der katholischen Kirche zuständig. Es ist auch von einem "Vorkonklave" die Rede. "Und das ist sehr wichtig", sagt Politi. Die Zeit vor dem Einzug in die Sixtinische Kapelle sei wie Koalitionsverhandlungen. "Man schaut schon mal, auf was man sich einigen kann." Von vielen Kardinälen ist in den vergangenen Tagen nur zu hören: Die Stimmung ist gut.