TV-Tipp: "Der Barcelona-Krimi - Absturz"

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7. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Barcelona-Krimi - Absturz"
Wenn sich im wahren Leben alte Freunde nach langer Zeit wiedersehen, stellen sich im besten Fall umgehend die guten Gefühle von früher ein. Manchmal merkt man aber auch, dass man sich komplett auseinanderentwickelt hat; außer den gemeinsamen Erinnerungen gibt es nichts Verbindendes mehr.

Für eine Filmhandlung wäre das etwas langweilig, deshalb laufen solche Begegnungen gern darauf hinaus, dass alte Rechnungen beglichen werden. So ähnlich funktioniert auch das Drehbuch zu "Absturz", dem achten "Barcelona-Krimi". Frei nach Franz Beckenbauer: Gute Freunde kann niemand trennen; nur der Tod. Das Drehbuch stammt wie bei der letzten Episode ("Totgeschwiegen") von Catrin Lüth und Florian Hanig, Regie führte erneut Andreas Herzog, die Bildgestaltung oblag wieder Ralf Noack, nur der Komponist ist diesmal ein anderer: Chris Bremus hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass die beiden Filme kaum unterschiedlicher sein könnten; und das nicht nur wegen des Inhalts. 

"Absturz" beginnt mit einer Postzustellung: Mehrere Menschen bekommen einen Brief, der ihr Leben verändern wird. Was die Umschläge enthalten, lassen Lüth und Hanig zunächst offen; zu sehen ist nur, dass die Inhalte für Schockmomente sorgen. Da der Prolog außerdem Vor- und Rückblenden enthält, die als solche jedoch nicht auf Anhieb erkennbar sind, stiften die Bilder entsprechend viel Verwirrung, was wiederum die Neugier weckt. Es folgt ein abrupter Übergang in die Gegenwart einer ausgelassenen Strandparty zur Eröffnung eines neuen Clubs; als der Strom ausfällt, singen die Leute kurzerhand selber weiter. Die gute Stimmung endet allerdings schlagartig, als im Hinterzimmer eine Leiche entdeckt wird. Der Tote heißt Bruno und ist mit derart viel Wucht geschubst worden, dass er sich beim Sturz das Genick gebrochen hat. 

Anders als bei "Totgeschwiegen", einem Drama über Zwangsadoptionen während der spanischen Franco-Diktatur, erzählt das Drehbuchduo diesmal eine Geschichte, die nicht an den Schauplatz gebunden ist: Anlässlich der Feier hat Clubbesitzer Marco (Atheer Adel) seine alte Clique eingeladen. Vor zwanzig Jahren waren die Partys des Quintetts legendär, aber irgendwann haben sich die fünf aus den Augen verloren; "wie das eben so ist", sagt Sofia (Edita Malovčić), das einzige weibliche Mitglied, im Gespräch mit Xavi Bonet (Clemens Schick).

Beim letzten Mal spielte das Privatleben von Kollegin Fina Valent (Anne Schäfer) eine wichtige Rolle, diesmal steht der Kommissar im Mittelpunkt, zumal Lüth und Florian Hanig den Epilog des früheren Films aufgreifen und erklären, warum Bonet ständig von einer Aura der Melancholie umwölkt zu sein scheint. Aus dem gleichen Grund kann er sich nicht mehr an eine lange zurückliegende intensive Begegnung mit Sofia erinnern, weshalb ihn die Gefühle, die sie zielstrebig in ihm weckt, ziemlich verwirren; schließlich lebt er mit einem Mann zusammen.

Das klingt alles weder besonders aufregend noch sonderlich relevant, schon gar nicht im Vergleich zur Kirchenkritik und dem politischen Anspruch von "Totgeschwiegen". Tatsächlich ist die Spannung diesmal gänzlich anderer Art, weil sich die Handlung nicht um ein Thema, sondern um die Charaktere dreht. Spätestens bei der trinkfreudigen Trauerfeier für Bruno zeigt sich, wie brüchig die Freundschaftsbande geworden sind. Als dann auch noch Marco stirbt, fragen sich Bonet und Valent, ob es jemand auf die Clique abgesehen hat. Der Inhalt der Briefe wird nach und nach offenbart, es treten einige unschöne Dinge zutage; aber es bleibt immer noch die Frage, wer sie verschickt hat. 

"Absturz" ist gerade im Vergleich zum letzten Film ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sehr Bildgestaltung, Schnitt und Musik die Anmutung eines Werks prägen. Die Kamera, in "Totgeschwiegen" eher Beobachterin, ist diesmal ungleich agiler und den Figuren ständig auf den Fersen. Auch die Schnittfrequenz ist eine andere. Das Herzstück der Inszenierung, eine Vernehmung des übrig gebliebenen Trios, entfaltet seine Wirkung ohnehin erst durch die Montage (Gerald Slovak). Knalliger Knüller, zumindest in optischer Hinsicht, ist allerdings die kräftige Farbgebung: Im Unterschied zu den gedeckten Tönen zuletzt schwelgt Noacks Kamera diesmal geradezu in einem Festival der Buntheit. Sehenswert ist auch das Ensemble; die Mitglieder der Clique sind mit Ausnahme von Edita Malovčić nicht prominent, aber interessant besetzt. Sympathisch ist schließlich die Idee, den Chef (Alexander Beyer) des Duos ein wenig aus dem Schatten treten zu lassen und unerwartete Einblicke in sein Privatleben zu gewähren.