Rund 430.000 Kitaplätze fehlen

Gummistiefel auf einem Staender in der Kita "Heide-Sued" in Halle (Saale)
© epd-Bild/Jens Schlüter
Kitaplätze sind heiß begehrt - nicht nur in der preisgekrönten Kita "Heide-Süd" in Halle (Saale). Es fehlen Fachkräfte, deshalb können die Wünsche der Eltern oft nicht erfüllt werden.
Kinderbetreuung in der Krise
Rund 430.000 Kitaplätze fehlen
In den Kitas in Deutschland fehlen Hunderttausende Betreuungsplätze - in Westdeutschland noch mehr als im Osten. Dafür ist in den östlichen Ländern der Personalschlüssel in den Kitas ungünstiger. Laut einer Studie gibt es zu wenige Fachkräfte.

In Deutschland fehlen nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fast 430.000 Kita-Plätze, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen. Der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung könne damit für Hunderttausende Jungen und Mädchen nicht eingelöst werden, erklärte die Stiftung bei der Vorlage ihrer Studie in Gütersloh. Zudem würden mehr als zwei Drittel der Kinder in Gruppen mit einem "nicht kindgerechten" Personalschlüssel betreut. Um Abhilfe zu schaffen, werden vor allem zusätzliche Fachkräfte benötigt.

In den westdeutschen Bundesländern gibt es laut dem "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" 385.900 Kita-Plätze zu wenig, am meisten davon in Nordrhein-Westfalen mit rund 110.000, Bayern mit rund 70.000 und Baden-Württemberg mit knapp 60.000. In Ostdeutschland einschließlich Berlin fehlen 44.700 Plätze.

Im Osten ist der Untersuchung zufolge der Anteil der Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, wesentlich höher als im Westen - insbesondere bei den Mädchen und Jungen unter drei Jahren: In dieser Altersgruppe liegt die Betreuungsquote in den ostdeutschen Ländern bei 53 Prozent, während für 61 Prozent der Wunsch nach einer Betreuung besteht. In Westdeutschland haben nur 32 Prozent der Unter-Dreijährigen einen Platz - doch für 47 Prozent melden die Eltern Bedarf an.

Bei den Kindern über drei Jahren liegen Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein mit 88 beziehungsweise 89 Prozent betreuter Kinder am unteren Ende der Skala, Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern mit 96 Prozent. In Sachsen entspricht die Betreuungsquote mit 95 Prozent genau dem Bedarf der Eltern.

Rechtsansprüche nicht zu erfüllen

Auch die Personalschlüssel unterschieden sich: Im Westen ist eine Vollzeit-Fachkraft rechnerisch für 3,4 Kinder unter drei Jahren beziehungsweise 7,7 ältere Kinder zuständig, im Osten für 5,4 beziehungsweise 10,5 Mädchen und Jungen. Für eine "kindgerechte Betreuung" empfiehlt die Bertelsmann Stiftung eine Vollzeit-Fachkraft für drei Krippenkinder oder 7,5 Kindergartenkinder.

Im Osten genüge bei neun von zehn Kita-Kindern der Personalschlüssel nicht, im Westen bestehe dieses Problem bei 62 Prozent der betreuten Jungen und Mädchen, heißt es im "Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule".

"Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen", sagte die Stiftungsexpertin für frühkindliche Bildung, Anette Stein. "Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden."

Langfristige Stategien nötig

Aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen bestehe für die ostdeutschen Bundesländer jedoch die Chance, bis 2030 ihren Personalschlüssel an das Niveau im Westen anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen, hieß es. Die ostdeutschen Länder müssten "die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kitas mehr Personal beschäftigen können". In Westdeutschland können demnach Hamburg, Niedersachsen und eventuell Schleswig-Holstein bis 2030 die aktuellen Bedarfe decken und kindgerechte Personalschlüssel erreichen. Im Westen müsse vor allem die Zahl der Plätze ausgebaut werden.

In allen Bundesländern brauche es langfristige Strategien für das Gewinnen und Qualifizieren von neuen Fachkräften, hieß es. Kurzfristig sollte das pädagogische Personal von Verwaltungs- und hauswirtschaftlichen Aufgaben entlastet werden, auch könnten qualifizierte Quereinsteiger die Lage entspannen. In einigen Ländern kann nach Auffassung der Stiftung eine Reduzierung der Kita-Öffnungszeiten zum Erreichen der Ziele beitragen.

Für ihre Analyse hat die Bertelsmann Stiftung nach eigenen Angaben vor allem Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, des Bundesfamilienministeriums und des Deutschen Jugend-Instituts ausgewertet.