Kita-System vor dem Kollaps?

Erzieherin sitzt mit Kindern im Kreis auf dem Boden
© epd-bild/imagebroker/Jan Tepass
Immer mehr Erzieherinnen wechseln in Supermarktjobs oder in anderen Tätigkeiten, da die Arbeitsbelastungen in der Kita offenbar für viele zu hoch sind.
Hohe Arbeitsbelastung in KiTas
Kita-System vor dem Kollaps?
Die Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Niedersachsen-Bremen, Melanie Krause, hat Bund und Länder aufgefordert, angesichts des Fachkräftemangels mehr Geld in die personelle Ausstattung der Kitas zu investieren. Die Arbeitsbelastung in den Kindertagesstätten sei mittlerweile so hoch, dass immer mehr Erzieherinnen lieber im Supermarkt an der Kasse arbeiteten als in der Kita, um Depressionen oder einem Burn-out zu entgehen.

Die Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Niedersachsen-Bremen, Melanie Krause, verweist auf den wachsenden Fachkräftemangel. "Vor allem muss die vierjährige Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin endlich vergütet werden", sagte sie im ostfriesischen Leer dem Evangelischen Pressedienst (epd). 

Weil immer mehr Kinder in die Kitas drängten, verschlechtere sich die Fachkraft-pro-Kind-Quote immer weiter. "Oft können wir nicht mehr von einer echten frühkindlichen Bildung sprechen", sagte Krause. "Das Kita-System steht vor dem Kollaps." Die jüngsten Vorschläge des niedersächsischen Städtetages, die Standards in den Kitas zu senken und mehr Kinder in den Gruppen aufzunehmen, seien nicht zu verantworten: "Dann wird die Kita zur Verwahranstalt."

Personelle Ausstattung von Kitas versäumt

Schon jetzt könnten viele Kinder in der ersten Klasse der Grundschule einen Stift nicht richtig halten und nicht mit einer Schere sicher hantieren oder Konflikte untereinander selbstständig lösen. Zwar versuche die Politik an einigen Stellen nachzubessern, in dem mehr Krippen-Plätze geschaffen wurden, räumte Krause ein. "Doch wurde es oft versäumt, auch eine nachfolgende Kita zu bauen und personell auszustatten."

Die Situation werde sich noch dramatisch verschlechtern, prognostizierte die Expertin: Die Kinder der nach Deutschland kommenden Geflüchteten müssten ebenfalls versorgt werden. Hinzu komme, dass die Pandemie mit ihren Lockdowns für einen Baby-Boom gesorgt habe. "Diese Kinder werden demnächst vor unseren Krippen und Kitas stehen."

Auch geflüchtete Kinder müssen versorgt werden

Schon jetzt gebe es kaum noch voll ausgebildete Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, warnte Krause. "Es muss nun viel Geld in die Ausbildung und Qualifizierung gesteckt werden." Doch selbst wenn dies sofort geschehe, müssten vier bis fünf harte Jahre überwunden werden, bis die neuen Fachkräfte ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Klagen aus der Politik, dies sei nicht bezahlbar, wies sie zurück. "Es war möglich, binnen weniger Tage 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu organisieren und auch viele weitere Milliarden, um die Lufthansa zu retten. Das sollte auch für unsere Kinder möglich sein. Das wird sich in 20 Jahren für die Wirtschaft auszahlen."

Kurzfristig sehe sie keine Möglichkeit, die Situation in den Kitas und Krippen im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung für alle Kinder zu verbessern, sagte die Vorsitzende. Schon jetzt fehlten etwa in Leer 200 Plätze, in Delmenhorst 500 und in Bremen sogar 5.000 Plätze. Die Reihe ließe sich problemlos fortsetzen. Sinnvoller wäre es nach Ansicht von Krause, den Kita-Ausbau zu stoppen und die vorhandenen Fachkräfte so einzusetzen, dass die Kita-Gruppen verkleinert werden können. "Das bedeutet aber auch, dass etliche Kinder dabei auf der Strecke bleiben", resümierte die Erzieherin.