Aiwanger schadet der Erinnerungskultur

Antisemitismusbeauftragter Felix Klein
© epd-bild/Christian Ditsch
Der Umgang Aiwangers mit dem antisemitischen Flugblatt sei ein schlechtes Vorbild für junge Menschen, betonte Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung. (Archivbild)
Antisemitismusbeauftragter Klein
Aiwanger schadet der Erinnerungskultur
In der Flugblatt-Affäre erneuert der bayerische Vize-Ministerpräsident Aiwanger den Vorwurf einer gegen ihn gerichteten Kampagne. Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein befürchtet eine Beschädigung der deutschen Gedenkkultur.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisiert den Umgang des bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit den gegen ihn erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen. Sein bisheriges Vorgehen, "sich als Opfer einer gegen ihn gerichteten Kampagne zu stilisieren und sich möglichst spät, möglichst wenig und möglichst empathielos zu äußern", diene als schlechtes Vorbild für junge Menschen, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (1.9.). Aiwanger, der auch bayerischer Wirtschaftsminister ist, äußerte sich derweil in einem Interview mit der "Welt" erneut zur Flugblatt-Affäre.

Klein sagte, die Bemühungen in Schulen und Gedenkstätten, vor allem jüngeren Menschen einen kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu vermitteln, würden durch das Verhalten von Aiwanger torpediert. Sein Umgang mit dem antisemitischen Flugblatt habe "der Erinnerungskultur in Deutschland geschadet", betonte der Antisemitismusbeauftragte.

Aiwanger ist seit einer Recherche der "Süddeutschen Zeitung" in der Kritik. Demnach steht er im Verdacht, während seiner Schulzeit ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Aiwanger bestritt, Autor des Textes zu sein, der damals in seiner Schultasche gefunden wurde. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe meldete sich sein Bruder Helmut Aiwanger zu Wort und erklärte, er habe das Flugblatt verfasst.

Bei einer Pressekonferenz am 31.8. erklärte Aiwanger, er "bereue zutiefst", wenn er durch sein Verhalten Gefühle verletzt habe. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit", sagte er. Zugleich wies er weitere gegen ihn erhobene Vorwürfe, wie das Zeigen des Hitlergrußes zurück.

In einem von der "Welt" veröffentlichten Interview (31.8.) erneuerte der bayerische Vize-Ministerpräsident dann allerdings den Vorwurf einer gegen ihn gerichteten Kampagne. Er sei überzeugt davon, dass die "Süddeutsche Zeitung", "womöglich mit Hilfe anderer Kreise, von langer Hand geplant hatte, mich massiv zu beschädigen und politisch zu vernichten", sagte Aiwanger. In seinen Augen werde die Schoah "zu parteipolitischen Zwecken missbraucht".

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Niedersachsen, Gerhard Wegner, forderte Aiwanger zum Rücktritt auf. "Anstatt sich hinzustellen und sich in angemessener und wirklich glaubwürdiger Weise für diese unsägliche und auch eklige Schrift zu entschuldigen, wird verschleiert, wie es dazu gekommen ist. Das finde ich absolut unbefriedigend", sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst.

Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gibt es bundesweit Kritik an Aiwanger. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten Aufklärung und Konsequenzen gefordert.