TV-Tipp: "Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Tod im Weinberg"

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4. Mai, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Tod im Weinberg"
An dieser Hürde sind schon einige Krimireihen gescheitert: Die ersten Episoden sind faszinierend, weil die Hauptfigur aus dem Fernsehalltag herausragt. Irgendwann jedoch ist die Rolle etabliert. Wenn die Drehbücher dann keine besonderen Geschichten mehr erzählen, verliert selbst "Blind ermittelt" den Status "zuverlässig sehenswert".

"Tod im Weinberg" ist der achte Film mit Philipp Hochmair als erblindeter früherer Chefinspektor der Wiener Polizei. Es ist immer noch eine Freude, ihm zuzuschauen. Gleiches gilt für Andreas Guenther als Chauffeur und Augenlichtersatz. Der coole Alex und der lässige Niko: Die beiden entspannten Freunde bilden nach wie vor ein reizvolles Duo.

An diesen Fall sind sie allerdings regelrecht verschwendet. Die Handlung trägt nicht über 90 Minuten, ist allzu früh durchschaubar und überdies derart unspektakulär, dass sich die Frage stellt: Wieso hat niemand moniert, dass schon das Drehbuch derart deutlich hinter dem Niveau der Reihe zurückbleibt? Wenn "Tod im Weinberg" dennoch sehenswert ist, dann neben den beiden Hauptdarstellern einzig und allein wegen der ausgezeichneten Arbeit von Kameramann Florian Banicki.

Der Film beginnt mit einer perfide eingefädelten Entführung: Ein Unfallopfer entpuppt sich als quicklebendig, schlägt einen Autofahrer, der sich besorgt um die vermeintlich leblose Person kümmern wollte, nieder, zerrt den Mann in einen Transporter und fährt davon. Eine alte Anwohnerin (Inge Maux) hat den Vorgang beobachtet, weil der Fahrer mehrfach gehupt hat, bevor er ausgestiegen ist.

Bald darauf bekommt seine Mutter (Nina Kronjäger) eine Videonachricht, gesprochen von ihrem Sohn (Julian Waldner): Der oder die Entführer verlangen zwei Millionen Euro, lieferbar binnen 48 Stunden; an jedem weiteren Tag, der verstreicht, wird Paul einen Finger verlieren. Und, natürlich: keine Polizei! Alex Haller darf allerdings bleiben; er genießt einen Status als Sonderermittler, ist aber offiziell kein Polizist. Die Freunde fragen sich zwar, wie jemand auf die Idee kommen konnte, die hoch verschuldete Weinbergbesitzerin Sonja Rauch zu erpressen, aber ihr Schwager Heinrich (Fritz Karl) führt ein gut gehendes Nobelrestaurant. Tatsächlich ist er bereit, sich zum Wohle des Neffen von seinem Lebenstraum zu verabschieden. 

Was nun folgt, entspricht dem üblichen Krimischema (Buch: Nora Friedel, Mike Majzen). Niko, Haller und dessen Nachfolgerin (Jaschka Lämmert) verdächtigen der Reihe nach alle, die irgendwie mit der Familie Rauch zu tun haben. Als erste knöpfen sie sich das benachbarte Geschwisterpaar Rita und Leo Decker (Lisa-Lena Tritscher, Daniel Langbein) vor: Er ist ein Dealer, sie war zum Unwillen seiner Mutter Pauls Freundin. Nächster auf der Liste ist Sonjas grobschlächtiger Weinhauer (Martin Leutgeb), und schließlich bleibt nur noch Konstantin (Xaver Hutter): Heinrichs Ehemann hat sein Vermögen an der Börse verzockt.

Kurz nach Beginn der zweiten Filmhälfte dürfte den meisten Krimifans allerdings klar sein, wer wirklich hinter der Entführung steckt. Theoretisch könnten die restlichen knapp vierzig trotzdem kurzweilig sein, doch ausgerechnet der letzte Akt zieht sich. Das hat einerseits mit den Figuren zu tun, die größtenteils weder Interesse noch Mitgefühl wecken, andererseits aber auch mit einigen der Ensemble-Mitglieder, die Präsenz mit Lautstärke verwechseln. Das wiederum fällt umso stärker auf, wenn direkt daneben ein Kollege wie Martin Leutgeb allein durch seine Ausstrahlung eine ungleich größere Wirkung erzielt. 

Regie führte Till Franzen, der neben einigen guten Krimi-Episoden ("Wolfsland") zuletzt mit "Lauchhammer – Tod in der Lausitz" (ARD) eine der besten Serien des letzten Jahres gedreht hat. Bei "Tod im Weinberg" zeigt sich seine Klasse jedoch allein in der Bildgestaltung. Optischer Höhepunkt ist ein Streifzug Nikos durch eine verfallene Jagdvilla im Wienerwald; das Licht ist faszinierend.

Inhaltlich tritt die Handlung inklusive der unvermeidlichen Funktionsdialoge im Polizeirevier oft auf der Stelle, aber die Kamera ist ständig in sanfter Bewegung, weshalb der Film auf subtile Weise dynamischer wirkt, als es die Geschichte hergibt; selbst wenn immer wieder mal lautstarke Motocross-Maschinen durchs Bild brausen. Das letzte Drittel erfreut immerhin durch zwei Überraschungen, als sich Sonja zu Heinrichs Verblüffung bei der Lösegeldübergabe gewissermaßen in Staub auflöst und der Film am Schluss doch noch seinem Titel gerecht wird.