TV-Tipp: "Das bleibt unter uns"

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31. März, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Das bleibt unter uns"
Wer sich für ein öffentliches Amt bewirbt, sollte eine weiße Weste haben; selbst kleine Flecken können für einen empfindlichen Karriereknick sorgen.

Entsprechend schockiert reagiert ein aufstrebender Berliner Kommunalpolitiker, als er erfährt, dass seine Frau ihre Haushaltshilfe Natalia aus der Republik Moldau schwarz beschäftigt hat; zu gut ist die Erinnerung an den einstigen Bundesverkehrsminister Günther Krause, der nach einer ganzen Reihe von Ungereimtheiten schließlich und endgültig über die sogenannte Putzfrauenaffäre stolperte. Der Hinweis des Gatten (Hanno Koffler) führt zu einem veritablen Ehekrach, weil ihm seine Frau Jana (Anna Unterberger) nun vorwirft, es habe ihn nie interessiert, wie es ihr gelinge, dass er nach getaner Arbeit abends in ein blitzblankes Heim zurückkehren könne. 

Alexanders Ignoranz ist aber nur eine Nebenebene dieses Dramas mit dem vergleichsweise undramatischen Titel "Das bleibt unter uns", zumal der Streit kein gutes Licht auf das Paar wirft: Natalia (Kristina Yaroshenko) sollte ein Jackett aus der Reinigung abholen und ist in einem unachtsamen Moment mit einem Fahrrad kollidiert; nun liegt sie im Koma.

Eine mit Alexander befreundete Rechtsanwältin (Britta Hammelstein) sieht erhebliche Probleme auf die Familie zukommen: Weil es sich um einen Arbeitsunfall handelt und Natalia schwarz gearbeitet hat, wird das Paar mindestens den Krankenhausaufenthalt bezahlen müssen. Sollte sie zu einem Pflegefall werden, kämen lebenslange Kosten auf die beiden zu, von den politischen Konsequenzen ganz zu schweigen. Weil Jana mehrfach versucht hat, Natalia telefonisch zu erreichen, steht die Polizei ohnehin noch am selben Abend vor der Tür. Tags drauf im Revier gibt sie an, das Unfallopfer sei eine Freundin; eine äußerst fadenscheinige Behauptung, denn sie kennt weder Natalias Nachnamen noch ihre Adresse.

Zynisch merkt Juristin Andrea an, es sei am einfachsten für das Paar, wenn die Frau stürbe, aber selbst dann bliebe ein weiteres Problem, und das heißt Anna, ist acht Jahre alt und Natalias Tochter. Das Mädchen lebt normalerweise bei der Oma in Moldova, hatte Natalia ausnahmsweise begleitet und spricht kein Wort deutsch. Immerhin ist das dank einer Übersetzungsfunktion im Smartphone kein Problem, aber Anna hat keine Ahnung, wo die Berliner Wohnung ihrer Mutter ist.

Jetzt wird die Sache richtig kompliziert, denn würden sich Jana und Alexander ans Jugendamt wenden, müssten sie natürlich auch zugeben, dass Natalia schwarz bei ihnen gearbeitet hat. Zu Annas Glück fühlt sich Jana, die zwei Töchter im gleichen Alter hat, für das Mädchen verantwortlich. Dank einer Zeichnung findet sie tatsächlich raus, dass Natalia gemeinsam mit anderen Arbeitsmigrantinnen aus Osteuropa in einer WG in Marzahn lebt. Dort liefert sie das Kind ab; aus den Augen, aus dem Sinn.

So einfach macht es Frauke Hunfeld, deren Drehbuch auf einer Idee von Regisseurin Verena S. Freytag basiert, dem Ehepaar jedoch nicht. Der von einer Mitbewohnerin Natalias als "Halsschneider" bezeichnete Wohnungseigentümer lässt sich von Jana die Wuchermiete bezahlen, doch damit ist es nicht getan: Als er rausfindet, wer ihr Mann ist, weiß er, dass da noch viel mehr zu holen ist.

Natürlich ist "Das bleibt unter uns" ein Film mit Botschaft, weshalb Jana schließlich das schlechte Gewissen plagt, aber Hunfeld und Freytag zeigen nicht mit dem Finger auf das Ehepaar, selbst wenn sich der fürs Berliner Bezirksparlament kandidierende Alexander natürlich an den eigenen Ansprüchen messen lassen muss: Er steht für soziale Gerechtigkeit und will Menschen in den Fokus rücken, die Unterstützung brauchen.

Hunold hat zuletzt gemeinsam mit Silke Zertz die famose ARD-Serie "Lauchhammer" geschrieben, Freytag hat nach ihrem Debüt "Karamuk" (2003) vor allem Serienfolgen gedreht. Filmisch ist das Drama nicht weiter auffällig, aber gerade die erfahrenen Ensemble-Mitglieder agieren jederzeit glaubwürdig.

Die geschilderten Konflikte sind ohnehin nachvollziehbar, weshalb der Reiz des Films nicht zuletzt aus der typischen Publikumsfrage resultiert: Wie würde ich mich anstelle der Hauptfiguren verhalten? Das Drehbuch konstruiert keine Fallstudie, sondern schildert ein völlig realistisches Ereignis, das allen widerfahren könnte, die sich bei ihren Arbeitskräften die Sozialabgaben sparen wollen.

Bei Jana und Alexander sind die potenziellen Konsequenzen natürlich besonders groß, und das nicht nur wegen seiner politischen Ambitionen: Sie setzt sich in ihrer Masterarbeit anhand der Texte von Annie Ernaux und Pierre Bourdieu mit der "Verantwortung der Intellektuellen" auseinander.