TV-Tipp: "Tatort: MagicMom"

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5. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: MagicMom"
"MagicMom" ist ein "Tatort"-Krimi, der zwar vor allem Komödie ist, aber äußerst witzig, selbst wenn sich mitunter der Eindruck aufdrängt, Axel Prahl und Jan Josef Liefers hätten stellenweise fröhlich drauflos improvisiert.

Gut möglich, dass einige ältere Mitglieder des ZDF-Publikums ihr Wissen über das Internet dem Klassiker "Wilsberg" verdanken: Die Reihe aus Münster befasst sich regelmäßig kritisch mit den Folgen der Digitalisierung. Mit "MagicMom" greifen auch die Kollegen vom "Tatort" das Themenspektrum auf. Das Ergebnis ist ein Krimi, der zwar vor allem Komödie ist, aber äußerst witzig, selbst wenn sich mitunter der Eindruck aufdrängt, Axel Prahl und Jan Josef Liefers hätten stellenweise fröhlich drauflos improvisiert. In der Vergangenheit litten nicht wenige der mittlerweile gut vierzig Geschichten über die gemeinsamen Ermittlungen von Hauptkommissar Thiel und Rechtsmediziner Boerne unter der spürbaren Vorgabe, um jeden Preis lustig zu sein. Auch Episode Nummer 43 ist vorwiegend heiter, doch diesmal ist die Comedy-Ebene schlüssig mit dem Fall verknüpft. 

Außerdem sind nicht nur die beiden Hauptdarsteller gut drauf. ChrisTine Urspruch war schon immer mehr als bloß die Stichwortgeberin für Liefers, aber auch Björn Meyer hat sich längst an der Seite von Prahl etabliert. Weil ihre Chefs mit den Köpfen noch im letzten Jahrhundert stecken, gibt es zudem einige politisch sehr unkorrekte Bemerkungen. Silke Haller musste sich das von Anfang an gefallen lassen, nun kriegt auch der schwule Schrader – er bevorzugt die Bezeichnung "queer" – seine Seitenhiebe ab ("Schrader*in").

Selbstredend können solche Scherze auch schrecklich schiefgehen, aber Regisseurin Michaela Kezele, deren Fernsehfilme bislang ausnahmslos sehenswert waren (neben zwei "Zimmer mit Stall"-Episoden zuletzt vor allem das bewegende Gaffer-Drama  "Und ihr schaut zu") bewahrt den auch dank der lebhaften Musik recht flott erzählten Film davor, auf Stammtischniveau zu sinken. Haller ist sowieso selbstbewusst genug, um dem eingebildeten Professor Paroli zu bieten.

Bei soviel Nebenschauplatz ist die Gefahr groß, dass die eigentliche Krimi-Handlung wie schon des Öfteren zum bloßen Vehikel für Wortwechsel und Slapstick-Momente verkommt. Das ist auch bei "MagicMom" nicht ganz falsch, aber gerade Liefers agiert derart gut gelaunt, dass sich sogar Miesepeter und –petras nicht lange gegen ein Dauergrinsen wehren werden.

Der Handlungsauslöser ist allerdings gar nicht lustig: Mitten in der Aufnahme zu einem Werbevideo für ein Schranksystem, das angeblich die Lösung für jedes Chaos im Kinderzimmer darstellt, erliegt die Titelfigur einem Erstickungsanfall. Die Haushälterin hat Evita Vogt (Laura Louisa Garde) allerdings ganz anders vorgefunden: aufgehängt mit einem Stromkabel. Dass ein Mord als Suizid kaschiert wird, ist ein beliebtes Krimimotiv, aber warum sollte jemand einen derart tragischen Unglücksfall wie einen Selbstmord erscheinen lassen?

Natürlich müssen Thiel und Boerne, beide alles andere als "Digital Natives", nun erst mal den kleinen Internet-Führerschein machen. Frau Vogt war mit weit über 600.000 "Followern" äußerst erfolgreich und hatte daher auch Neiderinnen: Nachbarin Thekla (Monika Oschek) zetert, Evita habe der Welt die "Miss Perfect" nur vorgespielt; in Wirklichkeit hätten Angestellte und Lieferservices dafür gesorgt, dass der Haushalt läuft.

Außerdem hat die Frau ein Auge auf den Witwer (Golo Euler) geworfen. Eine Konkurrentin, die sich "BusyBine" (Agnes Decker) nennt, hat "MagicMom" in einem Kommentar gar den Tod an den Hals gewünscht. Alles nur Show, versichert die Frau, in deren Studio Thiel und Boerne feststellen, dass in der Welt dieser Influencerinnen offenbar ohnehin fast alles Lug und Trug ist.

Manch’ ein Gag wirkt zwar, als habe sich Drehbuchautorin Regine Bielefeldt an der Resterampe bedient, aber weil Prahl und Liefers ihre Pointen mit großer Spielfreude vortragen, sind sogar fadenscheinige Wortspiele ("Boerne-out") ein großes Vergnügen. Weitaus origineller ist allerdings die Idee, Boerne selbst als Influencer zu inszenieren und ihn auf diese Weise, auch optisch entsprechend gestaltet, zum Beispiel über den Unterschied zwischen Tod durch Strangulation und Asphyxie dozieren zu lassen.

Der Rest ist Beiwerk. Die dramaturgisch nur bedingt notwendigen Szenen während eines Straßenfests wirken wie ein Freiluftausgleich zu den vielen Kammerspieldialogen, die dank der Bildgestaltung (Felix Novo de Oliveira) allerdings interessant umgesetzt sind.

Gegen Ende erfreut der Film zudem durch eine Fahrradverfolgungsjagd durch die Fußgängerzone; nun zeigt sich auch, warum die Mitwirkung von Titus (Casper Gold), seines Zeichens Großneffe von Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) und jugendlicher Handball-Star, durchaus ihre Berechtigung hat.