TV-Tipp: "Tatort: Liebe mich!"

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20. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Liebe mich!"
2012 hat die ARD den ersten "Tatort" aus Dortmund ausgestrahlt. Die Befindlichkeiten innerhalb des Teams waren von Anfang an mindestens genauso wichtig wie die Fälle, die das Quartett zu lösen hatte. So ist es auch wieder in "Liebe mich!". Hinzu kommt das Serienmörder-Sujet.

Das war in Ordnung, wenn sich das eine mit dem anderen deckte, weil beispielsweise der lebensmüde Faber wie besessen von der Jagd auf den Mörder seiner Familie war; oder weil wie zuletzt der Kollege Pawlak (Rick Okon) seine Frau aus dem Drogensumpf befreien wollte. Die Beziehungsprobleme der früheren jungen Mitglieder ließen die Filme allerdings mitunter eher wie Teenagerdramen als wie Krimis wirken.

In die gleiche Richtung gingen zuletzt die unliebsamen Folgen einer Affäre von Martina Bönisch (Anna Schudt) mit dem Leiter der Kriminaltechnik, Haller (Tilman Strauß): Der Kollege kommt nicht damit klar, dass die Hauptkommissarin die Beziehung beendet hat, benimmt sich wie ein Stalker und setzt Gerüchte in die Welt. In "Liebe mich!" hält er in seiner gekränkten Eitelkeit gar eine wichtige Information zurück, weil Bönisch verständlicherweise keine Lust hat, sich ständig zu erniedrigen, damit er seine Arbeit erledigt. Völlig zu Recht spricht Faber von Kindergarten; da kann er noch nicht ahnen, welche furchtbaren Folgen das kindische Verhalten Hallers haben wird.

Das Drehbuch stammt wieder von Jürgen Werner. Der Schöpfer des Quartetts hat den Werdegang der Dortmunder mit bislang zwölf Beiträgen geprägt wie kaum ein anderer Autor ein "Tatort"-Team. Die 22. Episode konfrontiert das Quartett mit der spätestens seit dem Hitchcock-Thriller "Psycho" (1960) nicht mehr originellen Geschichte vom Serienmörder, der seine Hassliebe zur eigenen Mutter auf andere Frauen überträgt.

Interessant sind die Details: Die Opfer verschwinden stets am 4. Juni. Zwei Tage später pflegt der Täter eine Friedwaldgrabstelle zu reservieren. Die Methode ist ebenso wie perfide wie raffiniert: Wo ließen sich Leichen besser verstecken als auf einem Friedhof? Tatsächlich sind die vor knapp einem Jahr verscharrten sterblichen Überreste seines letzten Opfers nur aufgrund eines Zufalls entdeckt worden. Das Bestatterehepaar Thomas und Julia Ihle (Jan Krauter, Martina Mitterhofer) kann sich allerdings nicht erinnern, wer die Reservierungen vorgenommen hat.

Der Täter hat seine Opfer über ein Datingportal kennengelernt, auf dem auch Bönisch schon mal unterwegs war. Weil es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihr und den bisherigen Opfern gibt, macht sie sich zum Lockvogel, denn wieder ist der 4. Juni. Ein riskantes Unterfangen, das prompt schiefgeht, allerdings entführt der Mörder nicht sie, sondern die Kollegin Rosa (Stefanie Reinsperger). Das letzte Drittel des Films ist Thriller pur; erst recht, als klar wird, dass das Team nur die halbe Wahrheit kennt.

Bislang war die vor einem Jahr als Nachfolgerin von Nora Dalay (Aylin Tezel) eingeführte Rosa im Grunde nur eine Nebenfigur ohne Vorgeschichte. Die liefert Werner nun nach und schafft somit die Grundlage für einen Handlungsstrang, der garantiert noch fortgesetzt wird. Faber war als Vorgesetzter bereits informiert, aber jetzt erfährt auch der Rest des Teams, dass die Mutter der nach Rosa Luxemburg benannten Kollegin steckbrieflich gesucht wird; das ist ein Knüller, der nur noch vom Schluss des packenden Finales übertroffen wird. Bei aller Spannung gelingt es Werner, zwischendurch sogar für ein bisschen Romantik zu sorgen: So stark wie diesmal hat es noch nie zwischen Faber und Bönisch geknistert.

Regie führte Torsten C. Fischer, dessen Krimis immer sehenswert sind. Zwei seiner jüngsten "Tatort"-Episoden sind ebenfalls für den WDR entstanden: In "Der Tod der Anderen" (2021) wurden die Kölner Kommissare mit einem alten DDR-Skandal konfrontiert; noch besser war zuletzt "Vier Jahre" (2022), ein origineller und clever konstruierter Krimi, in dem namhafte Schauspieler mit großer Spielfreude namhafte Schauspieler spielten. Mit Werner hat Fischer bereits bei "Monster" (2020) zusammengearbeitet, jenem "Tatort", in dem Faber endlich über seinen Erzfeind triumphierte.

Auch "Liebe mich!" wird in späteren Rückblicken auf die Historie des Dortmunder Teams eine besondere Rolle spielen, zumal die Kamera-Arbeit ausgezeichnet ist; gerade den höchst intensiven letzten Akt haben Fischer und seit über 30 Jahren bevorzugter Kameramann Theo Bierkens angemessen düster gestaltet. Großen Anteil an der Atmosphäre hat auch das gerade rund um den Täter mit viel Liebe zum Detail erstellte Szenenbild. Außerdem ist es Werner gelungen, dem vermeintlich abgenutzten Serienmörder-Sujet tatsächlich noch neue Seiten abzugewinnen.