Theologe Lutterbach: Segnungsverbot für queere Paare inakzeptabel

Regenbogen
©epd-bild/Stephan Krems
Das Segnungsverbot für queere Paare ist nach Ansicht des katholischen Priesters Hubertus Lutterbach inakzeptabel: Die katholische Kirche darf auch homosexuellen Paaren den kirchlichen Segen nicht verweigern.
Theologe Lutterbach: Segnungsverbot für queere Paare inakzeptabel
Studie: Bibel verurteilt keine homosexuellen Beziehungen
Aus Sicht des katholischen Priesters Hubertus Lutterbach darf die katholische Kirche auch homosexuellen Paaren den kirchlichen Segen nicht verweigern. „Segen ist Ausdruck der Gottesliebe und der Nächstenliebe. Wie könnten wir Menschen den Segen vorenthalten, die sich zu dieser Liebe bekennen?“, so der Theologe. „Jesus hat gesagt: Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran halten wir uns.“
05.05.2021
epd
epd-Gespräch: Urs Mundt

Lutterbach ist Professor für Christentums- und Kulturgeschichte an der Universität Duisburg-Essen und Priester in der Osnabrücker Pfarrgemeinde Heilig Kreuz. Die Gemeinde folgt dem bundesweiten Aufruf „Liebe gewinnt“ zweier katholischer Priester, indem sie nicht-heterosexuelle Paare einlädt, sich am 9. Mai im regulären Sonntagsgottesdienst segnen zu lassen. „Wir wollen deutlich machen, dass bei uns alle willkommen sind, auch die, die nicht katholisch getraut sind“, betonte Lutterbach.

Die Gemeinde wolle aber auch ein kirchenpolitisches Zeichen setzen. Am 15. März hatte die katholische Glaubenskongregation in Rom mit Zustimmung von Papst Franziskus jede Segnungsform für unzulässig erklärt, mit der über den Segen von Einzelperson hinaus auch die homosexuelle Partnerschaft anerkannt werde. Solche Verbindungen seien nicht „auf den Plan des Schöpfers hingeordnet“, hatte Kardinal Luis Ladaria, der Präfekt der Glaubenskongregation, erklärt. „Das ist nicht akzeptabel“, sagte Lutterbach. Es gelte, den neuen Lebenswirklichkeiten Rechnung zu tragen. „Das wollen wir tun, und zwar aus dem Evangelium heraus, nicht gegen es.“

Der Seelsorger befürwortet auch die Öffnung von Priesteramt und Diakonat für Frauen. Er ist überzeugt, dass sich die Kirche auch den neueren Fragen sexueller und geschlechtlicher Identität stellen müsse. Menschen mit Trans-Identität und solche, die sich weder als Mann, noch als Frau verstehen, dürften sich von der Kirche nicht ausgegrenzt fühlen. Anschlussfragen, etwa ob solche Menschen Priester werden oder eine katholische Ehe eingehen können, müssten ebenfalls diskutiert werden. Daher ermutigt Lutterbach Priester, sich selbst öffentlich zur eigenen sexuellen Identität zu bekennen. „Das würde helfen, Tabus abzubauen, und die Gesprächskultur zu verbessern“, sagte der Theologe.

Ohnehin habe sich in der katholischen Kirche hierzulande in den letzten zehn Jahren viel verändert. Die überwältigende Mehrheit der deutschen katholischen Bischöfe sehe in den Segensfeiern für homosexuelle Paare kein Problem mehr, erklärte Lutterbach. Und die Heilig Kreuz-Gemeinde habe in Reaktion auf die Glaubenskongregation im März die Regebogenfahne gehisst. „Um es mit Joe Biden zu sagen: Die katholische Kirche ist on the move again.“

Untersuchung zu Bibelstellen

Queere Theologen fordern eine Neubewertung der biblischen Aussagen zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Eine jetzt vorgestellte Untersuchung des Londoner Wijngaards-Instituts für katholische Studien zeige auf, dass man der Bibel keine Argumente gegen auf Dauer und Treue angelegte gleichgeschlechtliche Beziehungen entnehmen könne, heißt es in einer am Mittwoch in Nürnberg verbreiteten Erklärung des Katholischen LSBT+Komitees.

„Die Verdammung von homosexuellen Handlungen durch das Lehramt hat jetzt keine theologische Grundlage mehr“, erklärte der Sprecher des Komitees, Michael Brinkschröder. Der Report des Wijngaards-Instituts komme zum richtigen Zeitpunkt. Veronika Gräwe, Sprecherin des LSBT+Komitees, fügte hinzu, die Ergebnisse lieferten wichtige Impulse für die Debatte über gleichgeschlechtliche Beziehungen in der katholischen Kirche, die aktuell im Rahmen des Synodalen Wegs, aber auch in vielen Kirchengemeinden und Diözesen geführt werden.

Seit Jahrzehnten werde die Bibel benutzt, um die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu rechtfertigen, hieß es weiter. Der Anfang Mai veröffentlichte Report des Wijngaards Institute for Catholic Research „Christian Objections to Same-Sex Relationships: An Academic Assessment“ (Christliche Einwände gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen: Ein akademisches Gutachten) zeige, dass „die Bibelverse, die so lange als Verurteilung dieser Beziehungen angesehen wurden, nichts dergleichen tun“. Der Text geht besonders auf Textstellen im Alten Testament ein.

Der Bericht setzt sich den Angaben zufolge auch mit der klassischen Verurteilung gleichgeschlechtlicher Orientierung als „unnatürlich“ auseinander. Die Studie hebe zudem die wissenschaftlichen Erkenntnisse hervor, die gleichgeschlechtliche Orientierung inzwischen als eine natürliche Variante menschlicher Sexualität betrachten.

Das Katholische LSBT+Komitee ist ein kirchenpolitisches Arbeitsbündnis und setzt sich für die Gleichberechtigung von queeren Personen in der römisch-katholischen Kirche ein. Das 1983 gegründete Wijngaards Institute for Catholic Research (WICR) gilt nach eigenen Angaben als eine der führenden Denkfabriken unter anderem für die Themen Gleichstellung und Sexualethik.