Bischöfin gedenkt der Amok-Opfer in Volkmarsen

Gedenkgottesdienst in  Volkmarsen, nach der Amokfahrt vom 24.2.2020
© Swen Pförtner/dpa
Pfarrerin Britta Holk und Pfarrer Martin Fischer sprachen beim ökumenischen Gedenkgottesdienst in der evangelischen Kirche von Volkmarsen.
Bischöfin gedenkt der Amok-Opfer in Volkmarsen
Am Jahrestag der Amok-Fahrt im nordhessischen Volkmarsen haben Bürger mit Vertretern von Kirchen und Politik der rund 150 körperlich und seelisch Verletzten in einem Gottesdienst gedacht. Die Angst dürfe das Vertrauen der Menschen zueinander nicht zerstören, sagte die kurhessische Landesbischöfin Beate Hofmann.

"Zerrissen fühlt sich das Leben hier im Moment an", sagte die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann in der evangelischen Kirche von Volkmarsen. Die schrecklichen Bilder, wie ein damals 29-Jähriger beim Faschingsumzug in der Kleinstadt im Landkreis Waldeck-Frankenberg mit dem Auto in die feiernde Menschenmenge gerast war, seien noch da. Die Fragen, was den Täter getrieben hat und ob so etwas wieder passieren kann, seien weiterhin offen.

Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, sprach beim ökumenischen Gedenkgottesdienst zum Jahrestag der Amokfahrt beim Karnevalsumzug.

Trotzdem solle diese Erfahrung nicht so mächtig werden, dass kein Platz mehr für Lebenslust und Gemeinschaft sei, sagte die Bischöfin. "Die Angst voreinander soll unser Miteinander nicht beherrschen." Das Miteinander brauche Vertrauen. "Dieses Vertrauen zueinander, das dürfen die Attentäter unserer Zeit nicht kaputtmachen - nicht in Volkmarsen, nicht in Hanau, nicht in Wolfhagen", sagte Hofmann. Der Glaube an Gott ermögliche eine Gegenerfahrung: "Das Vertrauen auf Gott macht uns fähig, auch einander zu vertrauen." Dieses Vertrauen gebe die Kraft, auch über das Schwere zu sprechen und das Leben miteinander zu feiern.

Frage nach dem Warum noch unbeantwortet

Das Gefühl der Ohnmacht, dem Bösen nicht Einhalt bieten zu können, könne sich beim Gedenken wieder melden, sagte der katholische Fuldaer Weihbischof Karlheinz Diez. Auch die unbeantwortete Frage nach dem "Warum?" mache ohnmächtig. Menschen brauchten jemanden, dem sie ihre Gefühle übergeben können. Gott nehme alle Gefühle an. Auch die Dankbarkeit für die vielen Helferinnen und Helfer und für die stärker gewordene Gemeinschaft im Ort. In der Bitte des Vaterunsers um das tägliche Brot dürften Betende alle Lebensbedürfnisse nach Gerechtigkeit, Frieden, Trost und Heilung Gott hinhalten.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der zum Gottesdienst eingeladen war, hatte erklärt, die schreckliche Tat mache ihn bis heute fassungslos und traurig. "Der Schock darüber sitzt nach wie vor tief. Die Opfer werden noch lange brauchen, um ihre Ängste, Sorgen und den Schmerz zu überwinden", sagte er. Bouffier versicherte ihnen seine Anteilnahme. Er dankte den Helfern, die sich um die Verletzten bis heute kümmerten. Zudem verwies er auf den vom Landtag beschlossenen Fonds zur Hilfe für die Opfer von Straftaten. "Noch immer quält uns die Frage nach dem Warum, und wir wissen nicht, ob wir darauf jemals eine Antwort erhalten werden", sagte Bouffier weiter.

Täter wartet auf seinen Prozess

Zu dem Gottesdienst waren Vertreter von Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei und dem Ausrichter des damaligen Rosenmontagszugs, der Volkmarser Karnevalsgesellschaft, eingeladen. Auch der Bürgermeister der Stadt, Hartmut Linnekugel (parteilos), sowie eine Sprecherin der Opfer waren beteiligt. Wegen der Corona-Pandemie waren nur geladene Gäste zugelassen, der Gottesdienst wurde vom Hessischen Rundfunk online übertragen.

Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft und schweigt bislang zu den Vorwürfen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte im Dezember Anklage erhoben und wirft ihm versuchten Mord in 91 Fällen, gefährliche Körperverletzung in 90 Fällen und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vor. Die Staatsanwaltschaft bezieht sich dabei auf 90 körperlich Verletzte, eine Zeugin konnte sich durch einen Sprung vor dem Auto retten. Der Beschuldigte habe einen silbernen Mercedes-Kombi ungebremst und zielgerichtet mit 50 bis 60 Stundenkilometern in die dichte Menschenmenge gesteuert. Wann der Prozess vor dem Landgericht Kassel startet, ist bislang noch unklar.