Ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag im hessischen Hanau haben Regierungsvertreter, Verbände und Kirchen am Donnerstag an die Opfer erinnert. Die Diakonie und der Zentralrat der Juden drängten auf eine dauerhafte staatliche Förderung von Initiativen im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
Am Freitag vor einem Jahr, am 19. Februar 2020, hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau an mehreren Orten neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Ein Gutachten diagnostizierte bei dem Täter paranoide Schizophrenie, gepaart mit rassistischer Ideologie.
Bürger vor rassistischer Gewalt schützen
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, erklärte in Berlin, der Staat sei in der Verantwortung, Initiativen verlässlich zu fördern, die sich für eine vielfältige Zivilgesellschaft einsetzen. Eine Kultur der Wertschätzung und Toleranz entstehe nicht von selbst. Für den Schutz vor rassistischer Gewalt für alle Bürgerinnen und Bürger müssten aber auch alle Menschen in ihrem Lebensumfeld eintreten, forderte Lilie. "Der terroristische Anschlag von Hanau lässt uns auch ein Jahr danach keine Ruhe", sagte er. Betroffene von rassistischer Gewalt dürften nie alleine gelassen werden.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, drängte darauf, jene zu stärken, die sich oft mit hohem persönlichen Risiko für eine wehrhafte Demokratie einsetzten. "Das geplante Fördergesetz muss endlich vorgelegt werden", verlangte Schuster: "Die beschlossenen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus dürfen nicht in der Schublade verschwinden."
Rechtsextreme Netzwerke aufdecken
Der Zentralratspräsident erinnerte an den Schock nach dem Anschlag. Als er im vergangenen Jahr in Hanau gewesen sei, sei die Trauer in der ganzen Stadt zu spüren gewesen, sagte er. Die Angehörigen der Opfer müssten seit diesem Tag mit dem schrecklichen Verlust leben. Viele litten unter den Spätfolgen des Anschlags: "Ihnen gilt unsere Solidarität und unser Mitgefühl", sagte Schuster und forderte mehr Unterstützung für die Hinterbliebenen.
Die Aufarbeitung des Verbrechens sei noch nicht abgeschlossen, mahnte Schuster: "Der Täter hat sich nicht in einem Vakuum radikalisiert." Jetzt gelte es, die rechtsextremen Netzwerke, die weiterhin existieren, aufzudecken.
Die Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, erklärten, sie unterstützten die Forderungen der Hinterblieben nach lückenloser Aufklärung des Verbrechens. Rechtsextremer Terror entstehe keinesfalls aus dem Nichts. Der 19. Februar 2020 dürfe nicht ohne politische Konsequenzen bleiben.
Rheinischer Präses sendet Videobotschaft
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, sie trauere mit den Familien und Freunden der Opfer. Die Tat sei "ein gezielter rassistischer Angriff" und ein Anschlag auf die vielfältige Gesellschaft gewesen. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus habe "höchste Priorität", erklärte Giffey. Sie versicherte, sie arbeite gemeinsam mit dem Bundesinnenminister an einem Gesetz, um für die Projekte, die über das Bundesprogramm "Demokratie leben!" gefördert werden, dauerhafte und finanziell verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Bisher müssen die Initiativen die staatlichen Zuschüsse immer wieder neu beantragen.
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Der rheinische Präses Manfred Rekowski erinnerte an die Opfer und deren Familien. "Was an diesem Tag geschah, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt", sagte Rekowski in einer in Düsseldorf veröffentlichten Videobotschaft. "Über neun Familien wurde unendlich viel Leid gebracht." Für Christen sei jeder Mensch ein Ebenbild Gottes, betonte der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland. Christinnen und Christen müssten rassistischen und rechtsextremistischen Äußerungen widersprechen. "Der 19. Februar erinnert uns daran: Was mit Worten beginnt, kann furchtbar enden. Da müssen wir widerstehen", forderte Rekowski.