Vernetzt trotzt man Corona besser

Stephanus-Stift
© Evangelische Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal e.V.
Das Stephanus-Stift im Herrenberger Teilort Kuppingen vernetzt Altenhilfe und Gemeinde eng.
Vernetzt trotzt man Corona besser
Wie Senioren-Stift dank evangelischer Schwesternschaft mit ganzem Ort in Kontakt bleibt
Das Stephanus-Stift im Herrenberger Teilort Kuppingen vernetzt Altenhilfe und Gemeinde eng. Der Corona-Lockdown war zunächst für alle Beteiligten ein Schock. Mit viel Kreativität wird jetzt die Gemeinschaft weiter gepflegt.

Mitten in einem "Aufbruch in einen anderen Alltag" steht das Stephanus-Stift in Herrenberg-Kuppingen. "Es ist ein Balanceakt. Und es erfordert Kreativität, neu zu denken", sagt Einrichtungsleiter Bruder Daniel Trick zur neuen Normalität in der Corona-Pandemie. Dieser Tage gab es den ersten Ausflug für Rollstuhlfahrer, bei dem sich Ehrenamtliche und Heimbewohner trafen. "Der Lockdown war ziemlich hart und für eine offene, gut vernetzte Einrichtung wie die unsere ein regelrechtes Schockerlebnis", berichtet Trick.

Die Evangelische Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal hat das vor fünf Jahren eröffnete Stift stark im Ort vernetzt, und das kommt an: "Wir sind dankbar, dass wir solch ein Angebot für ältere Menschen mitten im Ort haben", sagt Ortsvorsteher Markus Speer. Im Erdgeschoss des Gebäudes ist beispielsweise eine Bäckerei samt Café und Stiftsräume sind Begegnungsstätten für Gottesdienste, Volkshochschulkurse und andere Angebote.

Mit dem Lockdown im März war erst mal alles zu. An den Türen mussten sogar die Ärzte klingeln, berichtet Trick. Niemand wusste, wie sich die Lage entwickelt. Trotz Unsicherheiten klaren Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen, "kostete alle miteinander viel Kraft". Wichtig war Trick, dass die Angehörigen immer gut informiert waren - durch regelmäßige Anschreiben und über die Homepage des Stifts.

Dann entstanden zügig neue Netzwerkformen. Sie stützten sich auf Telefon und Videokonferenzen. Es wurden zusätzliche Schnurlostelefone angeschafft, mobile Lautsprecher, ein tragbares Keyboard, Headsets. Der Vorstand der Schwesternschaft genehmigte für drei Monate eine spendenfinanzierte Stelle in der Betreuung. "So konnten wir Aktivierungen und Veranstaltungen wenigstens intern aufrechterhalten und zum Teil sogar auch ausbauen", freut sich Trick.

Bewohner scheinen weniger beeinträchtigt als Angehörige

Offene Veranstaltungen mit Besuchern aus dem Ort wie Spielenachmittag oder Seniorengymnastik finden jedoch derzeit nicht statt. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf die Wohngruppen. Trick beobachtet, dass die Einschränkungen den Stiftsbewohnern weniger ausmachten als deren Angehörigen.

Das bestätigt Bewohnerin Marianne Hahn: "Als mein Sohn mich besucht hat, hat er sich darüber empört, weil er an dem einen Tischende sitzen musste und ich am anderen." Auch Mundschutzpflicht und die Kontaktdaten-Hinterlegung sorgten für Irritation. Aber das hat sich wieder eingerenkt. Der Sohn wurde kreativ: Er hat ihr beispielsweise vom Garten aus mit Hilfe eines Apfelpflückers Obst ans Zimmerfenster hochgereicht.

Bewohnerin Marianne Hahn  mit Sabine Breitling und Ortschaftsrat Hans-Jörg Haarer.

"Man muss nur kreativ werden", sagt auch Sabine Breitling, die die Betreuungsangebote im Stephanus-Stift koordiniert. Dem Team im Haus sei wichtig gewesen, dass vieles blieb wie immer: Kreativ-Café, Gottesdienste oder "Singen und Schwingen mit Humor" - jetzt eben für jeden Wohnbereich separat. Das sei organisatorisch eine Herausforderung gewesen.

Dankbar war sie über zwei Ehrenamtliche, die einen Monat lang jeden Tag geholfen haben, die strengen Hygiene-Auflagen bei Besuchen umzusetzen. Sie packten an - vom Eintreffen der Besucher bis zum Desinfizieren der Tische im Saal.

Kreativität der Besucher beeindruckt

Ortschaftsrat Hans-Jörg Haarer war einer der beiden. Ihn hat die Kreativität der Besucher beeindruckt: "Da hat dann der Vater ein Headset für die Oma mitgebracht und die Enkel hatten auch eins und dann hat man auf Distanz miteinander sprechen können. Man hat einfach immer das beste aus der Situation rausgeholt", berichtet er.

Beliebt waren auch die "Zaungespräche". Stühle und Bänke vor dem Zaun ums Stift und Sonnenschirme luden Besucher ein. Eine Bewohnerin habe sich jeden Tag dort mit ihrer Schwester getroffen, berichtet Haarer. Und sagt: "Wir hoffen alle, dass diese schwere Zeit während des Lockdowns nicht mehr kommt, dass sich jeder Mitbürger an die Regeln hält und uns dadurch solche Einschnitte erspart bleiben."

Einrichtungsleiter Trick sieht auch Positives: "Einige Veränderungen nehmen wir in die Zukunft mit." Für viel gute Zusammenarbeit ist er dankbar, auch mit den Behörden. Der Landkreis Böblingen etwa ließ alle Heime durchtesten, um Klarheit über die Ausbreitung des Virus zu haben. "Und es waren alle negativ, das nahm viel der Spannung heraus", sagt Trick.

Diese Vernetzung ist ein "ungeheurer Schatz"

Im Stiftsgarten gibt es jetzt einen gespendeten Pavillon mit Rosen, in dem sich die Bewohner gern treffen. Und aus Texten, Bildern und Postkarten, die unter anderem von Konfirmanden und Kindergartenkindern ins Stift geschickt wurden, entstand eine Erinnerungswand. Die langjährige Vernetzung schlug sich in der Krise auch in Pizza-Lieferungen oder musikalischen Einlagen im Garten nieder. Hans-Jörg Haarer nennt diese Vernetzung einen "ungeheuren Schatz".

Heidrun Kopp, Oberin und zugleich Theologischer Vorstand der Evangelischen Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal bilanziert: Die Mängel im Gesundheitssystem würden derzeit "sehr deutlich". Aber auch was gut ist, wie die Vernetzung, wird sichtbar.