Käßmann fordert ältere Menschen zum zu Hause bleiben auf

Margot Käßmann
© epd-bild/Christian Topp
Margot Käßmann
Käßmann fordert ältere Menschen zum zu Hause bleiben auf
Ehemalige EKD-Ratsvorsitzende erntet scharfe Kritik für ihre Äußerungen
Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Käßmann fordert schnelle Schul- und Kita-Öffnungen - und die Bereitschaft Älterer, dafür zu Hause zu bleiben. Mit Blick auf die Isolation vieler Pflegeheimbewohner kritisieren Patientenschützer die Äußerungen scharf.

Die frühere hannoversche Landesbischöfin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Margot Käßmann befürwortet in der Corona-Krise einen "Deal der Generationen". Ältere Menschen sollten zugunsten der Kinder zu Hause bleiben, sagte die evangelische Theologin mit Blick auf die weiter eingeschränkten Kita- und Schulangebote dem sozialen Straßenmagazin "Asphalt" in Hannover. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte Käßmanns Äußerungen scharf.

Käßmann erklärte in dem Interview, die Älteren hätten ein gutes Leben gelebt. Deshalb sei es angesichts der Bedrohung durch Covid-19 jetzt an ihnen, zugunsten der Kinder zu verzichten: "Wenn ich wüsste, dass die Kleinen und Jüngeren wieder rauskönnen, wenn wir, die über Sechzigjährigen, die Risikogruppen, zu Hause blieben, wenn das der Deal wäre, dann würde ich mich darauf einlassen", sagte Käßmann und forderte zugleich eine zügige Öffnung von Kitas und Schulen.

Isolation in Pflegeheimen

Gerade die Älteren seien "mehrheitlich die Luxusgeneration, die es so gut hatte wie keine Generation vorher und keine danach". Keine Generation sei weniger von den wirtschaftlichen Folgen der Krise betroffen, sagte Käßmann dem in Niedersachsen vertriebenen Magazin, dessen Mitherausgeberin sei seit Februar 2019 ist.

Die Ankündigung des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele, er werde klagen, falls er eingesperrt würde, damit Kinder früher ihr bisheriges Leben zurückbekämen, bezeichnete Käßmann als "ziemlich unsolidarisch". "So ein alter Kerl, der viel gelebt hat, sich viel bewegt hat in einem langen Leben, der kann jetzt durchaus mal ein bisschen zurückstecken, damit jetzt die Kinder rauskönnen", sagte sie.

EKD-Präses befürchtet seelischen Schaden

Patientenschützer Brysch sagte: "In einer Zeit, in der 800.000 Pflegebedürftige systematisch in Heimen isoliert werden, sollte niemand mehr Verzicht von alten Menschen einfordern." Ältere Menschen seien etwa in Hinblick auf die derzeitige Isolation in den Pflegeheimen Leidtragende der Corona-Pandemie. Es sei die Kriegsgeneration und nicht die Luxusgeneration, von der die ehemalige Landesbischöfin rede, sagte Brysch und ergänzte: "Manchmal wäre es besser, Margot Käßmann würde selbst zurückstecken und einfach schweigen."

Auch die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, widerspricht den Äußerungen von Margot Käßmann. Zum Lebensschutz und zur Würde des Menschen gehöre nicht nur die physische Unversehrtheit, sondern auch die seelische Gesundheit, sagte Schwaetzer dem Evangelischen Pressedienst. Die werde beeinträchtigt, wenn beispielsweise Alte in Pflegeheimen abgeschottet werden.

Generationen nicht gegeneinander ausspielen

"Wenn Margot Käßmann nun fordert, die Alten sollen freiwillig auf Kontakte, also in der Konsequenz auch Besuche der eigenen Kinder verzichten, muss ich widersprechen: Das geht gegen die seelische Gesundheit", sagte Schwaetzer und ergänzte: "Darauf haben auch die Alten ein Recht."

Die frühere Bundesministerin und FDP-Politikerin Schwaetzer sagte, sie könne es "überhaupt nicht ertragen, dass uns älteren Menschen keine Lebensklugheit zugetraut wird". Natürlich verhielten auch sie sich so, dass sie sich selbst und anderen möglichst wenig schaden. "Die Älteren - jedenfalls alle, die ich kenne - richten sich ohnehin derzeit eher zu Hause ein, weil sie das Virus nicht erwischen wollen. Ich kenne da keinen, der demonstrieren geht", sagte Schwaetzer. "Dazu brauche ich keine Ratschläge."

Die 78-Jährige warnte davor, die Generationen gegeneinander auszuspielen: "Wir sitzen wirklich alle in einem Boot." Auch sie sehe, "dass die Kinder wieder raus müssen". "Ich finde es nicht nachvollziehbar, dass sich Politiker nicht alle Mühe geben, Kinder wieder in den Alltag zurückkehren zu lassen", sagte Schwaetzer.