Ein Ausweg für alle Probleme?

Kirche "Igreja Universal do Reino de Deus" in Sao Paulo
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Anstehen für den Gottesdienst bei der Kirche "Igreja Universal do Reino de Deus" in Sao Paulo, deren Sitz die Form des Tempels von Salomon hat
Ein Ausweg für alle Probleme?
Die "Universalkirche vom Reich Gottes" ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch
Die aus Brasilien kommende "Universalkirche vom Reich Gottes" gewinnt rasant an Mitgliedern. Die offenbar mit Präsident Bolsonaro eng verbundene neo-pfingstlerische Gemeinschaft verspricht die Beseitigung aller Probleme: mittels Glaube - und Geld.

Die einstigen Volkskirchen sind auf dem Rückzug, vor allem in Deutschland. Evangelische und katholische Gemeinden verlieren viele ihrer Gläubigen. Die charismatischen Pfingstkirchen aber melden enorme Mitgliederzuwächse, vor allem in Lateinamerika, Afrika oder Asien. Aber auch in Deutschland versuchen sie zunehmend, Fuß zu fassen.

Symptomatisch für diese Entwicklung steht die Neue Nazarethkirche am Leopoldplatz in Berlin-Wedding. Die mächtige Kirche im neugotischen Stil wurde 1893 eingeweiht. Sie war die zweite Predigtstätte der aus allen Nähten platzenden Arbeitergemeinde. Der fast 80 Meter hohe Turm mit dreifachem Glockengeläut rief Sonntag für Sonntag die Evangelischen zum Gottesdienst. Doch genau 100 Jahre später war damit Schluss.

Die Kirche wurde entwidmet und an den Bezirk veräußert, der den Sakralbau 1993 für heute umgerechnet 245.000 € an die Freikirche "Gemeinde Gottes Deutschland" weiter verkaufte. Diese wiederum hat die ehemals evangelische Kirche nun an das "Hilfszentrum Universal" vermietet. Das will die Neue Nazarethkirche jetzt gleich ganz kaufen.

Denn das Hilfszentrum scheint Erfolg zu haben und mehr und mehr Leute anzuziehen. Einen Altar gibt es hier nicht mehr, sondern nur noch ein ausladendes hölzernes Predigtpult. Dahinter, an der weiß getünchten Wand nebst Kreuz eine neonlichtverstärkte Schrift: "Jesus Christus ist der Herr". Davor sind Stühle gestellt.

Innenraum der Neuen Nazarethkirche.

Mindestens viermal am Tag außer Samstags wird hier Gottesdienst gefeiert. Die Predigt ist auf Deutsch und wird simultan via Kopfhörer auf Portugiesisch übersetzt. Augenscheinlich stammen die meisten der Besucher aus Brasilien. Der Pastor redet sich schnell in Rage: Es gebe einen Ausweg für alle Probleme. Egal in welchem Lebensbereich, ob finanziell, gesundheitlich, geistlich, seelisch, im Gefühlsleben oder Allgemein. Schon im Kirchen-Vorraum steht ein "Gebetspunkt", eine Art Stehtisch. Mit dem Versprechen: "Werden Sie frei von der Depression. Ohne Krankenhausaufenthalt, ohne Medikamente und kostenlos". Und das alles in drei Minuten, suggeriert eine aufgedruckte Uhr mit rot markiertem Minuten-Abschnitt. Anders als bei einem Arzt braucht man dafür keinen Termin. Die Kirche ist zumindest tagsüber fast immer offen.

Wie das aber genau mit den Heilungen gehen soll, und ob da wirklich kein Geld im Spiel ist, wollen die Pastoren der Kirche nicht beantworten. Ton- und Bildaufnahmen sind unerwünscht. Das könnte daran liegen, dass das Hilfszentrum Teil der brasilianischen "Universalkirche vom Reich Gottes", auf Portugiesisch "Igreja Universal do Reino de Deus" ist. Sie wurde erst 1977 gegründet und ist zu einer der größten neu-pfingstlerisch-charismatischen Kirchen Brasiliens geworden, die auch erheblichen Einfluss auf die Politik hat.

Edir Macedo bei der feierlichen Eröffnung des Tempels von Salomon der Kirche "Igreja universal do Reino de Deus" in Sao Paulo im Jahr 2014.

"Dem jetzigen Präsidenten Bolsonaro wird nachgesagt, dass er enge Kontakte hat zum Gründer der Kirche, dem selbsternannten Bischof Edir Macedo. Dieser war ursprünglich ein einfacher Angestellter. Die Geschichte der Universalkirche ist begleitet von Skandalen. Da geht es um den Vorwurf der Veruntreuung von Spendengeldern, um Geldwäsche, sogar Kindesentführung", weiß Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen EZW in Berlin.

Er versucht, die wenigen ihm vorliegenden Informationen zusammenzufassen. Denn die brasilianische Universalkirche hält sich auch gegenüber kritisch nachfragenden Sektenexperten bedeckt.

Megakirchen mit Helikopterlandeplatz

Auf mehrfache schriftliche Anfrage teilt Pastor Ulices Vidal vom Berliner Hilfszentrum mit: "Der Bischof Macedo lebt von seiner pastoralen Tätigkeit und dem Urheberrecht, dass er aus den zig Millionen verkauften Büchern erhält. Es gibt verschiedene Pastoren, dass aus der Kirche entlassen wurden und somit durch 'Fake News' sich rächen wollen. Die Kirche hält sich an das Gesetz und lebt eng mit den Steuerbehörden zusammen. Es ist absolut falsch, dass sie Geldwäschepraktiken hat." (sic!)

Auch den Vorwurf der Kindesentführung weist Ulices Vidal zurück. Im Vordergrund sollen offensichtlich nicht die mutmaßlich dunklen Seiten stehen, sondern der strahlende Erfolg, versinnbildlicht in gleißend hellen Megakirchen mit eigenen Medienproduktionsräumen oder Helikopterlandeplatz. Während die etablierten Kirchen schrumpfen, so die architektonische Botschaft, können die Gebäude der Universalgläubigen gar nicht groß genug sein. Das Geschäftsmodell: Nur wer seiner Kirche viel Geld spendet - mindestens 10% des eigenen Vermögens und am besten noch mehr - den wird Gott mit Gesundheit, Reichtum und Wohlstand belohnen, verspricht der charismatische Bischof Macedo. Mittlerweile gehören ihm unter anderem dutzende Radio- und Fernsehstationen.

Heilungsoptimismus, der auch verletzend wirken kann

"Dass man darauf hereinfällt, mag für uns verwunderlich sein. Aber es geschieht in Kontexten, wo die Not so groß ist, dass die Versprechungen das überwölben und attraktiv erscheinen. Dann die vielen Zeugnisse in  Gottesdiensten oder im Internet: Menschen sagen, wie sie ihre Heilung erfahren haben. Was sie jetzt für ein glückliches Leben führen, welchen Wohlstand sie erreicht haben. Das verleitet Menschen offensichtlich dazu, den Verstand an die zweite Stelle zu setzen", versucht Eißler den Erfolg der Pfingstkirche zu erklären.

Die Universalkirche hat nach eigenen Angaben weltweit neun bis zehn Millionen Anhänger. In Deutschland tritt sie in bisher elf Städten unter dem Titel "Universal-Hilfszentrum" auf. Der nationale Hauptsitz ist in Berlin-Wedding. Für den langjährigen Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Reinhard Hempelmann, sind die Heilsversprechen problematischer Teil einer weltweit erfolgreichen pfingstlich-charismatischen Bewegung: "Sie können in manchen Pfingstgemeinden einen fast grenzenlosen Heilungsoptimismus vorfinden, der aber in Konsequenz auch verletzend wirken kann. Menschen wird quasi in Aussicht gestellt: Du kannst ganz schnell heil werden, du kannst ganz schnell die Probleme deines Lebens lösen. Und die Erfahrung zeigt, dass dies nicht möglich ist."

Wer krank bleibt, hat zu wenig geglaubt und gespendet

Alles Schlechte ist nach pfingstlich-charismatischer Lesart Folge persönlicher Sündhaftigkeit. Wer Misserfolg hat oder krank bleibt, hat eben zu wenig geglaubt und zu wenig Geld gespendet. Damit werde großer psychischer Druck ausgeübt, sagen die Kritiker. Ein Teufelskreis.

Bisher ist das Berliner Universal-Hilfszentrum nur Mieter in der Neuen Nazarethkirche. Die neu-pfingstlerische Gemeinschaft will das Gebäude aber kaufen, um ihre deutsche Präsenz ausbauen zu können. Der zuständige Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), zeigt sich wenig begeistert: "Die Universalkirche, das, was da gelehrt und kommuniziert wird, passt nicht in unseren Bezirk. Diese Heilsversprechen, die dort gemacht werden, insbesondere, wenn man viel Geld an den Erfinder dieser Universalkirche gibt, das finde ich unseriös und das wollen wir dann auch nicht in einer ehemaligen bezirklichen Liegenschaft haben."

Der Bezirk hofft, auf Grund einer Vertragsklausel die Kirche zum einstigen Verkaufspreis zurückkaufen zu können, um dort ein soziokulturelles Zentrum zu errichten. Das habe aber nichts mit einer Einschränkung der Religionsfreiheit zu tun, sondern mit einem rein weltlichen Immobilienvertrag, betont der Bürgermeister. Nur sind die Berliner Immobilienpreise seit dem Verkauf 1993 rasant in den Himmel gewachsen und die Universalkirche wird zum Kauf wohl weit mehr Geld bieten können als der arme Berliner Bezirk. Das könnte zu einem Rechtsstreit führen.

Der Berliner Stadtteil Wedding mit der Neuen Nazarethkirche gehört zu den sozial-schwächeren Gebieten Berlins.

Eine einvernehmliche Kommunikation mit der Universalkirche darüber wird es aber wohl nicht geben. Denn jegliche Kritik von außen wird in neo-pentekostalen Kreisen meist als teuflisch-böse zurück gewiesen, sagt EZW-Referent Friedmann Eißler: "Alles was die eigene Kirche in Frage stellt, wird als geistige Anfechtung gedeutet. Insofern ist das eine manipulative Religiosität, eine indoktrinierende Religiosität. Das hat auch mit Gemeinschaftsbildung zu tun. Man bestärkt sich gegenseitig gegen die Angriffe der vermeintlich bösen Welt von außen. Wenn Zweifel bestehen und rationale Argumente kommen, dann heißt es, das sind die Angriffe der Welt."