Fürsprache üben von Duisburg bis Kapstadt

Der Robert Geisendörfer Preis wird alle zwei Jahre verliehen an Fernseh- und Radioproduktionen.
© epd-bild/Sebastian Arlt
Der Robert Geisendörfer Preis wird alle zwei Jahre verliehen an Fernseh- und Radioproduktionen.
Fürsprache üben von Duisburg bis Kapstadt
Der Geisendörfer-Preis 2018
"Fürsprache üben" steht auf der Medaille zum Geisendörfer-Preis. Die ausgezeichneten Journalistinnen und Journalisten 2018 haben in ihren Beiträgen dieses Motto besonders mit Inhalt gefüllt.

"Das war sowieso eine Krankheit, über die man nur hinter vorgehaltener Hand redete." Ein Zitat aus dem Hörspiel "Lauter liebe Worte" von Karlheinz Koinegg, der einen der sieben Geisendörfer-Preise an diesem Abend im Münchener Künstlerhaus verliehen bekam. Koinegg hat sich auf die Spuren seines Vaters begeben, der sich das Leben nahm, als Koinegg neun Jahre alt war. Der Geisendörfer-Preis ehrt genau das, was Koinegg und sein Team um Regisseur Martin Zylka mit ihrer Reise in eine persönliche Vergangenheit umkehren wollten: eben nicht mehr hinter vorgehaltener Hand zu reden.

"Etwas öffentlich machen, Fürsprache üben, Barmherzigkeit vermitteln und Stimme leihen für die Sprachlosen" ist das Motto, das Robert Geisendörfer dem von ihm gegründeten Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik mitgegeben hat. Auf der großen Medaille, die die Preisträger verliehen bekommen, ist der Teil "Fürsprache üben" besonders hervorgehoben.

Der Robert Geisendörfer Preis, der Medienpreis der evangelischen Kirche, wurde 2018 zum 35. Mal vergeben.

Fürsprache üben, das ist in Zeiten, in denen Menschen in Deutschland wegen ihrer Herkunft auf der Straße angegriffen werden, wieder wichtiger geworden. Anna Pein wirft auf diese Situation ein Schlaglicht aus der Vergangenheit: Nach dem Roman "Die Umsiedler" stellte die Autorin "eine große, eindrückliche Erzählung von Flucht, Vertreibung und der Suche nach Heimat" zusammen, lobte Jury-Präsident Volker Jung ihr Radiostück. Unter anderem waren Schlesier, Siebenbürgen und Ostpreußen für die Aufnahmen ins NDR-Studio gekommen, um die Schauspieler anzuleiten, die Geschichte von etwa 12 bis 14 Millionen Kriegsflüchtlingen originalgetreu zu erzählen. "Es ist Vergangenheit im Studio wieder auferstanden", sagte Regisseur Oliver Sturm, und berichtete von der Erkenntnis des Teams, "dass Fremdenfeindlichkeit auch ohne Ausländer funktioniert".

Kinderprogramme: Heimat und Planet

Zu sehen, was eigentlich die eigene Heimat ist, war auch das Ziel der ZDF-Sendung "Stadt, Land, Bus" in der Reihe "Der goldene Tabaluga": Fünf Jugendliche ließen die Macher Leonie Litschko und Felix Kost in ihre jeweilige Heimat reisen, um selbst rauszufinden, was eigentlich typisch deutsch ist. Dafür haben sie einen der beiden Geisendörfer-Preise für das Kinderprogramm bekommen.

Die Jury "Kinderprogramme" vergab ihren Preis für "Planet Willi" an Birte Müller-Wittkuhn, Olivia Wittkuhn, Matthias Wittkuhn, hier begleitet vom Jury-Vorsitzenden Bernd Merz.

Jury-Vorsitzender Kinderprogramm Bernd Merz lobte die "gegenseitige Wertschätzung" und die positive Stimmung, die die Sendung ausstrahle. "Es ist eine Riesen-Ehre", freute sich Felix Kost, "aber die größte Ehre war es eigentlich, drei Wochen ‚Stadt, Land, Bus‘ erleben zu können". Es habe sich daraus eine Gemeinschaft ergeben, die er vorher nicht für möglich gehalten hatte. In einer Zeit des Spaltens "sollten wir diesen Bus als Therapieform für den ein oder anderen Würdenträger lizensieren ", sagte Kost.

Den anderen Geisendörfer-Preis für Kinderprogramme bekamen Birte Müller-Wittkuhn, Matthias Wittkuhn und ihre Kinder Wiliam und Olivia für die Sendung "Planet Willi" aus der WDR-Reihe "Die Sendung mit dem Elefanten". Willi ist mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen. Die Autoren haben "ein anspruchsvolles Thema in schlüssige Bilder übersetzt", lobte die Jury. Es sei den beiden gelungen, eindrucksvoll darzustellen, dass Willi eben keine Belastung ist, sondern eine Bereicherung, sagte Bernd Merz. "Aufklärung und Information ist glaube ich das Wichtigste, was das Thema angeht", sagte Matthias Wittkuhn, "damit wir auch weiterhin eine so bunte Gesellschaft haben". Der Geisendörfer-Preis soll nicht marktkonforme Sendungen auszeichnen, daran erinnerte auch Birte Müller-Wittkuhn, "und auch unser Willi ist nicht konform" und müsse es auch nicht sein.

Fernsehprogramme: Giftmüll und Loveparade

Christian Gramstadt und Kirchenpräsident Volker Jung, Vorsitzender der Jury "Allgemeine Programme".

Fürsprache übte auch Autor und Regisseur Christian Gramstadt, der für Radio Bremen und Arte die Dokumentation "Das Gift der Mafia" filmte, die Enthüllung eines Netzwerks zur illegalen Giftmüllentsorgung in Italien. Fürsprache nämlich für die Menschen, die unter Krebserkrankungen leiden, die von den Abfällen in Süditalien verursacht werden. Weil die Macher die illegal entsorgten Reste schwer filmen konnten, kontrastierten sie die Geschichte vom Geschäft der Mafia und dem Leid der vergifteten Menschen mit eindrücklichen Bildern aus der süditalienischen Landschaft und den betroffenen Orten. "In Italien wird fast täglich über die Mafia berichtet", berichtete Gramstadt, und wünschte sich eine ähnliche Sorgfalt der Staatsanwälte und Journalisten auch für Deutschland.

Den anderen Fernseh-Preis verlieh die Geisendörfer-Jury an "Das Leben danach" von Eva und Volker A. Zahn und Regisseurin Nicole Weegmann. Für den WDR haben sie eine fiktive Geschichte zur Tragöde der Duisburger Loveparade gedreht, die sich "konsequent mit den Folgen von Schuldgefühlen und der Frage von Schuld auseinandersetzt", wie die Jury in ihrer Begründung schrieb. "Wir haben uns extrem gefreut, weil dieses Projekt nicht ganz einfach war", erzählte Volker Zahn. Die Geschichten rund um die Loveparade-Katastrophe seien in Duisburg bis heute ein "emotionales Minenfeld", hätten sie bei der Recherche festgestellt. "Fürsprache für die Menschen, die betroffen sind, muss die oberste Maxime sein" bei einem solchen Projekt, hielt Regisseurin Weegmann fest.

"Die Würde der Menschen Afrikas"

"Robert Geisendörfer war es ganz wichtig, dass wir in die Welt gucken und nicht in der Provinzialität verharren", sagte Moderatorin Ursula Ott mit Blick auf den Sonderpreis der Jury des Geisendörfer-Preises. Der geht 2018 an Bettina Rühl, die seit mehr als 30 Jahren aus den Ländern Afrikas berichtet.

 

Die freie Korrespondentin Bettina Rühl erhielt den Robert Geisendörfer Sonderpreis 2018 für ihre Afrika-Berichterstattung. Die Laudatio hielt Prinz Asfa-Wossen Asserate.

"Wir ehren heute eine Frau, die ihr Leben Afrika gewidmet hat", lobte Prinz Asfa-Wossen Asserate in seiner Laudatio. Berichterstattung aus Afrika beschränke sich oft auf "die drei K’s: Kriege, Krisen, Katastrophen". Bettina Rühl spare diese Blicke nicht aus, aber sie verstehe es ebenso, "die Vielfalt und Widersprüchlichkeit Afrikas zum Ausdruck zu bringen". Die Lebensfreude und enorme Kreativität der Menschen sei genauso in ihrem Fokus wie der wirtschaftliche Aufschwung. "Ihre Beiträge sind gründlich recherchiert, lebendig, farbig und detailgetreu", lobte Asserate. Rühl habe eine "empathische Nähe" zu den Menschen, es gelinge ihr, "die Würde der Menschen Afrikas einfühlsam zum Ausdruck zu bringen". Die Menschenrechte, mit der Würde an der Spitze, seien das "einigende Band der Menschheit", sagte Asserate. Dass die Menschen Afrikas in dieses einigende Band eingeschlossen werden, dafür setze sich Bettina Rühl auf beeindruckende Weise ein. Sie weise sowohl auf die Erfolge, die Fehlleistungen und die Herausforderungen Afrikas hin.

Diese Herausforderungen könne Afrika aber nicht ganz alleine lösen, mahnte Asserate: "Wenn Afrika eine Zukunft haben soll, muss Europa von seiner desaströsen Handelspolitik Abschied nehmen", sagte Asserate. "Wenn man Migration eindämmen möchte, muss man die Verhältnisse vor Ort verbessern", und das hieße vor allem Arbeitsplätze für die junge Generation. In den nächsten 10 Jahren brauche Afrika 20 Millionen neue Arbeitsplätze, um die nachwachsende Generation in ihren Heimatländern in Lohn und Brot zu bringen, sagte Asserate. Afrika müsse "die Chance bekommen, sich zu entwickeln", zitierte der Laudator aus dem chrismon-Interview mit Bettina Rühl: "Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, müssen wir unseren Reichtum teilen."

###galerie|152994|"Fürsprache üben" steht auf der Medaille zum Geisendörfer-Preis. Die ausgezeichneten Journalistinnen und Journalisten 2018 haben in ihren Beiträgen dieses Motto besonders mit Inhalt gefüllt. Bilder des Abends.###

"Es ist nicht immer einfach, diese Berichterstattung zu machen", sagte Rühl in ihrer Dankesrede. Mit ihr habe die Jury auch die "lange Form" im Hörfunk ausgezeichnet, sagte Rühl, die meist einstündige Sendeplätze im Radio mit ihren Reportagen und Features füllt. Die Autorin dankte auch den Redakteurinnen im Team Entwicklung des Evangelischen Pressedienstes (epd), die ihren Beiträgen in der Nachrichtenagentur Raum geben und sie für den Geisendörfer-Preis vorgeschlagen hatten.

Der Robert Geisendörfer Preis wird seit 1983 jährlich im Gedenken an den christlichen Publizisten Robert Geisendörfer (1910-1976) verliehen. Ausgezeichnet werden Hörfunk- und Fernsehsendungen aus allen Programmsparten, die das persönliche und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken und zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter beitragen. Mit dem Sonderpreis wird darüber hinaus eine exemplarische publizistische oder künstlerische Leistung gewürdigt. Die Preise sind mit insgesamt 30.000 Euro dotiert, der Sonderpreis ist undotiert.

Die Geschäftsführung des Preises liegt beim Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main. Das GEP ist die zentrale Medieneinrichtung der EKD, ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen. Zum GEP gehören unter anderem evangelisch.de, das Magazin chrismon und die Zentralredaktion des epd.