Berlin: Proteste gegen Agrarindustrie

Berlin: Proteste gegen Agrarindustrie
Erneut haben Zehntausende Menschen für eine globale Agrar- und Ernährungswende protestiert. An der Demonstration im Berliner Regierungsviertel nahmen nach Veranstalterangaben 33.000 Teilnehmer teil und damit deutlich mehr als erwartet.

In Berlin haben am Samstag nach Polizeiangaben mehrere Zehntausend Menschen für eine Agrar- und Ernährungswende demonstriert. Die Veranstalter sprachen von rund 33.000 Teilnehmern. Zu der Großdemonstration unter dem Motto "Wir haben es satt!" hatte ein Bündnis aus rund 100 Umwelt-, Verbraucher-, Landwirtschafts- und Entwicklungsorganisationen aufgerufen. Zu dem jährlichen Protestmarsch kamen auch zahlreiche Bauern mit über 100 Traktoren in die Bundeshauptstadt. Anlass war der Beginn der "Grünen Woche", eine der weltweit größten Leistungsschauen der Agrarbranche.

Vor dem Agrarministergipfel im Bundeswirtschaftsministerium schlugen die Demonstranten lautstark auf Kochtöpfe und forderten die Achtung der Menschenrechte, faire Handelsbedingungen und mehr Unterstützung für die ländliche Bevölkerung weltweit. Zuvor hatten den Angaben zufolge rund 160 Bauern eine Protestnote an die 70 versammelten Minister aus aller Welt übergeben. "Wir wollen raus aus der fatalen Exportorientierung und Landkonzentration, die Bauern hier und weltweit das Genick bricht", sagte Jochen Fritz, Sprecher des Bündnisses "Wir haben es satt!". So habe allein in den vergangenen zwölf Jahren in Deutschland ein Drittel der Bauernhöfe schließen müssen.



Im Mittelpunkt der inzwischen achten "Wir haben es satt!"-Demonstration stand die Kritik am Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft. Das Unkrautvernichtungsmittel habe verhängnisvolle Konsequenzen für Menschen, Tiere und Umwelt, erklärten Umwelt- und Verbraucherverbände. Zudem forderten die Demonstranten eine regionale und nachhaltige Ernährungspolitik sowie eine artgerechte Tierhaltung.

Nötig sei eine grundlegende Reform der europäischen Agrarpolitik, betonte Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: "Diejenigen, die umwelt- und klimaschonenden Ackerbau betreiben und Tiere artgerecht halten, müssen durch Direktzahlungen unterstützt werden, nicht wer am meisten Flächen besitzt." Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, warnte vor Gülle und Pestiziden, die Böden und Gewässer belasten. "Bäuerliche Betriebe ringen ums Überleben und das Insektensterben zeigt, welche dramatischen Auswirkungen die industrielle Agrarproduktion auf die Artenvielfalt hat." Die nächste Bundesregierung müsse Lösungen für die massiven Probleme der Landwirtschaft präsentieren.

Parallel zu der Demonstration veranstalteten Landwirte in ganz Deutschland einen Aktionstag, um sich gegen Pauschalkritik an der Agrarwirtschaft zu wehren. Unter dem Titel "Wir machen Euch satt!" riefen sie Verbraucher dazu auf, mit den Bauern in Dialog zu treten. In den Fokus soll in diesem Jahr das Thema Insektensterben gerückt werden.

Den Angaben zufolge haben sich Landwirte aus der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft in ganz Deutschland dazu verpflichtet, 2018 deutlich mehr sogenannte Blühstreifen an den Feldern einzurichten, um unter anderem Bienen eine bessere Nahrungsgrundlage zu bieten. "Damit wollen wir ein sichtbares Zeichen setzen, dass den Landwirten der Schutz der Natur besonders am Herzen liegt", sagte Marcus Holtkötter, Landwirt aus Nordrhein-Westfalen und einer der Mitinitiatoren, im Vorfeld. Auch Verbraucher etwa in Großstädten könnten einen Beitrag gegen das Insektensterben leisten, indem sie Blühfelder auf Balkonen oder Gärten anpflanzen, hieß es.