Warum religiöse Memes so populär sind

Memes
Sophie Vorgrimler
Warum funktionieren Memes über Glauben so gut?
Zwischen Trash und Theologie
Warum religiöse Memes so populär sind
Memes sind fester Bestandteil der Internetkultur – auch im religiösen Kontext. An der Uni Frankfurt stellt ein Workshop die Frage: Warum passen Religion und Meme-Kultur so gut zusammen? Social-Media-Redakteurin Sophie Vorgrimler aus dem evangelischen YEET-Contentnetzwerk berichtet.

Auf dem Tisch liegen fast hundert Memes über Religion und Glaube. Ausgedruckt auf Papier sieht man Memes selten. Aber an der Universität Frankfurt findet ein Workshop statt, bei dem sich die Teilnehmer*innen das Internetphänomen im Bezug auf Religion genau angucken.

"Religiöse Memes stehen in der Tradition, dass Religion schon immer stark über Bild und Text verbreitet wurde", sagt Lukas Sünder. Er ist Künstler und Katholik und seine Projekte haben - online wie offline - meist einen religiösen Bezug. Leoni Wohlfart, Religionswissenschaftlerin am Institut für Religionspädagogik und Mediendidaktik, forscht für das Projekt REDiCON zu Konfession im deutschsprachigen Internet. Zusammen leiten sie den Workshop "Religion und Meme-Kultur". 

Memes sind fester Bestandteil der Internet- und Jugendkultur. Ein Meme erkennt man sofort. Aber was macht ein Meme überhaupt aus? Und warum eigenen sie sich so gut, um über Religion zu sprechen? 

Memes bestehen aus einem meist ikonischen Bild oder Kurzfilm und einem Text in einer großen, klaren Schrift. Sie sind humorvoll, oft mit leichter Trash-Ästhetik. Die Bilder stammen häufig aus der Popkultur – oder es sind eben solche, die jeder kennt. Wie religiöse Bilder. So lassen sich Bild oder Film auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche beziehen. Sie thematisieren einen "Inhalt, über den es großes gemeinsames Weltwissen gibt", heißt es in der Definition. 
Und sie stiften Identität. Zum Beispiel innerhalb einer Religionsgemeinschaft.

"Sie verbinden Menschen, die in den Memes ihre eigene Religiosität abgebildet sehen", sagt Sünder, dessen Nachname übrigens kein Künstlername ist. 
"Memes sind ein Spreadable Media", sagt Wohlfart. Das heißt, sie werden gerne auf sozialen Netzwerken verschickt und geteilt. Normalerweise gilt: Muss man ein Meme erklären, hat es sein Ziel verfehlt. Memes sind so einfach und klar, dass jeder sie ohne viel Vorwissen verstehen kann. "Je mehr man mit der Bildsprache von Memes vertraut ist, desto schneller erschließt sich die Botschaft."

 Jesus: Wir werden alle auf derselben Seite sitzen

Ein einfaches Beispiel, das auf dem Tisch ausliegt: Das letzte Abendmahl nach Da Vinci - ein Bild das jedem geläufig ist. Dazu der Text "Jesus sagt:  Ein Tisch für 26 Personen, bitte. Die Bedienung: Aber ihr seid nur 13? Jesus: Wir werden alle auf derselben Seite sitzen." Witze erklären funktioniert nie gut. Aber das ist lustig, man muss mindestens schmunzeln. Warum eigentlich, sitzen alle auf einer Seite? Was für eine skurrile Situation wäre das, man würde so einen Tisch reservieren?  Und wie schön ist der Satz: Wir werden alle auf derselben Seite sitzen.

Über Memes wie dieses kann man sogar schmunzeln, wenn einem Religion, Jesus und das Christentum völlig egal sind, sagt Sünder. Das Meme spricht für sich. Wer Urheber*in eines Memes ist, ist selten bekannt. Das Internet ist zu groß und Memes wie dieses verselbstständigen sich schnell und werden rund um den Globus geschickt.

Neben Studierenden sind auch Lehrkräfte, die mit Memes im Unterricht arbeiten dabei. Ein Teilnehmer ist sogar aus Innsbruck für das Seminar angereist, auch er forscht zu Religion und Memes. Und viel erforscht sind sie noch nicht. Dabei sind Memes in der digitalen Kirche längst angekommen. In den sozialen Netzwerken gibt es ganze Accounts, die nur Memes zu Religion veröffentlichen.

Einer der bekanntesten christlichen Meme-Accounts im deutschsprachigen Raum nennt sich "Memesionar". Auf Instagram folgen ihm mehr als 10.000 Menschen. Leoni Wohlfart und Lukas Sünder haben Interviews mit Meme-Künstlern mitgebacht, unter anderem mit David Grund, der Kopf hinter dem Account. Im ersten Jahr, hat er seine Identität geheim gehalten. 

Durch seine Anonymität, sagt er im Interview, hatte er noch mehr Freiheit auch aktuelle christliche Influencer*innen auf die Schippe zu nehmen. Er sagt: "Gott hat auch Humor. Und wir haben den Humor von Gott." Er will ein leichteres Bild vom Christentum zeichnen und zeigen, dass "Christen auch über sich selbst lachen können".

Nana Myrrhe vom Podcast FCKPKT hat eine andere Intension. Sie erstellt für den Instagram-Account ihres Podcasts Memes. Dort machen sie "auf die schädlichen Auswirkungen von Purity Culture", also Enthaltsamkeits-Kultur aufmerksam. Sie findet, dass Memes auch eine Heilungskomponente haben. Weil Memes ernste Themen humorvoll behandeln können, könnten sie sogar mehr Leute erreichen.

Außerdem steht für Nana Myrrhe der Gemeinschaftsaspekt im Fokus. Menschen erkennen sich und ihre Geschichte in Memes wieder. "Man kann sich mindestens mit der Person, die das Meme erstellt hat, verbunden fühlen." Und weil der Inhalt humorvoll verpackt ist, lässt er sich auch leichter teilen – das ist besonders für Tabu-Themen von Bedeutung.

Im Workshop gibt es unzählige Beispiele für Memes aus religiösem Kontext – manche setzten sich kritisch-ironisch mit Dynamiken in Gemeinden, Debatten um Auslegungen der Bibel oder populären Personen aus dem aktuellen kirchlichen Kontext auseinander. Andere sind merkbar aus der Mitte des christlichen Glaubens heraus und spielen mit biblischen Figuren wie den Erzengeln, Eva, Jona oder Stereotypen verschiedener christlicher Glaubensströmungen.

Und das Spannende: Memes sind partizipativ und modular. Sie rufen quasi dazu auf, mitzugestalten – und die Möglichkeiten, Memes zu gestalten sind noch lange nicht erschöpft.