Zombies in der Kirche!

Zombies in der Kirche!

Die kleine Notiz am Rande der Duisburger Lokalzeitung macht mich zuerst etwas stutzig. "Wie aus Zombies Kinder Gottes werden" heißt es da - ein Gottesdienst mit Konfirmanden. Dass mir die aktuelle Zombie-Welle im Horror, jetzt erneut etwas angefacht von der Serie "The Walking Dead" auf den Keks geht und ich mich frage, ob wir da nicht ein gesellschaftliches Problem haben wenn gerade hirnlose, nur die ES-Triebe befriedigenden Wesen durch das Land marschierenund wir das alle so toll finden  - manche behaupten auch, wir würden gerade von ihnen regiert - gut, das ist halt meine persönliche Sichtweise. Offenbar sind Zombies jetzt aber auch kirchensalonfähig. Ist ja auch erstmal nichts Schlechtes. Finde ich.

Wobei Zombies anders als Vampire ja sowieso nie ein Problem damit hatten irgendwelche Kirchen zu betreten. Insofern können Zombies durchaus in der Kirche stattfinden. ;-) Glücklicherweise aber hat die Lokalzeitung meiner Wahl noch neben der kurzen Ankündigung auch noch einige Zeilen mehr zum Gottesdienst mit Zombies zu bieten. Denn aufgemerkt: Die Jugendlichen haben sich mit dem Song der Cranberries auseinandergesetzt. Die Cranberries. Jene Band, die mit dem Song "Zombie" bekanntgeworden ist, danach mehrere gute Alben hatte und sich dann leider auflöste. Wobei sie den Krachsound von "Zombies" nie mehr so ganz erreichte, das, was man damals als "Crossover" als ganz heißes neues Ding handhabte. Wobei - "Zombies" fällt da eigentlich nicht so richtig rein. Sicherlich, es gibt die krachenden Gitarren, den durchschlagenden Bass und der Song ist durchaus heftig - aber "Crossover" ist er doch nicht so ganz.

Muss er auch nicht, schließlich prangert der Song den Bürgerkrieg in Nord-Irland an - und das Video spielt durchaus mit religiöser Symbolik. Dolores O'Riordan als vergoldete Sängerin unterm leeren Kreuz, umringt von Kindern mit Pfeil und Bogen - Engelputten? Oder doch eher Anspielungen auf Amor? - und im Video selbst immer wieder die realen Ikonen der Straßen- und Häusermalerei, die die Beteiligten des Konflikts wie Heilige darstellen. Jede Menge bildnerischer Stoff, der durchaus im Konfirmandenunterricht seinen Platz hat - man kann schließlich fragen, wo Jesus vom leeren Kreuz hingegangen ist, ebenso die Parallelhandlung mit den spielenden Kindern regt zum Nachdenken an.

Geht man dann auf den eigentlichen Zombiemythos zurück, dann macht nicht nur der Song sondern auch ein Gottesdienst zum Thema Zombies in der Kirche durchaus Sinn. Schließlich sind Zombies ja nicht immer wiederbelebte Leichen gewesen. Der Zombiemeister, der mit seinem geheimen Kräutermischmasch den Lebenden den Willen nimmt ist ja der eigentlich Ursprung des Mythos. Den Hollywood zu Beginn der 30-ger Jahre übrigens ja auch so dargestellt hat. Mehr oder weniger. So wie sich Vampire entwickelt haben, haben sich dann auch Zombies weiterentwickelt. Aber immer noch sind sie fremdbestimmt: Nicht mehr der Zombiemeister hat die Kontrolle, sondern die reinen Triebe.

Die Cranberries legen dann den Finger in die Wunde: "And the violence caused such silence,
Who are we mistaken? [...] What's in your head, in your head, zombie, zombie, zombie?" Da bohrt diese Frage: Warum schweigen wir? Warum halten wir den Mund? Nur weil die Gewalt glücklicherweise nicht unsere Familie betrifft? Ganz schön bitter der Text, vor allem wenn der Refrain permanent fragt, was denn im Kopf ist - what's in your head, zombie? - oder anders gefragt: Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht fremdbestimmt bist von all dem Mist, der Tag für Tag in dein Gehirn geschaufelt wird und den du dir freiwillig antust?

Ich bin mir nicht sicher ob die Konfirmanden morgen in ihrem Gottesdienst sich diese Fragen genau so gestellt haben, noch weiß ich wie es ihnen gelingt aus "Zombies" "Kinder Gottes" zu machen - aber wenn es um diese Art von Zombies geht, von ferngesteuerten Instinktautomaten, die sich nicht bewußt sind was sie antreibt und über das Nachdenken, was einen den antreiben sollte... Wenn es darum geht, dann hat das Thema Zombies durchaus seinen Platz in der Kirche. Bei Einhörnern und Drachen wäre ich mir da aber nicht so ganz sicher... :-)

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