Church of Fear: Habt Angst!

Church of Fear: Habt Angst!

Ob es die von Christoph Schlingensief gegründet Church of Fear noch gibt? Die verlinkten Mitgliederseiten jedenfalls führen von der Hauptseite ins Datennirwana - die grundsätzlichen Forderungen und Themen allerdings sind immer noch zu sehen. Eine Kirche der Angst? Kann man das gut finden? Sollte man das?

Recht auf Terror? Terroranschläge? Ich muss da doch etwas schlucken wenn die Webseite auffordert, man sollte doch schreiben ob und wann man eine Terror-Aktion starten möchte - natürlich wird das dann streng vertraulich behandelt. Provokation in Reinkultur natürlich. Was erwartete man auch anderes von Schlingensief? Grundsätzlich gefällt mir diese Seite der Sache gar nicht - mit Terror spielt man nicht, auch nicht in der Kunst. Seit dem Einsturz des World Trade Centers ist das Tabu. Schön - wenn jemand in Ausschwitz tanzt ist das auch ein Tabu, aber immerhin ist das ein Überlebender des Holocaustes, der das Leben feiert. Man kann natürlich alles machen, es kommt auf die Person an die dahinter steht.

Andererseits aber entdecke ich in dieser Kirche der Angst, dieser Church of Fear trotz aller Dissonanzen mit dem, was ich glaube durchaus etwas Wahres: Ja, man versetzt uns täglich in Angst und Schrecken. Selbst ein einfacher Webespot genügt schon um die Angst der Hausfrau wachzurufen weil die Gardinen eventuell nicht weißer als weiß sein könnten. Jede Nachrichtensendung teilt uns mit, dass wir in einer Welt leben, die nicht mehr das Paradies ist was Gott gewollt hat sondern eine Welt, in der man Angst haben kann. Terrorgeschädigte, so Schlingensief, sind wir alle. Da hat er Recht gehabt. Der Terror hat viele Gesichter. Gerade in der heutigen Welt.

Schlingensief hat uns daran erinnert und auch, dass wir diese Angst viel zu oft einfach zur Seite drängen - seine Aufforderung sich zur Angst zu bekennen ist tatsächlich etwas, mit dem ich auch einverstanden bin. Anstatt die Angst zu vergraben ist es besser sich ihr zu stellen - auf welche Weise auch immer. Wir schieben das häufig nur zu gerne weg, Schlingensief hatte da schon Recht: Wer seine Wunden offen zeigen kann, stößt damit schon einen Teil des Heilungsprozesses an.

Angst ist auch häufig ein Thema in der Bibel, aber - und da weiche ich von Schlingensiefs Kunstkirche durchaus ab - schlussendlich ist das Wort Jesu: "In der Welt habt ihr Angst aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden" etwas, was mir Trost gibt. Ich weiß nicht wohin die Mitglieder der Church of Fear ihre Angst hintragen, ob sie nach dem Bekennen zur Angst mit Freunden darüber sprechen, welche Zeremonien diese Kirche hat. Ich aber weiß, dass ich meine Angst zu jemanden bringen kann der genau wie ich welche hatte, damals in Gethsemane. Und ich weiß, dass meine Angst nach dem Gespräch mit Gott verändert ist, dass sie die harten Ecken und Kanten verloren hat. Merkwürdig, dass mich gerade das wieder aufrichtet - oder?

 

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