Ikonen im Advent

Ikonen im Advent
Krieg und Christkindlmarkt. Die Sehnsucht nach Frieden in der Gleichzeitigkeit der Dinge

Still ist es in der Münchner Heilig-Geist-Kirche, vor allem am Abend. Nur langsam gewöhnt sich das Auge an die Dunkelheit, bevor es erkennt, was dort zu sehen ist: Ikonen auf Waffen- und Munitionskisten. Auf Deckeln und Böden mit Rissen und Narben. "Ikonen gegen den Krieg" nennt das ukrainische Künstlerpaar Oleksandr Klymenko und Sofia Atlantova seine Arbeit. Es sind Mahnmale für den Frieden.

Frieden statt Krieg. Verbundenheit statt Feindschaft. Glaube statt Ideologie. Hoffnung statt Hass. Leben statt Tod. Das ist es, was die Menschen ersehnen. In der Ukraine zumal. Aber auch bei uns. Gerade jetzt, im Advent.

Es ist der erste Advent im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der erste, in dem auch das Leben in Deutschland rauer geworden ist. Jahrzehntelang ging es uns gut, lebten wir nahezu sorglos. Das ist vorbei. Viele Menschen sind verunsichert. Wie noch die Heizkosten bezahlen, wie den Strom? Was, wenn ein Blackout kommt? Und was ist mit der Zukunft der Kinder, der Jugendlichen? Jenen, die sich vor dem Klimawandel fürchten? Die sich am Asphalt von Straßen und Brücken festkleben und in Kauf nehmen, sich strafbar zu machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, wie immer man das finden mag?

Der Krieg verändert viel. Der Krieg verdrängt viel.

Zur selben Zeit am anderen Ort: Gute-Laune-Weihnachtsmärkte, zum ersten Mal wieder seit Corona. Mit Glitzer und Glühwein und Lichtern und Lebkuchen. Mit Räuchermännchen und Fellhausschuhen. Mit Modeschmuck und Brotzeitbrettln und schönem Spielzeug für die Kleinen. Mit Anhängern für die Christbäume, Engel aus dem Erzgebirge, Dackel aus Bayern, Fußbälle mit Nikolausmützen, kleine Glocken, bunte Kugeln, alles mal klassisch, mal kitschig, mal scheußlich und trotzdem immer herrlich, weil sie einfach hineingehören in diese Zeit.

Auch das sind Ikonen. Es sind Ikonen für den Frieden.

Denn Weihnachten ist Friedenszeit. Darauf richten sich unsere Blicke, darin ruht unsere Hoffnung. So wie es der Chor in Händels Messias in Anlehnung an Jesaja 9,5 besingt: Denn es ist uns ein Kind geboren, uns zum Heil ein Sohn gegeben, und die Herrschaft ist gelegt auf seine Schulter, / und sein Name soll heißen: Wunderbar, Herrlicher, der starke Gott, der Ewigkeiten Vater und Friedefürst!

Wunderbar! Herrlicher! Der starke Gott! Der Ewigkeiten Vater! Der Friedefürst. Eine größere Hoffnung, eine stärkere Ermutigung, eine zuversichtlichere Gewissheit gibt es nicht.

Frieden statt Krieg. Verbundenheit statt Feindschaft. Glaube statt Ideologie. Hoffnung statt Hass. Leben statt Tod. Es sind dieselben Attribute. Auch auf den Weihnachtsmärkten.

Das ist es, was die Ikonen dieser Adventszeit ausmacht. Die "Ikonen gegen den Krieg" in der Heilig-Geist-Kirche genauso wie die "Ikonen für den Frieden" direkt nebenan, auf dem Christkindlmarkt in München.

In einer Zeit, in der alles gleichzeitig ist, der Krieg und die Sorgen und die Vorfreude auf Weihnachten, ist die Sehnsucht nach Frieden allen gleich.

 

weitere Blogs

Teil einer peruanischen Krippe aus der Sammlung Klaus Lotter, Bad Kissingen. Diese Krippe mit "Lamahalsfiguren" (mit langen Hälsen) stammt aus Peru.
In Bad Kissingen sind am zweiten Advents-Wochenende über 100 Krippen aus aller Welt zu sehen.
Kirchenjahr-evangelisch bietet jetzt zu jedem Sonntag die passende Bach-Kantate per Link. Was wohl Johann Sebastian Bach dazu sagen würde, dass seine Musik Jahrhunderte nach seinem Tod jederzeit auf Abruf im World Wide Web klingen kann?
Die EKD-Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" aus dem Jahr 1996 war für Wolfgang Schürger ein wichtiger Schritt zu einer Öffnung der protestantischen Kirchen gegenüber Queers. Junge Queers sehen in ihr heute ein Dokument "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Grund für einen Rückblick auf dreißig Jahre Kampf um queere Rechte in der Kirche - und einen Ausblick.